Calvin, Jean – An Frau de Cany in Varannes bei Noyon.

Vgl. 368. Frau de Cany hatte Calvin ihren Entschluss, Frankreich zu verlassen, mitgeteilt.

Mahnung zu größerer Energie.

Madame, ich hoffe, dass Gott Sie deshalb recht an Ihrem Gewissen gepackt hat, damit Sie der Gefangenschaft entkommen, in der Sie nun schon zu lange schmachten; nicht dass ich dächte, Sie hätten bisher nicht den besten Willen gehabt, aber Sie gingen zu zaghaft vor, dass Sie nicht recht vorwärts kamen. Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn Gott Sie ein paar Stiche seines Sporns hat fühlen lassen. Denn wenn Lot, der doch auch den guten Willen hatte, aus dem Abgrund Sodoms fort zu kommen, es doch nötig hatte, dass ihn der Engel am Arm packte und fast mit Gewalt von hinnen zog [1. Mose 19, 16], um wie viel mehr ists nötig, dass der liebe Gott unserer Trägheit und Kälte zu Hilfe kommt. Da Sie nun so weit sind, entweichen zu können, so achten Sie ja darauf, diese Gelegenheit zu benützen. Ich sage das, weil es mir scheint, Sie hätten vor, noch einige Umwege einzuschlagen, was ich nicht gut finde. Denn Sie haben bisher schon zu lange gezögert, und es besteht Gefahr, dass Gott Ihre Rechnung umstößt. Wenn Sie warten wollen, bis alle Geschäfte geregelt sind, so kommen Sie zu keinem Ende. Gott will auch, dass wir aus Liebe zu ihm nicht nur einen Teil von uns, sondern unser eigenes Leben lassen. Deshalb schlagen Sie es hoch an, dass er Ihnen das erspart, ja noch mehr, Ihnen genug gibt, um sich Ihr ganzes Leben davon nähren zu können, und seien Sie damit zufrieden. Soviel ist gewiss, wenn Sie nicht die Augen schließen vor dem, was Sie zurücklassen, und nicht das Bedauern lassen für das, was Sie in Schlingen hält, so werden Sie nie bereit sein, Jesum Christum zu suchen. Ein weiterer Punkt ist, dass Gott will, wir sollen lernen, uns seiner Vorsehung anzuvertrauen. Wenn Sie also sehen, dass es nicht möglich ist, jetzt alles in Ordnung zu bringen, so überlassen Sie seiner Hand, was Sie noch weiter aufhalten könnte. Ich gebe Ihnen diesen Rat nicht etwa, weil es mir ein Vergnügen wäre, Sie ärmer zu machen, und es treibt mich dazu auch nicht eine allzu große Eilfertigkeit. Deshalb bitte ich Sie im Namen Gottes, alle die Geschäfte, die Sie noch aufhalten, einfach abzubrechen. Übrigens bin ich sicher, wenn Sie sich entschließen und Mut fassen, so sind Sie in einem Monat mit dem fertig, wozu Sie jetzt ein halbes Jahr zu brauchen meinen. Aber dazu muss man sich eben einmal recht ins Geschirr legen.

Da wir nun aber denken, möglicherweise seien Sie doch noch zu sehr gehindert so wollen wir nicht verfehlen, Ihnen Hilfe zu verschaffen, sogar ehe Sie darum bitten. Wir haben deshalb den Träger dieses Briefes ersucht, die Reise zu unternehmen, in der Meinung, er könne Sie aus großen Verdrießlichkeiten befreien, und Gott hat ihn uns nach unserm Wunsch zur Verfügung gestellt. Seine Rechtschaffenheit ist uns durchaus bekannt, und ich setze so wenig Zweifel darein, dass, wenn ich ein großes Vermögen hätte, ich es ihm unbedenklich anvertraute. Außerdem ist er ein wohl erfahrener Mann und wird Ihre Angelegenheiten so gut oder besser ordnen können, als das durch schriftliche Ratschläge möglich gewesen wäre. Zum dritten ist er bekannt, vor allem bei allen guten Leuten. So bitte ich Sie, diese Gelegenheit nicht vorbeigehen zu lassen, die Gott Ihnen bietet; denn daran zweifeln wir gar nicht, dass das von ihm kommt.

Zum Schluss, Madame, empfehle ich mich höflichst Ihrem Wohlwollen, und bitte unsern lieben Gott, Sie zunehmen zu lassen an Weisheit und Kraft, Sie in allem zu leiten nach seinem Willen und Sie in seiner Hut zu halten.

Den 24. Juli 1554.
Ihr Diener und ergebener Bruder
Charles d´ Espeville.

Calvin, Jean – An Frau de Cany in Varannes bei Noyon.

Peronne de Pisseleu, verheiratet mit Michel de Barbancon, Sieur de Cany (vgl. 352) wurde um ihres evangelischen Glaubens willen von ihrem fanatisch-katholischen Gatten gefangen gehalten.

Trost und Mahnung für eine bedrängte Evangelische.

Madame, wiewohl ich nicht so alles Mitleids bar bin, dass sich mein Herz nicht zusammenkrampfte im Blick auf die Gefangenschaft, in der Sie enger als je gehalten werden, so will ich es doch nicht lassen, Sie zu ermahnen, fest zu werden in starker Beharrlichkeit, im selben Maß, wie Sie die Versuchung betrübend und schwer zu ertragen finden. Denn so müssen wir die Gnade Gottes wirken lassen, wenn wir bis aufs äußerste vom Satan und den Feinden des Glaubens bedrängt werden. St. Paulus rühmt sich, wie oft er in Banden und Ketten gefangen lag [2. Kor. 11, 23], und doch, die Lehre, die er predigte, liegt nicht in Banden, sondern nimmt ihren Lauf und schreitet mächtig vorwärts. Tatsächlich, da sie die Wahrheit Gottes ist, die die Welt überragt und über den Himmel hinaus reicht, so ist es gar nicht denkbar, dass sie unterdrückt werden könnte nach menschlichen Gelüsten, noch durch irgendwelche Tyrannen. Deshalb, wie der Teufel Ränke spinnt, uns einzuengen durch allerlei Nöte, so wollen wir uns mühen, unsere Herzen recht weit zu machen durch den Glauben, um seinen Angriffen widerstehen zu können. Unser Herr hat Ihnen in Ihrer Gegend kürzlich Beispiele dafür gegeben und gibt sie uns allen täglich an verschiedenen Orten, die uns tief beschämen müssten, wenn wir uns nicht dadurch stärken ließen. Denn wenn wir fielen unter Rutenschlägen, da andere sich nicht im Mindesten vor dem Tode fürchten, welche Entschuldigung hätten wir für unsere Feigheit? Sie haben möglicherweise nicht erwartet, so harte Kämpfe in Ihrem eigenen Hause bestehen zu müssen. Aber Sie wissen ja, worauf uns der Sohn Gottes hingewiesen hat, damit nichts uns in Verwirrung bringe, da wir schon lange darauf vorbereitet sind [Luk. 21, 16, 17]. Denken Sie eher daran, dass das noch nicht das Ende ist, sondern dass Gott Sie ganz sanft versucht und Ihre Schwachheit noch erträgt, bis Sie stärker geworden sind im Aushalten der Züchtigungen. Doch sei dem, wie ihm wolle, so lassen Sie sich nicht zu Fall bringen, weder durch Leichtsinn noch durch Verzweiflung. Manche sind schon besiegt worden, weil sie ihren Eifer erkalten und abflauen ließen, indem sie sich selbst schmeichelten. Andere im Gegenteil sind so erschrocken, wenn sie in sich die Kraft nicht finden, die sie haben möchten, dass sie darüber in Verwirrung geraten und dann alles aufgeben. Was ist denn zu tun? Werden sie wach und betrachten Sie erstens die Verheißungen Gottes, die uns wie eine Himmelsleiter sein sollen, von der aus wir dies vergängliche, hinfällige Leben verachten lernen, und zweitens die Drohungen, die uns dazu bringen müssen, sein Urteil zu fürchten. Und wenn Sie Ihr Herz nicht so bewegt fühlen, wie es sein sollte, so nehmen Sie Ihre Zuflucht, wie zu einem einzigartigen Heilmittel, zum Gebet um die Hilfe dessen, ohne den wir nichts vermögen. Indessen strengen Sie sich auch selbst an, bekämpfen Sie Ihre Kälte und Schwäche, bis Sie darin eine Besserung wahrnehmen. Dabei ist freilich viel Klugheit erforderlich, das rechte Mittel zu finden: nämlich ohne Unterlass darunter zu seufzen und sich selbst auf Ihre traurige, kummervolle Lage zu besinnen, so dass Ihr Elend Ihnen so missfällt, dass Sie keine Ruhe dabei finden, – ohne doch das Vertrauen zu verlieren, dass Gott mit der Zeit dafür sorgen, Sie zu stärken, wie es nötig ist, wenns auch nicht auf einen Schlag deutlich wird. Neu kann Ihnen das ja nicht sein, die klägliche Heimsuchung der armen Kirche Gottes zu sehen, und zugleich den Stolz der Feinde mehr und mehr wachsen zu sehen samt ihrer Grausamkeit. Wenn Ihr Geist darüber in zu große Verwirrung gerät, so muss das Sie vielmehr als etwas Neues staunen machen, da Sie dann das vergessen haben, was unserm tiefsten Herzen festgewurzelt sein soll, dass wir nämlich gleich werden sollen dem Vorbild des Sohnes Gottes, indem wir geduldig die Schmach seines Kreuzes tragen sollen, bis der Tag unseres Triumphes kommen wird. Doch darf Sie das nicht hindern, sondern soll Sie vielmehr antreiben, weiterzulaufen auf Ihrer Bahn. Denn wir müssen noch ganz anders durchgesiebt werden. Wenn ich hören werde, dass Sie, beraubt auch der wenigen Freiheit, die Sie jetzt noch haben, doch nicht ablassen, das Herz auf dem rechten Fleck zu haben und treu weiterzudienen dem, der es verdient, dass man seine Ehre allem andern vorzieht, dann werde ich erst recht Grund zur Freude haben. Einstweilen freue ich mich, wie es damit stehe, in dem guten Vertrauen, das ich darauf setze. Tun Sie mir deshalb nicht das Leid an, dass ich darin getäuscht werde. Zwar vor allem sehen Sie darauf, was Sie unserm lieben Gott und dem Herrn Jesus schulden, der, als er sich selbst nicht schonte für uns, gezeigt hat, wie lieb wir ihm seien. Achten Sie auch darauf, den Satan und seine Helfershelfer zu Schanden zu machen, die Ihren Glauben unter die Füße zu treten gedachten. Da aber solch ein Sieg größere Kraft erfordert, als die Ihre, so nehmen Sie Ihre Zuflucht zu dem guten Herrn Jesus, der uns von Gott seinem Vater zur Kraft gemacht ist, damit wir in ihm alles vermöchten. Ich will meinerseits dafür beten, er möge über Sie die Hilfe seines Geistes so ausschütten, dass Sie durch die Erfahrung lernen, was das heißt, unterstützt sein von ihm, und dass er davon die Ehre habe. Ich bitte ihn auch, Sie in seiner heiligen Hut zu halten gegen die Wut der Wölfe und die List der Füchse. Und nun, Madame, will ich schließen, indem ich mich ergebenst Ihrer Wohlgewogenheit und auch Ihrem Gebet anempfehle.

7. Juni 1553.
Ihr untertäniger Bruder und Diener
J. de Bonneville.

Calvin, Jean – An Frau Peronne de Cany in Varannes bei Noyon.

Es ist ganz unbekannt, wer der von Frau de Cany unterstützte Unwürdige war; auf Bolsec wird man nicht schließen dürfen. Offenbar handelte es sich um Unterstützung eines Libertiners oder Wiedertäufers oder auch eines Schwindlers zur Reise nach Genf. Weggelassen ist eine nicht ganz klare Bitte um Hilfe in einem Prozess Bezas um seine Besitzungen in Frankreich.

Misserfolg soll nicht vom Wohltun abschrecken.

Madame, es tut mir sehr leid, dass die so löbliche Tat, die Sie vor etwa einem halben Jahre getan haben, nicht besser angewendet war. Nämlich, dass nicht ein guter, wirklicher Knecht Gottes da war und die Unterstützung erhielt, die nun ein so schlechtes, elendes Geschöpf, wie nur eins in der Welt ist, erhielt. Da ich wenigstens teilweise wusste, welcher Mensch das ist, so hätte ich lieber gehabt, er wäre irgendwo im Straßengraben verdorben; das wäre mein Wunsch gewesen. Seine Ankunft in Genf freute mich wie ein Dolchstich ins Herz. Aber ich hätte ihn doch nie für ein so abscheuliches Ungeheuer in jeder Gottlosigkeit und Verachtung Gottes gehalten, wie er sich hier gezeigt hat. Ich versichere Sie, Madame, hätte er sich nicht so bald davongemacht und mich damit meiner Pflicht entbunden, so hätte es nicht an mir gelegen, wenn er nicht durchs Feuer gemusst hätte. Doch, wenn das Gute, das wir tun wollen, nicht ausfällt, wie es zu wünschen wäre, so genügt es, dass Gott unsern Dienst annimmt. Er gebietet uns, allen zu helfen, die in Not sind, und vor allem denen, die für seinen Namen leiden. Wenn die Menschen sich dann oft unserer Unterstützung unwürdig erweisen, so müssen wir damit zufrieden sein, dass der Meister bekennt, er wolle alles ansehen als ihm selbst erwiesen. Und selbst wenn die Menschen undankbar sind, so wolle er reiche Vergeltung üben, um die wir nicht betrogen werden können. Darin haben wir ein schönes Vorrecht vor denen, die Gott zu dienen glauben, wenn sie ihren Phantasiegebilden dienen. Denn wenn wir dem folgen, was er gebietet, so kommen wir nicht in Gefahr, unsere Mühe umsonst zu haben. So wollen wir nicht müde werden, Gutes zu tun, wie auch St. Paulus uns mahnt [Gal. 6, 9], und er meint damit, wir könnten an den Menschen manches finden, was uns gleich den Mut verlieren ließe, würfen wir unsern Blick nicht weiter. Tatsächlich will unser Herr ohne Zweifel nur unsere Beharrlichkeit prüfen, wenn er zulässt, dass solche Versuchungen an uns treten. So wäre, wer die Undankbarkeit der Menschen als Vorwand zu Unbarmherzigkeit nähme, doch nicht zu entschuldigen. Wir hier haben es recht nötig, fest zu werden gegen solches Ärgernis, denn es trifft uns alle Tage, und ich zweifle nicht daran, dass der Herr auch Sie so festgemacht hat, dass Sie es nicht lassen, sich für die Seinen zu verwenden, wenn sich Gelegenheit dazu bietet und Sie die Mittel haben, das zu tun, wozu sie verpflichtet sind. Denn wenn Gott annimmt und auf seine Rechnung setzt, was den Seinen getan wird, so vergehen wir uns an ihm und nicht an den Menschen, wenn wir in dieser Beziehung unsere Pflicht nicht tun. Nun bietet unser Herr durch uns eine Gelegenheit, Ihre Beharrlichkeit zu zeigen, wiewohl es mir genügt, Sie dazu im Allgemeinen ermahnt zu haben. – – –

[Dez. 1552].