Melanchthon, Philipp – An seinen gelehrten Freund Johannes Oekolampadius, über den Abendmahlsstreit

Aus dem Latein. übersetzt von W.K.

Ich habe etliche Briefe von Dir erhalten, welche, weil in ihnen viele nicht undeutliche Zeichen Deiner alten Liebe gegen mich und Deiner unveränderlichen freundschaftlichen Gesinnung sich finden, mir sehr erfreulich gewesen sind. Demn meine Gesinnung gegen Dich ist noch immer die, welche sie stets gewesen ist. Von jeher aber hab‘ ich, von tiefer Verwunderung Deiner Gelehrsamkeit und deiner ausgezeichneten Eigenschaften erfüllt, Dich nicht nur unbeschreiblich lieb gehabt, sondern auch mit besonderer Pietät verehrt. O wären doch die Zeiten so, daß wir dieser unsrer Freundschaft uns ganz hingeben könnten! Aber da ist der furchtbare Zwiespalt in Betreff des heiligen Abendmahls eingetreten, der unsern alten freundschaftlichen Diensteifer, in welchem wir gewöhnlich Einer den Andern zu übertreffen suchten, gehemmt, jedoch mein Wohlwollen gegen Dich nicht geschwächt hat. Solltest Du also irgend Etwas an meinem Diensteifer vermissen, so bitte ich Dich, Du wollest dieß der Zeit vielmehr, als meiner Treue zurechnen.

Was nun die Sache, welche Du vertrittst, anlangt, ist es mir sehr schmerzlich, daß gerade über das Uneinigkeit entstanden ist, was von Christo angeordnet worden, um eine unauflösliche Liebe zu begründen. Du weißt aber, daß ich bei diesem Kampfe bisher mehr Zuschauer, als thätiger Theilnehmer gewesen bin. Auch hab‘ ich viele wichtige Ursachen, warum ich mich nicht in einen so verdrießlichen Streit mischen mochte. Inzwischen hat doch nie eine Sorge um irgend eine Sache mein Gemüth mehr beunruhigt, als die Sorge um diese Angelegenheit. Auch hab‘ ich nicht nur bei mir selbst nachgedacht, was sich wohl dafür oder dagegen sagen lasse, sondern ich hab‘ auch die Meinungen der Alten über diesen Gegenstand geprüft. Denn ich möchte nicht als Urheber oder Vertheidiger irgend eines neuen Dogms’s in der Kirche dastehen. Nachdem ich nun Alles, was auf beiden Seiten am besten begründet scheint, erwogen, will ich es, mit Deiner Erlaubniß, aussprechen; – doch Deiner Meinung trete ich nicht bei. Denn ich finde keinen zuverlässigen Grund, der meinem Gewissen genügen könnte, um von der eigentlichen Bedeutung der Worte abzugehen. Ich habe aber bis auf diesen Tag Nichts über diese Angelegenheit geschrieben, weil ich voraus sah, daß unbillige Richter, was ich auch schreiben möchte, behaupten würden, ich sei von Luther, gleichsam als ein um Hause gehöriger Zeuge, beauftragt. Meine Meinung würde doch kein Ansehen gehabt haben, weil es geschienen hätte, als sei sie zu Gunsten eines Andern geschrieben. Du aberwirst, hoffe ich, über meine Gesinnungen besser urtheilen.

 

„Denn wie des Hades Pforten, so ist mir ein Solcher zuwider,
Welcher im Herzen Anderes birgt, und Anderes ausspricht.“
Homer
Denn wie ich auch immer sonst sein mag, so bin ich doch wenigstens nie jenen Epikuräern geneigt gewesen, wie es deren in unserer Zeit gar Viele gibt, welche der Religion spotten, und ihr Vergnügen daran finden, in den wichtigsten Angelegenheiten die Menschen zu täuschen. Stets bin ich, wie Du weißt, mit Eifer der christliche Lehre zugethan gewesen, und eben darum ließ ich es mir angelegen sein, sie genau kennen zu lernen. Auch habe ich nicht ohne manche Mühe bei dem Suchen nach dem, was ich als zuverlässig annehmen könnte, von den scholastischen Meinungen, ja zum Theil auch, wie es einige Beweise gibt, von den Meinungen meiner Freunde mich los gerungen. Haschte ich nach Gunst, so würde ich, da ich gar wohl weiß, wie viele große und gelehrte Männer Eure Partei zählt, deren Freundschaft zu gewinnen, nicht unversucht lassen. Ich würde also auch, wenn Eure Meinung über das heilige Abendmahl mir zusagte, mich ohne Rückhalt zu derselben bekennen.

Ihr behauptet, es werde der Leib des abwesenden Christus, gleichsam wie in einer Tragödie, vorgestellt; ich aber weiß, daß es eine Verheißung Christi gibt: „Ich werde bei Euch sein, bis an das Ende der Welt!“ und ähnliche, bei denen es nicht nötig ist, von der Menschheit die Gottheit zu trennen; und dem zu Folge halte ich dafür, dieses Sacrament sein ein Zeugniß der wahren Gegenwart. Weil nun dem also ist, so bin ich überzeugt, daß in jenem Mahle die Mittheilung des gegenwärtigen Leibes Statt finde. Da die eigentliche Bedeutung der Worte mit keinem Glaubensartikel streitet, so ist kein zureichender Grund vorhanden, dieselbe zu verlassen. Auch stimmt diese MEinung von der Gegenwart des Leibes mit andern Schriftstellern überein, welche die wahre Gegenwart Christi bei uns, lehren. Denn die Meinung ist des Christen unwürdig, Christus habe einen Theil des Himmels also eingenommen, daß Er in ihm, gleich wie in einem Gefängnisse eingeschlossen, wohne. Du stellst eine Menge ungereimter Folgerungen zusammen, welche aus dieser Meinung hervorgehen. Du stellst ferner einige Aussprüche der Alten zusammen, welche für Dich zu sprechen scheinen. Aber am so genannten Ungereimten wird weniger Anstoß nehmen, wer nur bedenkt, daß man himmlische Wahrheiten nach dem Worte Gottes, nicht nach geometrischen Grundsätzen beurtheilen müsse, ja wer durch eigene Kämpfe gelernt hat, daß keine Gründe zu finden sind, welche dem Gewissen eine befriedigende Belehrung gewährten, sobald es sich vom Worte Gottes entfernt hat.

Ich erkenne an, daß in den Stellen, welche aus den Alten angeführt werden, einige Verschiedenheit Statt finde. Wer jedoch aus ihnen mit bedächtiger Prüfung die Aussprüche der angesehensten Schriftsteller ausheben will, wird sehr vielen finden, was beweist, die Meinung, welcher wir folgen, sei auch die allgemeine Meinung der alten Kirche, so weit wir sie kennen, gewesen, obwohl Du, als ein beredter Mann, einige Stellen zu spitzfindig erklärest, und gewaltsam nach Deiner Meinung deutest. Wenn die Alten von der Auferstehung handeln, führen sie das heilige Abendmahl an, und nach meiner Meinung nicht unpassend; denn Christus deutete den Aposteln an, daß er auferstehen werde, weil Er den gemeinschaftlichen Genuß seines Leibes anordnete. Denn der Leib mußte doch leben, der uns mitgetheilt werden sollte. Wären nun die Alten der Meinung gewesen, daß uns der abwesende Leib vorgestellt werde, wie hätten sie daraus die Auferstehung beweisen können? Es hätte ja, auch wenn Christus nicht auferstanden wäre, doch sein abwesender und verwester Leib uns vorgestellt werden können, so wie etwa Hektor in der Tragödie.

Doch ich will hier keine umständliche Abhandlung geben, sondern schreibe Dir dieses nur, damit Du meine fortwährende freundschaftliche Gesinnung erkennen möchtest. Doch wollte ich auch meine Meinung nicht verhehlen, und bitte Dich, zu erwägen, welch‘ eine wichtige, gefahrvolle Sache Du unternommen. Es ist ein wahres Wort, daß man durch zu vieles Streiten der Wahrheit verlustig wird; und sie ist noch weit mehr bei diesen so ungestümen Zänkereien gefährdet. Daher dürfte es wohl besser sein, wenn in Betreff dieser Angelegenheit einige redliche Männer zu einem Colloquium sich vereinigten. Ich sehe wohl, welcher Same zu diesen Händeln in den Schriften der Alten ausgestreut ist; ja er findet sich auch in einigen neuerdings vor diesen Unruhen erschienenen. Ich sehe, daß Eure Sache auf die Hilfsmittel des Witzes und Scharfsinnes sich stützt, und daß Ihr nicht bloß öffentliche, sondern auch geheime Künste anwendet, um Aufsehen zu erregen, und ich zweifle, ob diese Euch wirksamer fördern als die öffentlichen. Deine Bescheidenheit ist mir hinlänglich bekannt; darum halte ich es nicht für nöthig, Dich zu erinnern, Du wollest bedenken, daß auch scharfsinnige, kluge Leute bisweilen fallen können, und gerade in geistlichen Dingen ist die zu große Zuversicht auf den eignen Verstand gefährlich. Du weißt, daß geschrieben stehet (Hiob 41,25, Sprichw. 16,5): „Der Hewrr hat Gräuel an Allem, was hoch ist in der Welt;“ und es gibt deren noch weit mehrere, als man vielleicht meint, welche nur das in der Religion festhalten, was sie mit ihrem Verstande erforschen und begreifen konnten. Zuletzt bitte ich Dich, Du wollest diesen meinen Brief, der in der freundschaftlichsten Absicht geschrieben ist, günstig aufnehmen. LEbe wohl.

Speier, im Jahre 1529

Quelle:
Philipp Melanchthon's Werke, in einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl. Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe Erster Theil Leipzig: F.A. Brockhaus 1829

Aus einem Brief des Balthasar Hubmaier an Oecolampad

Ich lasse die Gemeinde zusammenkommen, das Kind bringen, und erkläre Matthäi XIX., wie Christus die Kleinen zu sich rief. Dann gebe ich ihm den verlangten Namen, und die Gemeinde betet mit gebeugten Knien für das Kind, Christus wolle ihm gnädig sein. Bestehen die Eltern aus Schwäche darauf, daß es getauft werde, so thue isch es, und bin mit den Schwachen, bis sie einst besser belehrt werden.

Luther, Martin – An Oekolampad über Erasmus (Fragment)

Was Erasmus über Dinge des Geistes denkt oder vorgibt, bezeugen hinlänglich seine Schriften, die früheren, wie die letzten. Obwohl ich öfters seine Stacheln fühle, so thue ich doch, als mekre ich sie nicht, weil auch er sich anstellt, als sei er nicht unser offener Feind: ich sehe aber tiefer, als er vielleicht glaubt. Er selbst hat das gethan, zu was er berufen war: er hat die Sprachen eingeführt und von unheiligen Studien abgeleitet: vielleicht stirbt er selbst einmal mit Moses in den Feldern von Moab. Denn zu den besseren Studien (was nämlich die Frömmigkeit anlangt) führt er nicht. Und ich wünschte gar sehr, daß er die Behandlung der heiligen Schrift und seine Paraphrasen sein lasse, weil er zu dergleichen Dingen nicht taugt. Er hat genug dadurch geleistet, daß er das Uebel zeigte: aber das Gute zu zeigen und in das Land der Verheißung zu führen vermag er nicht. Doch warum so viel vom Erasmus? Darum, daß du dich nicht von ihm bestimmen lässest, ja daß es dich sogar freuen soll, wenn ihm etwas von dir mißfällt, weil er über jene Dinge ein ordentliches Urtheil fällen entweder nicht kann oder nicht will. Das fängt jetzt alle Welt schon an, von ihm zu glauben.

Melanchthon, Philipp – Bericht über die Leipziger Disputation an Oecolampadius.

Philipp Melanchthon wünscht seinem Freund Oecolampadius alles Heil in Christo.

Ich halte, es sei nicht Viel daran gelegen, und Ihr verlangt es auch nicht besonders, daß ich mit viel Worten ausdrücke, wie ich gegen Euch gesinnt sei. Denn der gute Geist einer herzlichen Liebe hat unsre Gemüther so glücklich mit einander verbunden, daß ich hoffe, unsre Freundschaft könne bei der so mannichfaltigen Veränderung aller menschlichen Dinge auf keinen Fall gekränket werden; noch auch durch die gemeinen und schleichenden Schmeichler, ich meine diese Art Briefe, dadurch man gemeiniglich die Freundschaft zu unterhalten pflegt, tiefer wurzeln. Zu beidem ist der Geist geneigt, daß die Freundschaft unerhört groß gemacht wird; allein, entweder durch verstellte oder unnütze Schmeicheleien. Und o daß ich nur dem für seine Wohlthat erkenntlich sein könnte, der mir einen, will nicht bloß sagen, aufrichtigen, sondern christlich treuen Freund zugeführet hat. Denn es ist wohl kein Mensch, der mir von Jugend an mehr Gutes gethan als Ihr, dessen Gütigkeit gar freigebig gegen mich jederzeit gewesen, und mir ganz besondre Wohlthaten zugeworfen. Meine Umstände aber gestatten nicht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Und da Ihr in diesem Stück etwas voraus habt, so bitte ich, laßt mich auch in der Art und Weise etwas voraus haben. Aristoteles verlangt von dem, dem er eine Wohlthat erwiesen, einen solchen Grad der Liebe, wie ihn die Wohlthat verdient, oder wenigstens um der Wohlthat willen geliebt zu werden. Ist zwar spitzsündig, aber nicht gar wohl gesprochen. Denn nicht hat unsre Liebe Eure Wohlthat, sondern den Geist Christi als den Urheber unserer Freundschaft, zum Zweck. Was Ihr mir, als Eurem Freund, für Liebesdienste erwiesen, waret Ihr nach dem allgemeinen Gesetz der Liebe zu thun schuldig. Und wir sind deßwegen hinwiederum verbunden, Euch auf ereigneten Fall mit unsern Diensten nicht zu entstehen.

Was aber nun die Sache selbst betrifft, so wollte ich, da wir sonst in der Gelehrsamkeit fast Alles gemein haben, nicht ermangeln, Euch dessen theilhaft zu machen, was mit weit größern, Verlangen als Nutzen zu Leipzig über einige, dem Schein nach zweideutige Lehren der Theologen gehandelt worden. Denn ich bin der Meinung, daß Euch nicht wenig daran liege, der Ihr auch für die Ehre der Theologen in dem Schwäbischen Schauplatz, nämlich zu Augsburg, einen geistlichen Panegyristen vorstellt, und alle Sorgfalt anwendet, daß die theologischen Lehren lauterlich und einfältig mögen vorgetragen werden. Anfänglich ist diese Disputationshandlung um keiner andern Ursache willen angefangen worden, als daß man deutlich erkennen möge, was vor ein großer Unterschied unter der alten und Christi Theologie, und unter der neueren und Aristotelischen (scholastischen) seie. Was man aber heraus gebracht, oder auf welche Seite sich der Streit gelenket, fällt mir so leicht nicht, zu urtheilen. Desto sorgfältiger will ich Alles durchgehen, was zur Sache dienet, damit Ihr eine genauere Gewißheit davon überkommen möget. Es ist Euch zweifelsohne Manches vor Ohren gekommen; daher werde ich Alles glaubwürdig erzählen und die Punkte der Disputation leicht aus einander setzen, damit Ihr sehet, worüber von beiden Theilen gestritten worden.

Und daß ich von vorn die Sache anfange, so hat voriges Jahr Eck über die Sätze vom Ablaß, so Lutherus zum Disputiren angeschlagen, Anmerkungen gemacht; welche Schrift viel zu beißend ist, als daß ich aus derselben Etwas beibringen mag. Aus diesen Anmerkungen hat Carlstad Etliche in seinen Schlüssen, die er heraus gegeben, widerlegt. Gegen den Carlstad verantwortete sich darauf Eck, in einer Schutzschrift, darinnen er etwas gelinder schrieb, als zuvor in den Anmerkungen geschehen. Wider diese Schutzschrift gab Carlstad ein Büchlein heraus. Sie schmähten lange auf einander, und machten weite Ausschweifungen. Endlich wurde beliebet, daß ich das Andre mit Stillschweigen übergehe, eine Disputation zu halten. Der Tag wurde dazu angesetzet. Aus Ingolstadt kam Johann Eck, aus Wittenberg Andreas Carlstad und Martin Luther nach Leipzig. Die Hauptpunkte wurden in einige wenige Schlüsse gebracht, damit desto deutlicher in die Augen fallen möchte, wovon eigentlich der Streit wäre. Ich glaube, es sei Euch bekannt genug, worüber man sich wegen der Disputation verglichen, nämlich daß der Handel von dazu bestellten Ursachen schriftlich aufgefangen, und diese Schrift im Druck ausgehen sollte, damit ein Jeder davon urtheilen könnte. Erstlich wendete Eck bei denen, die der durchlauchtigste Fürst Georg, Herzog zu Sachsen, der große Beförderer der schonen Wissenschaften, zu Aufsehern der Disputation verordnet, wider sein Versprechen, ein: wie ihm dünke, es schicke sich nicht wohl für die Disputanten, daß man seine Sachen vom Papier ablese und dictire: die brennende Hitze derjenigen, die mit einander streiten, würde durch den langsamen Vorrang ganz kalt: durch einen heftigen Angriff würden die Gemüther angefeuert; durch s Zaudern hingegen ließe man vielmehr den Muth sinken. Ob dieses von der theologischen Einfalt herrühren könne, weiß ich nicht, da doch nach derselben Nichts besser ist, als daß man Nichts mit einer Heftigkeit, oder aus Unbedachtsamkeit, oder in der Hitze rede. Und wie ich dafür halte, es sei in der Gelehrsamkeit, und sonderlich im Werk der Gottseligkeit nichts Besseres und Heilsameres, als der vertrauliche und liebreiche Streit gelehrter und rechtschaffener Männer, da eine Meinung gegen die andre mit einem stillen und friedliebenden, aber durchaus nicht störrigen und hartnäckigen Gemüth gehalten wird, und man auch über den erlangten Sieg gar nicht frohlockt: also glaube ich, es sei gegentheils Nichts so schädlich, als die pöbelhaften Zänkereien, da auch rechtschaffene Leute die Sorge für den Sieg anfechten muß. Ihr wißt, wie viel Nazianzenus, wie viel unser Erasmus gar weislich dawider geschrieben. Nun aber ist man mit den Notarien eins worden. Denn anders konnte sich Carlstad nicht bereden lassen. So bald sich der Streit anhub, da wollte Eck gewisse Richter verordnen: Carlstad war nicht entgegen. Demnach disputirten den 21. Junii Johann Eck und Carlstad mit einander.

Vom freien Willen wurde gefragt: Ob es in unserm eignen Willen und Vermögen stehe, ein gut Werk zu thun? das ist, wie sie es erklären, ob wir gebührlich (congruo) die Gnade verdienen, wenn wir thun, so viel in unserer Kraft stehet? denn ich führe ihre eigenen Worte an. Da man davon hätte handeln sollen, so sehet, wo sie ihr Zank hingerissen, an was für gefährliche Klippen sie sich verstoßen. Man hat untersuchen sollen, was unser Wille an und für sich, ohne die Gnade vermöge. Sic drehen die Frage und halten sich vier ganzer Tage darüber auf: Ob der Wille nur ein gutes Werk annehme, und dieses gute Werk allein die Gnade zu Stande bringe? In diese unnöthige Verbindungen haben sie die Sache eingeleitet, die doch von dem Vorhaben CarIstad’s weit entfernt waren. Eck gab zu, unser Wille hätte kein natürliches, sondern nur angenommenes, und ihm von der Gnade mitgetheiltes Vermögen, ein gutes Werk hervor zu bringen, welches er anfänglich streitig zu machen schien. Nachdem er hierauf von Carlstad gefragt wurde, ob er das einräume, daß das ganze gute Werk von Gott herkäme, antwortete er, es sei zwar das ganze Werk Gottes, aber nicht gänzlich (totaliter). Sehet aber, wie schön sich dergleichen listiger Fund für die theolog. Hoheit schicke! So stehts ja wohl nun einem Jeden frei, die Worte also zu verdrehen. Anfangs gestehet Eck, der Wille würde von Gott in Bewegung gebracht; hernach sagt er, daß wir drein willigen, stände in unsrer Gewalt. Dieser Meinung setzte Carlstad etliche Stellen Augustini und den Spruch Pauli: „Gott ist’s, der in uns wirket, beide das Wollen und Vollbringen,“ stark entgegen. Und, wo ich nicht irre, ist Carlstad’s Lehre ungekränkt geblieben. Eck hat für seinen Lehrsatz ein und anders, das zur Sache nicht gehörte, aus Bernharde beigebracht. Das ist’s, worüber Eck mit Carlstaden disputirte. Ich glaube, wir haben eine ganze Woche damit zugebracht, davon ich die Hauptpunkte nützlich angemerkt. An diesen Männern habe ich zuerst gelernt, was das heiße, so, die Alten Sophistereitreiben genennet. Es ist besonders, wie ungestüm, wie ernstlich dieß Alles ist gehandelt worden; desto weniger aber darf man sich verwundern, daß es von schlechtem Nutzen gewesen. Denn der Geist liebt zu seiner Zeit die Stille, dadurch er unsre Herzen einnimmt und sich einfindet bei denen, die nicht ehrgeizig, sondern nur begierig sind, die Wahrheit zu erkennen und einzusehen. Die liebe Braut Christi steht nicht auf den Gassen und Straßen, sondern sie führet den Bräutigam in ihrer Mutter Haus. Ja es sollen uns die Strahlen der himmlischen Weisheit nicht erleuchten, wir seien denn zuvor, mit Paulo zu reden, „durch’s Kreuz geläutert, und den vergänglichen Dingen der Welt abgestorben.“

Nachher trat auch Dr. Martin Luther auf den Kampfplatz. Denn bisher wußte man nicht gewiß, ob er disputiren würde, weil er nach dem Recht seiner Appellation nicht füglich konnte Richter in seiner verdrießlichen und gehässigen Sache setzen. Jedoch da man darüber mit ihm eins geworden, fing man an, vom Ansehn des römischen Papstes zu handeln, und zu disputiren: Ob das Ansehn eines allgemeinen Bischofs aus dem göttlichen Recht könne bewiesen werden? Daß ein allgemeiner Bischof seie, gestehet Luther frei. Nur dawider streitet er: ob seine Gewalt nach dem göttlichen Recht zu erweisen sei. Ueber diesen Punkt, weil er etwas wichtig ist, gingen, wo ich nicht irre, fünf Tage hin. Eck disputirte da scharf und grob, und war Alles bei ihm darauf angefangen, daß er nur Lutherum bei dem gemeinen Volke verhaßt machen möchte. Sein erstes Argument war: Die Kirche könne nicht ohne Haupt sein, weil sie einen bürgerlichen Körper vorstelle; drum sei der Papst nach dem göttlichen Recht das Haupt der Kirchen. Darauf antwortete Lutherus: er erkenne Christum für das Haupt der Kirche, weil die Kirche ein geistlich Reich seie, und wolle von keinem andern Haupte wissen, wie Kol, 1 stehet. Eck that aus dem Hieronymo und Cypriano einige Stellen hinzu, welche, wie viel sie für das göttliche Recht beweisen, er selbst zusehen möge. Nun wurden auch einige Stellen eben dieser Scribenten offenbarlich in Zweifel gezogen, die er als unwidersprechlich vorbrachte. Er rühmte das Ansehen Bernhardt sck Lugeniuiu, ohnerachtet in eben demselben Buch an Eugenium Dinge stehen, die Lutheri Meinung nicht wenig bestärken. Uebrigens, wer ist wohl so dumm, der nicht erkennen sollte, was man Bernhardo in dieser Materie zu danken habe? Aus dem Evangelio führte er die Stelle, Matth. 16: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine.“ Lutherus behauptete, es wäre das ein Glaubensbekenntniß: Petrus stellte da die Person der ganzen Kirche, vor, und Christus nennte ihn den Felsen; welches er durch viele Muthmaßungen aus dem Zusammenhang der ganzen Rede erwiesen.? Auch kamen die Worte auf die Bahn: Weide meine Schafe, welche eigentlich und persönlich zu Petro ausgesprochen wären. Lutherus antwortete: Es wäre ja aber daraus eine gleiche Gewalt allen Aposteln ertheilet worden in den Worten: „Nehmet hin den heiligen Geist, welchen ihr die Sünde erlasset“ u. s. w.; denn diese Worte gingen auf das ihnen aufgetragene Amt. Christus habe damit lehren wollen, was weiden seie, und wie ein Hirt müsse beschaffen sein. Hiernächst berief sich Eck auf das Ansehen des Costnitzischen Concilii, allwo man wider die Lehre der Hussiten behauptete, es sei zur Seligkeit nöthig, daß man annehme, daß der römische Papst ein allgemeiner Bischof seie. Da hörte man auch viel Rühmens, das Concilium könnte nicht irren, worauf Lutherus gar weislich antwortete, man hätte nicht alle Artikel als ketzerisch verdammt. Und was des Dinges noch mehr war; welches Alles zu erzählen, nur verdrießlich wäre. Es gehört auch die Untersuchung von dem Ansehn der Versammlungen hierher nicht. Das ist offenbar, daß kein Concil neue Glaubensartikel aufbringen kann. Auf Lutherum war man deßhalben nicht wohl zu sprechen, weil es das Ansehn hatte, als widersetze er sich den Conciliis: da hingegen Jener nichts so eifrig that, als daß nur die Concilia ihr Ansehn behalten möchten. Da warf man Ketzereien, die böhmischen Unruhen und andre Beschuldigungen vor. Eck gab zwar zu, alle Apostel hätten ein gleiches Ansehen und Gewalt; jedoch schicke sich’s nicht, daß sie alle gleiche Bischöfe seien, maßen ein Unterschied zu machen seie unter der Gesandtschaft und deren Verwaltung. Denn die Gesandtschaft seie anders nichts als eine Absenkung zum Gehorsam des Glaubens, wie Paulus an die Römer spricht. Ich sehe aber den Unterschied unter der Gesandtschaft und der Verwaltung nicht ein. Ecken schien es was Unerträgliches zu sein, von den päpstlichen Decretis, oder von den Morten eines heiligen Kirchenlehrers im Geringsten abzugehen; allein Lutherus gründete seine Lehre vom Papst auf die Stelle Gal. 2, die sich, meiner Einsicht nach, trefflich hierher schickte. Von denen (spricht er), die das Ansehn hatten, welcherlei sie weiland gewesen sind, da liegt mir nichts an. Denn Gott achtet das Ansehn der Menschen nicht. Mich aber haben die, so das Ansehn hatten, nichts Andres gelehrt. Inzwischen hält Eck dafür, Christus hätte die Apostel gewählet; Petrus aber die ordentlichen Bischöfe. Daraus möget ihr von dem Andern selbst urtheilen. Auf die Constitution, die in den Decretis vorkommt, daß der römische Papst nicht sollte der allgemeine Bischof heißen, antwortet er: man dürfte ihn zwar nicht den allgemeinen Bischof, wohl aber den allgemeinen Bischof der Kirche nennen.

Darauf fing man an, vom Fegfeuer zu reden, bei welcher Frage sie den Zweck, wie ich halte, gar aus den Augen gesetzt. Denn da man hätte disputiren sollen, was der Papst in Absicht auf das Fegfeuer für eine Gewalt habe, stimmte Eck einen andern Gesang an: daß ein Fegfeuer seie, wäre erweislich. Welches viel zu bekannt ist, als daß noth gewesen wäre, die Frage so oft aufzuwerfen. Eck bewies seine Meinung mit der gewöhnlichen Stelle in den Büchern der Maccabäer. Lutherus machte sie streitig und sagte, nach Hieronymi Ausspruch gelten die Bücher der Maccabäer Nichts. Worauf Eck erwiederte: man müßte den Maccabäern eben das Recht widerfahren lassen, welches dem Evangelio widerführe; man träfe da einem Gottesmanne anständige Aussprüche an. Und dabei blieb er steif und fest. Man that den Ort Pauli: 1. Kor. 3 hinzu: „er wird selig werden, so doch, als durchs Feuer“; über welchen, wie ihr wisset, die Ausleger unterschiedener Meinung sind. Auch hat er die Worte aus Matth. 5: „Sei willfertig deinem Widersacher bald rc.“ vom Kerker, und was hernach steht: „bis du auch den letzten Heller bezahlest“, hierher gezogen. Wie weit das hergeholt sei, und wie die Worte gedeutet worden, könnet Ihr leicht erachten. Man thut ihnen Gewalt an, wenn man dafür hält, der Kerker bedeute allda das Fegfeuer. Ich wünschte, daß man das Völklein Christi eines Bessern unterrichtete. Denn die meisten Auslegungen von der Art führen die Schrift von dem Grundtexte weit ab, daß man ihren eigentlichen Nachdruck ganz verläßt. Aus den Psalmen brachte er zum Erweis des Fegfeuers die Worte auf die Bahn: „Wir sind durch Feuer und Wasser gegangen.“ Und ich weiß nicht, was er, mehr mit gleicher Redlichkeit angezogen. Wider den Ablaß wurde so heftig nicht gestritten. Denn damit trieb Eck selbst nur seinen Scherz und Spiel. Endlich kam man auf die Lehre von der Buße.; ob aber Eck mit seinen Schlußreden den Hauptzweck der Frage getroffen habe, weiß ich nicht; er billigte einige Strafen durch die Genugthuung, die Lutherus zugab; daß aber die göttliche Gerechtigkeit auf eine jegliche Strafe für eine jedwede Sünde eine Pönitenz erfordere, welche zu erlassen in eines Menschen Gewalt stehe, konnte ich aus seinen Gründen nicht einsehen. Das sind also die vornehmsten Punkte, welche bei diesem ganzen Streit vorgefallen. Alles Andere ist viel zu lächerlich und zu kindisch, als daß ich Euch damit in Euren wichtigen Beschäftigungen hinderlich fallen sollte. ^

Die übrigen zwei Tage hat man dem Carlstad eingeräumt. Den einen wurde von dem Riegel der Gnade, wie man ihn zu nennen pflegt, gehandelt; da Eck zugab, er würde nicht von Natur, sondern von der Gnade vorgeschoben. Den andern disputirte man: Ob wir uns bei jeglichem guten Werke versündigten; wovon viele herrliche Schriftsteller, beides von Ecken und Carlstaden angebracht worden. Mich dünkt, Paulus habe Kap. 7. an die Römer der Meinung Carlstad’s das größte Gewicht gegeben. Ich wollte noch mehr schreiben, allein ich werde zu andern nothwendigen Geschäften abgerufen, wiewohl dieses vielleicht schon zu weitläufig ‚ist. Ich habe aber Euch, als meinem sehr guten Freund, Posten erzählen wollen, und selbst eingesehn, daß das Verlangen, von dieser Sache einige Nachrichten einzuziehen, weit größer als der Nutzen seie. Was Andre von dergleichen läppischen Streitigkeiten halten, weiß ich nicht; mir kommen sie gefährlich vor. Diejenigen, von denen ich gewünscht, daß sie die Gottseligkeit befördern möchten, haben auf diesem Schauplatz nur ihren Verstand, große Wissenschaften, und weitläufige Gelehrsamkeit sehen lassen.! Uebrigens haben sich Viele unter uns über Eckens herrliche Naturgaben ungemein verwundert. Carlstad wird Euch zweifelsohne aus seinen Schriften schon bekannt sein. Er ist ein redlicher Mann, von seltner Geschicklichkeit und hoch studirt. An Luthero, den ich aus vertraulichem Umgang lang kenne, muß ich seinen lebhaften Kopf, Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit bewundern, und sein aufrichtiges und durchaus christliches Gemüth herzlich lieben. Grüßet in meinem Namen die bekannten Freunde. Ihr wisset, was die Griechen zu sagen pflegen: im Krieg gibt es viel Neues. Drum dürft Ihr von dem Verlauf dieser Disputation weder dem Gerücht, noch denen, die sich der Nachrede befleißen, in allen Stücken trauen. Gehabt Euch wohl.

Wittenberg den 21. Jul. Anno 1519.