Calvin, Jean – An Nicolas des Gallars in London.

Nr. 644 (C. R. – 3273)

Vgl. 639. Des Gallars hatte auf Calvins Brief geschrieben, er wünsche, nach Genf zurückzukehren; sein Haus war Beza als Wohnung angewiesen worden.

Von des Gallars Stellung, Frau und Haus.

Als ich deinen Brief den Kollegen vorlas, wunderten sie sich nicht ohne gewissen Ärger, dass du jetzt noch Erwägungen anstellst über deine Rückkehr, als ob alles noch beim alten wäre. Denn sie haben nicht vergessen, unter welchen Bedingungen man dich der Londoner Gemeinde abgetreten hat, und auch du weißt wohl, warum man diesmal eine Ausnahme machte. Nun bist du schon zum Pfarrer gewählt; wäre es da nicht sehr leichtsinnig, dich gleich wieder zurückzuberufen? So halten also die Brüder weder für dich noch für sie eine Aufhebung der Wahl, der du zustimmtest, für erlaubt. Wenn du meintest, man werde dir hier die Stelle immer offen halten, so ist das doch keinem von uns eingefallen. Vielmehr haben die Brüder dir offen und ehrlich ihre Absicht kundgetan, wenn du in London bliebest, solle ein anderer an deine Stelle treten, und du konntest dir doch darüber nichts Falsches einbilden. Wenn es dein Wunsch ist, bei uns sein zu können, so stimmen wir darin mit dir überein, aber doch müssen wir darauf sehen, was erlaubt ist; je fruchtbringender dein Wirken ist, umso lächerlicher wäre dein Fortgehen, zumal das Presbyterium im Namen der Londoner Gemeinde unserer Obrigkeit und uns gedankt hat, was du ja ohne Zweifel weißt. Was uns Ärgernis gab, war, dass du uns scheinbar absichtlich im Ungewissen hältst, als ob für dich kein Nachfolger bestimmt werden müsste. Zu deinem Brief stimmt das Gerede deiner Frau, die sich bitter beklagt, sie erhalte für ein Quartal nur ein Viertel des Gehaltes, während andern Abwesenden der ganze Gehalt ausbezahlt werde. Als ob dir nicht trotz deiner Abwesenheit das Gleiche ausbezahlt würde wie uns; was ist denn da für eine Verschiedenheit? Hätte sie doch geschwiegen! Sie wusste ja, dass man mir von London aus aufgetragen hatte, deiner Familie nichts abgehen zu lassen. Ich habe es ihr auch mehrfach angeboten. Einmal wollte sie mich aufsuchen, als ich nicht zu Hause war. Fast noch zur gleichen Stunde erfuhr ich es und ging eilends in dein Haus; man sagte mir, sie sei anderswohin gegangen. Nachher fragte ich sie, was sie gewollt habe, da sagte sie, sie habe nun anderswo Geld gefunden. Ich will zwar gern annehmen, dieser Eigensinn habe seinen Grund nicht im Hochmut; aber da man es überall sagt, kann ich die Zungen nicht festbinden und das Urteil der Leute nicht hindern. Im letzten Brief habe ich dir auseinandergesetzt, man habe einen Nachfolger für dich gewählt, nachdem man erfahren habe, dass dich die Londoner Gemeinde mit deiner Zustimmung festhalten wolle. Nun ist auch Beza zurückgekehrt, wunderbar dem Tode entronnen. Am Tag seiner Ankunft noch vermutete ich ihn bei Euch in England. Wir fürchten, die Geschichte mit dem Haus werde wieder neues Geschwätz geben. Klug wie du bist, musst du aber doch verstehen, dass es notwendig war, so schwer es uns fiel, und doch verspreche und gelobe ich dir in unser aller Namen, sie soll keinen Grund haben, sich irgendwie schikaniert zu fühlen; denn wir werden es uns angelegen sein lassen, dass sie sich nicht unberücksichtigt glaubt. Hältst du, was ich schreibe, auch beim ersten Lesen für grob, so kann ich dich doch versichern, es ist in brüderlicher Gesinnung geschrieben. Ich vertrete stets deine Sache wie meine eigene und habe noch keine Silbe zuviel gesagt; es liegt mir aber viel daran, dir zu erkennen zu geben, dass die Brüder mir den Auftrag gegeben haben, frei und vertraulich dich zu ermahnen, als ob du vor mir stündest. Wärest du doch lieber keinen Schritt von hier fort gegangen, als dass das geschehen musste! Ich sage das aus meiner persönlichen Stimmung heraus, die vielleicht zu aufgeregt und unruhig ist. Aber der Erfolg deiner Wirksamkeit muss soviel mehr bedeuten als diese Aufregungen, dass es dich nicht reuen darf, die Reise unternommen zu haben, und wir das Unangenehme deiner Abwesenheit geduldig tragen müssen, solange es not tut. Wie bitter uns der Verlust deiner Hilfe ist, dafür sind wir uns gegenseitig die besten Zeugen; wie mancherlei Unannehmlichkeit uns dein Fortsein bringt, merken wir an der Veränderung, die es zur Folge hatte. Wirklich hat nichts das Herz der Brüder so verletzt, als das Weibergeschwätz, wir hätten uns gegen dich verschworen und dich vertrieben. Freilich, ich wollte, das wäre alles begraben, und ich hätte es dir am liebsten ganz verschwiegen, wenn es nicht doch wieder besser gewesen wäre, dir alles zur rechten Zeit zu sagen, damit nicht durch das Verschweigen das Übel im Innern um sich greife und dann später doch ausbreche. Sei aber überzeugt, sobald du den Brüdern offen kundtust, was dir gut scheint, so werden sie nicht nur dein Urteil achten, sondern auch durch die Tat zeigen, wie lieb du allen bist. Baduel ist an Tagauts Stelle gekommen, weil niemand zur Hand war, der besser gepasst hätte. Auch Constant hatte sich gemeldet, und noch ein Dritter. Beide gelehrt und ziemlich geeignet, aber doch nicht ganz. Lebwohl.

[November 1560.]

Calvin, Jean – An Nicolas des Gallars in London.

Nr. 639 (C. R. – 3257)

Pierre Alexandre, früher französischer Pfarrer in Straßburg (vgl. Nr. 457 und 458), war nun in London und gehörte zu der Oppositionspartei, von der Calvin in Nr. 630 schrieb.
Hilaire ist unbekannt; Nicolas Colladon war Pfarrer in Vandoeuvres, Jean Tagaut, Professor der Philosophie, Francois Berauld der griechischen und Antoine Chevallier der hebräischen Sprache an der Genfer Akademie, Gaspard Carmel Pfarrer in Moin. Claude Baduel ebenfalls Professor in Genf. Adrian Hamstedt, der Pfarrer der flandrischen Gemeinde in London, begünstigte die Wiedertäufer und war dadurch in Streit mit des Gallars gekommen.

Von Frau des Gallars. Krankheit und Sterben in Genf.

Wenn du etwas übel genommen hast, dass du keine Antwort bekamst auf deine doch so wichtigen Fragen, so hast du unterdessen wohl schon erfahren, dass dein Brief, nachdem wir ihn erhalten, nicht lange unbeachtet blieb. Wie spät erst der angekommen ist, habe ich dir gleich geschrieben. Soweit es erforderlich war, habe ich auch versucht, die Geschäfte, die dich beunruhigten, zu erledigen. Wenn ich auch den Brief sehr in der Eile schreiben und krankheitshalber teilweise diktieren musste, so wollte ich doch nichts unterlassen, was nötig war, dir deine Sorgen zu erleichtern. Deine Aufträge habe ich treulich erfüllt. An La Roche-Chandieu habe ich geschrieben und ihn aufgefordert, zu dir nach England zu kommen. Was die Straßburger über Pierre Alexandre geschrieben hatten, war nicht mehr vorhanden, und es ist vielleicht auch besser, dass die Sache weniger scharf behandelt worden ist. Sie hätten sich sonst beklagen können, wie hätten ein vertrauliches Schreiben durch Veröffentlichung missbraucht. Er selbst hätte ein Geschrei erheben können, es sei unedel von uns, was die Straßburger zu seiner Entschuldigung geschrieben hätten, nun gehässig zu seiner Beschuldigung zu verwenden. Die jetzige Art des Friedensschlusses ist also für den Moment wohl besser, wenigstens weil dadurch die Ruhe in der Gemeinde wiederhergestellt ist.

Wir wunderten uns, dass du über dein Bleiben oder deine Rückkehr nichts Bestimmtes schreibst, umso mehr, als der Brief deiner Gemeinde uns gar nicht mehr im Glauben gelassen hatte, es sei noch unentschieden; denn darin wurde deutlich ihr Dank ausgesprochen und du als ihr Pfarrer in Anspruch genommen. Sie bitten auch, deiner Frau einstweilen das Nötige zu geben und übernehmen die Bürgschaft dafür. Ich hieß sie ihre Forderungen stellen; es solle an nichts fehlen. Der halbe Gehalt bis Oktober ist ihr ausgezahlt worden. Über das Haus, in dem sie wohnt, hat sie sich unbedachter Weise bei dir beschwert, und du hast ihr zu leicht geglaubt. Wir müssen uns hüten, auf jedes dumme Weibergeschwätz hin gleich hitzig zu werden. Ich hatte bisher von gar nichts gehört; nun gestand sie mir, sie habe schon lange einmal mit Beza davon gesprochen, und er habe ihr offen und ehrlich gesagt, falls du in England bliebest, so sei ihr das Haus nach stillschweigendem Übereinkommen der Brüder zugedacht, damit sie näher bei der Schule wohne, aber man habe darüber noch nicht gesprochen und werde es auch nicht in Beratung ziehen, solange deine Stellung noch ungewiss sei. Ich glaube nicht, dass sie gerade erfunden hat, was sie dir schreibt; aber neugierig, wie wir eben sind, hören wir hie und da mehr, als wir wollen. Auch schon vorher hat sie gelegentlich Dinge erzählt, die ich von sonst niemand gehört hatte. Wenn irgendjemand irgendein Wort entfährt, so scheint ihr das Zeug gleich soviel wert zu sein, dass sie es übers Meer schreibt. Ich kann dich versichern, es wird über das Haus gar nicht verhandelt, ehe dein Nachfolger gewählt ist. Dies ist bis jetzt verschoben worden, doch ist der Wahltag auf morgen angesetzt. Was auch immer kommen mag, wir werden dafür sorgen, dass sie nicht auf den Winter hin auszuziehen braucht. Sie kann auch durch Vermieten einiges Geld verdienen, wenn sie nicht den Zimmerherrn gegenüber, obwohl ihr einige gar nicht bekannt sind und andere es gar nicht nötig hätten, die Freigebige spielen will. Das Haus ist noch mit einigen Prozessen behaftet; doch hofft sie, wie sie mir sagte, auf deren baldige Erledigung.

Hilaire ist gestorben; Nicolas war krank und ebenso seine Frau; er selbst ist noch nicht ganz genesen, und bei ihr scheint es eine lange Geschichte geben zu wollen. Seit deiner Abreise haben hier Epidemien schrecklich gewütet. Erst sind Tagaut und Gaspard gestorben, und schließlich ist uns zu allgemeinem Leide unser liebster Macard entrissen worden. Wie schmerzlich mir so viele Verluste waren, kannst du, der du meinen Charakter kennst, ermessen. Baduel schleppt sich noch so hin; Berauld und Chevallier sind wieder fieberfrei; auch Enoch und de Morel kommen langsam wieder zu Kräften. Mich haben Leibschmerzen und eine Lungenblutung hergenommen. Trotz solchen Mangels haben die Brüder doch die Wahl eines Nachfolgers für dich aufgeschoben, bis wir neulich aus dem Brief deiner Gemeinde erfuhren, man wolle dich festhalten. Bezas Abwesenheit ist mir, ganz abgesehen davon, dass mir dadurch eine außerordentliche Zahl von Vorlesungen aufgebürdet ist, aus manchen Gründen nicht wenig verdrießlich; es ängstigt mich recht, dass der gute Bruder nun ständig in Gefahr ist und ich doch nicht einsehe, auf welchen Erfolg man hoffen darf. Noch mehr aber quält mich die Sorge, dass ich mich dazu nötigen ließ, das Leben eines so einzigartigen Freundes, ja überhaupt eines solchen Mannes, aufs Spiel zu setzen. Andere geheime Schmerzen will ich für mich behalten.

Lebwohl, bester Bruder. Den Kollegen musst du verzeihen, wenn sie nicht schreiben. Ich habe diese Aufgabe übernommen, und so meinen sie, es gelte auch für sie; indessen lassen dich alle herzlich grüßen. Der Herr behüte und stärke dich stets; denn ich sehe wohl, wie viel Arbeit dir dein Amt in dieser Gemeinde macht. Doch Gott, der auch zum härtesten Kampf Kraft genug geben kann, wird mit dir sein bis ans Ende. Der Pfarrer der Belgier, von dem Ihr neue Unruhen befürchtet, ist wohl halb gebrochen, seit ihm die Maske abgerissen ist. Nochmals lebwohl. Deinen Sohn Jean segne Gott.

3. Oktober 1560.

Calvin, Jean – An Nicolas des Gallars in London.

Nr. 630 (C. R. – 3216)

Des Gallars war als Pfarrer an die französische Gemeinde in London gesandt worden; seine Frau und sein Söhnlein Amos hatte er in Genf zurückgelassen. Die Superintendentur über die Londoner Refugiantengemeinden, die zu Eduards VI. Zeit von Laski innegehabt hatte, war von Elisabeth dem Bischof von London, Edmund Grindall, übertragen worden.

Warnung vor Auflehnung gegen den Bischof von London.

Wir haben vernommen, einige aus Eurer Gemeinde arbeiten daraufhin, das Amt eines Superintendenten, das von der Königin und ihrem Rat unserm verehrten Bruder, dem Bischof von London, gegeben worden ist, möchte einem andern übertragen werden. Ist dem so, so wirst du dafür sorgen müssen, diese unzeitgemäßen Bestrebungen im Zaum zu halten, die keinen andern Grund haben als persönlichen Ehrgeiz. Denn wenn man einwendet, es sei nicht sicher, wie der zukünftige Nachfolger dieses Bischofs sein werde, so hat das unsres Erachtens nicht viel zu bedeuten; denn die Aufsicht über Eure Gemeinden ist nicht dem Londoner Bischof als solchem, sei er, wie er wolle, übertragen, sondern dem jetzigen persönlich als dem bewährten, treuen und aufrichtigen Beschützer Eurer Freiheit. Selbst wenn eine andere, gleich passende Persönlichkeit zur Hand wäre, so wäre es unsres Erachtens doch besser, nichts zu ändern; denn es böte keinen Nutzen, wenn Euch ein Mann entfremdet würde, der Euch mit größter Liebe behandelt, die Ruhe Eurer Gemeinde beschützen will, dessen Eifer und Tüchtigkeit, wenn es dies gilt, Ihr erfahren habt, dessen großer Einfluss schließlich Euch mehr als notwendig ist. Da aber wahrscheinlich die Sache schon von vielen erörtert worden ist, so ist wohl auch schon das Gerücht davon zu ihm gedrungen; fühlt er sich nun verletzt, so übernimm du das Amt eines Fürbitters und ersuche ihn, den törichten Leuten zu verzeihen, die ihr unbedachter Eifer zu Fall gebracht hat. Er lässt sich sicher versöhnen und hört nicht auf, Eurer Gemeinde wie bisher seine Gunst zu erweisen. Sind aber einige in der Gemeinde verstockt, so erkläre ihnen zu rechter Zeit, man habe dich nicht geschickt, damit du dich durch ihre Unruhe stiftenden Pläne verleiten und hinreißen lassest, das Wohl der ganzen Gemeinde außer acht zu lassen.

Dein Amos ist neulich vier Tage lang so von den furchtbarsten Kolikanfällen gequält worden, dass man kaum mehr hoffen durfte, er bliebe am Leben. Er ist noch nicht genesen, doch haben sich die Schmerzen gelegt und er ist außer Gefahr. Deine Frau kommt allmählich wieder zu Kräften; sie geht wieder aus und hofft, bald wieder ganz rüstig zu sein. Lebwohl, bester Bruder und treuer Knecht Christi, Gott sei stets mit dir und leite dich mit dem Geiste des Rates und der Kraft; er erhalte dich gesund.

Grüße alle Freunde.
[16. Juni 1560].

Calvin, Jean – An Nicolas des Gallars in Paris.

Nr. 539 (C. R. – 2714)

Des Gallars, bisher Calvins Sekretär und Pfarrer in Jussy und Genf, war als Pfarrer nach Paris gesandt worden; schon auf der Reise wurde er verhaftet, aber wieder entlassen, hingegen sein Begleiter Nicolas Rousseau, in dessen Gepäck sich evangelische Schriften fanden, zurückgehalten und später in Dijon verbrannt. Des Gallars hatte nun aus Paris geschrieben, dass er unter den gegenwärtigen Verhältnissen dort nichts tun könne und gefragt, ob er wieder nach Genf kommen solle. Jean Bude war Sieur de Verace; der „Hahnenkamm“ ist die Krone Frankreichs; Bärenstadt (Arctopolis) ist Bern.

Des Gallars soll ausharren auf seinem Posten.

Deinen ersten Brief habe ich nicht beantwortet, weil ich angstvoll auf Nachricht wartete, was für ein Ende es mit dir und deinem Begleiter genommen, und auch weil ich dir gern über unsere Verhältnisse berichten wollte, über die dich damals selbst noch ganz im Unklaren war. Ich war gerade daran, dir zu schreiben, als die traurige Kunde aus Paris kam; zwei Tage nachher schriebst du ja dann den Brief, den ich heute erhielt. Wenn mich auch die erste Nachricht vor Schrecken und Trauer fast danieder warf, so blieb ich doch nicht müßig, sondern sann auf Hilfe. Am Dienstag, dem 14. dieses Monats, wurden wir auch von den Freunden aus der Nachbarschaft daran gemahnt. Schon Tags vorher war unser lieber de Verace auf Bitten einiger frommer Männer abgereist, um für eine neue Gesandtschaft zu wirken; denn weil viele glauben, der, der den Hahnenkamm so hoch trug, sei durch die neuliche Niederlage etwas zahm geworden, so glaubte man, es wieder wagen zu dürfen. Ich habe de Verace mit den besten Aufträgen ausgerüstet und auch Beza dringend ersucht, sich ihm anzuschließen, was er hoffentlich tun wird: denn günstiger weise war er wenige Tage zuvor in die Bärenstadt gereist. Sobald ich von dem Angriff der Feinde Einzelheiten erfuhr, ließ ich einen Eilboten reiten, um de Verace einzuholen, der in dieser Nacht in Payerne sein sollte. Sie sollen alle Welt wachrütteln, so dass man sich energisch dieser Sache annimmt. In aller Traurigkeit tröstet mich wenigstens das Bewusstsein, meine Pflicht getan zu haben. Um deine Frau zu schonen, solange man nichts Gewisses wusste, wollte ich dafür sorgen, das Gerücht geheim zu halten; aber siehe, sie kam selbst zu mir und zwar so ruhig und fest, dass sie mir besser gefiel als je. Das kann dir kein schlechter Trost sein, dass sie bei aller geziemenden Sorge um dich doch das gemeine Wohl der Kirche und die Ehre Christi höher achtete als dein Leben.

Was nun den Rat angeht, den du forderst, so vernimm die Meinung unseres ganzen Pfarrkollegiums. Wenn du gleich bei den ersten Wirren deinen Posten verließest, so fürchten wir mit Recht, deine Abreise könnte alle Herzen entmutigen, ja vor Schreck fast umbringen. Du weißt, wie viel eher ein Heer standhaft bleibt, wenn es auf einen Führer schauen kann; entziehst du dich ihnen, so stiege gleich der Verdacht auf, du flöhest, weil nichts mehr zu hoffen sei. Bis also die tobenden Stürme sich einigermaßen gelegt haben, ist es wünschenswert, dass du in der Nähe bleibst, damit sie tatsächlich erfahren, du seiest gekommen, auch die Gefahr mit ihnen zu teilen. Durch diesen Beweis werden nicht nur sie selbst, sondern auch die, die später dazukommen, für die Zukunft ermutigt. Wie lieb uns dein Leben ist, brauchen wir dir nicht zu sagen; aber gölte uns das Heil so vieler Seelen nicht noch mehr, so könnten wir dir selbst nicht lieb sein. Sicher ists jetzt die wichtigste Aufgabe, zu verhindern, dass die Überbleibsel der Gemeinde auseinander fließen, ja sich ganz verlieren; denn nichts wäre schwieriger, als sie nachher wieder aus der Zerstreuung zu sammeln. Wenn du siehst, dass deine Gegenwart nötig ist, sie beisammen zu halten, so bitten wir dich gar sehr, noch eine Weile auszuhalten, bis entweder die Wut der Feinde sich legt und die verhältnismäßige Ruhe dir dann erlaubt, dein Amt ordentlich auszuüben, oder bis dich noch größere Not wegtreibt. Sind dir aber durch die Furcht der andern die Hände gebunden und siehst du, dass dir jeder Weg versperrt ist, so wollen wir andrerseits auch nicht, dass du dort müßig dasitzest. Denn es ist sehr wichtig, dass, solange du dort bist, sich an deiner Freudigkeit der Mut der ganzen Gemeinde wieder entzündet, so dass sie dir folgen, wenn du vorangehst. Zweifellos weißt du auch, dass manche in dem, was du sagst, nur auf Ausreden für ihre eigene Ängstlichkeit lauern; deshalb musst du umso mehr darauf achten, inwiefern deine Gegenwart von Nutzen ist. Du kannst lesen, was wir an die Gemeinde schreiben; Ihr, die Ihr die Verhältnisse genau kennt, könnt natürlich sicherer entscheiden, was zu tun ist, und vielleicht hat, ehe dieser Brief ankommt, entweder Eure Angst abgenommen, oder bist du vielleicht schon entlassen oder hast du dich bereits entschlossen zu bleiben. Deshalb schien es mir das Beste, dich persönlich zum Standhalten zu ermahnen, bis sich ein besserer Ausweg zeigt, damit sich die Brüder nicht von dir preisgegeben glauben, und dir zu raten, nichts zu tun ohne Zustimmung Eures Gemeindevorstands, damit du nicht ein böses, schädliches Beispiel gäbest, wenn du weggingest, ohne auf ihre Ansicht zu achten. Der Herr leite bei dieser Erwägung dich und sie mit dem Geiste der Klugheit, des Rates und der Geradheit; er sei indessen mit dir und decke dich mit seinen Flügeln; er stärke dich und halte dich aufrecht und mit dir die ganze Gemeinde.

16. September.