Pirkheimer, Willibald – An Erasmus (Fragment)

Ich weiß, daß dir Luther nicht übel will, wenn er auch manchmal in seinen Schriften etwas zu bitter ist, aber auch dur hast deinen Stachel, und es fehlt nicht an Leuten, die uns von allen Seiten an einander zu hetzen suchen, die eure Briefe veröffentlichen, um euch gegenseitig zu reizen. Doch freue ich mich, daß euer Zwist brieflich einigermassen beigelegt zu sein scheint, und ich zweifle nicht: Luther wird den Frieden bewahren, wenn du nicht zuerst den Krieg beginnst. Wahrlich! euern Feinden und den Feinden der Wissenschaft und der Wahrheit könnte jetzt nichts Angenehmeres widerfahren, als wenn sie euch beide zu gegenseitigem Kampfe brächten. Aber Gott und die Freunde werden, hoffe ich, ein solches Unglück verhüten.

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Aber kann nicht Jemand sagen, Luther hätte gleich Anfangs bescheidner auftreten und die übeln Folgen, die nun auftauchen, voraussehen sollen? Es sei, daß er in der Durchführung der Sachen weniger geübt gewesen und in seinen Hoffnungen getäuscht worden sei: sollte er aber still schweigen und die Worte der Wahrheit gar nicht verkünden? Wie wenn Gott die Herzen der Menschen verhärtet und die Sehenden blind macht? Ist Einer so wahnsinnig, daß er Trug, List und Cabale derer nicht merkt, die sich für Geistliche ausgeben? Und sie selber wußten, in welchen Irrthümern sie stecken: dachten sie aber jemals daran, sie zu verbessern? Was Wunder also, wenn die Menschen schreien, da selbst die Steine nicht schweigen würden, wenn jene verstummten? Freilich hätte Manches mit größerer Mäßigkeit durchgeführt werden können. Auch Luther weiß das, aber wie hätte man denn bescheiden mit den Unverschämtesten und Hartnäckigsten der Menschen handeln können, die weder Gott fürchten, noch sich vor Menschen scheuen? Nun haben sie das, was sie so lang gesucht, diese unruhigen und anmaßenden Leute. Wahrlich so viele Mißbräuche können nicht ohne Unordnungen abgethan werden.

Luther, Martin – An Erasmus von Rotterdam.

Gnade und Friede von unserm Herrn Jesu Christo. Ich habe nun lang genug stille gesessen, mein lieber Herr Erasme, und ob ich wohl gewartet habe, bis ihr als der Größere und Aeltere zuerst dem Stillschweigen ein Ende machtet, so dränget mich doch endlich nach langem, vergeblichen Warten die Liebe, den Anfang im Schreiben zu machen. Aufs erste habe ich nichts dawider einzuwenden, daß ihr euch fremde gegen uns anstellt, damit euer Handel gegen meine Feinde die Papisten euch unbeschädigt bleibe. Auch habe ich nicht so gar übel empfunden, daß ihr hie und da entweder um Jenen zu gefallen oder ihre Wuth zu stillen, habt Büchlein ausgehen lassen, darinnen ihr auf uns mit einiger Bitterkeit beißet und stichelt. Denn weil wir sehen, daß euch vom Herrn solche Standhaftigkeit, solcher Muth und Sinn noch nicht gegeben ist, daß ihr mit uns diesen Ungeheuern willig und getrost entgegen geht, so denken wir nicht daran uns zu erkühnen, das von euch zu erlangen, was über eure Kräfte und Gaben ist. Vielmehr haben wir mit eurer Schwachheit Geduld getragen und das Maaß eurer Gaben hoch gehalten. Denn das muß die ganze Welt gestehen, daß diejenigen Wissenschaften durch euch blühen und herrschen, durch welche man die Bibel unverfälscht zu lesen hingeführt wird: daß ihr auch herrliche und vortreffliche Gaben Gottes habt, für die man billig danken muß. Darum hab ich auch nie gewünscht, daß ihr mit Verkennung und Vernachlässigung eurer Gaben euch in, unsern Handel mischen möchtet; denn obwohl ihr durch euren Verstand und Beredtsämkeit viel Gutes ausrichten könntet, so wäre es doch, da es euch an Herzhaftigkeit fehlt, besser ihr dientet Gott nur mit dem euch anvertrauten Pfunde. Das allein fürchte ich, ihr möchtet euch durch die Widersacher verleiten lassen, in euren Schriften über unsre Lehren herzufahren und daß wir dann aus dringender Noth euch in’s Angesicht widersprechen müßten. Ja wir haben schon Etliche zurückgehalten, die euch durch ihre Schriften zum Streit herausfordern wollten; darum wünschte ich auch Huttens Ausforderung wäre nicht erschienen und noch weniger euer „Schwamm“, daran ihr ohn’Zweifel nun selbst gelernt habt, wie leicht es sei von Bescheidenheit reden und am Luther die Unbescheidenheit tadeln; wie schwer hingegen, ja fast unmöglich es sei, auch danach zu thun, es sei denn durch ganz besondere Gabe des Geistes.

Wenn ich, der ich zum Zorn gar geneigt bin, öfters bin in die Hitze gebracht worden, daß ich allzubeißend schrieb, so habe ich es doch nur gegen Hartnackige und Halsstarrige gethan. Uebrigens halte ich, daß meine Gütigkeit und Sanftmut!) gegen Sünder und Gottlose, sie mögen noch so unverständig und ungerecht sein, nicht nur durch mein eigen Gewissen, sondern auch durch die Erfahrung vieler Menschen bezeugt wird. Ich habe bisher meine Feder im Zaum gehalten, ihr mögt mich noch so sehr angefeindet haben und habe auch in Briefen an gute Freunde, die ihr selbst auch gelesen habt, geschrieben, ich wollte so lange zurückhallen, bis ihr öffentlich wider mich schriebet. Denn obwohl ihr es nicht mit uns haltet und die meisten Stücke der Gottseligkeit entweder gottloser Weise verwerfet oder heuchlerisch davon nicht urtheilen wollt, so kann und will ich euch doch keiner Halsstarrigkeit beschuldigen. Was soll ich thun? Die Sache ist auf beiden Seiten gar schlimm. Wenn ich Mittler sein könnte, so wünschte ich, daß Jene aufhörten euch so hitzig anzufallen und ließen euer Alter mit Frieden im Herrn entschlafen. Das würden sie meiner Meinung nach gewißlich thun, wenn sie anders eure Schwachheit und die Wichtigkeit des Handels, der weit über euer Maaß hinaus ist, bedächten. Aber auch ihr, lieber Herr Erasme, solltet ihre Schwachheit vor Augen haben, und eure Kunst der beißenden und bittern Rede an ihnen nicht üben; und wo ihr ja nicht könnt oder wagt unsre Meinung anzunehmen, so solltet ihr sie doch unangetastet lassen und eurer Sache warten.

Das sei von mir, bester Herr Erasme, gesagt zum Zeugniß meiner Aufrichtigkeit gegen euch, als der da herzlich wünscht, daß der Herr euch einen Sinn wolle geben, der eures Namens würdig wäre, und wenn er damit verzieht, so bitte ich euch unterdessen, daß, wenn ihr anders nichts thun könnet, ihr nur einen Zuschauer unserer Tragödie abgebet, keineswegs aber mit unsern Widersachern euch vereiniget; am allerwenigsten mich in Schriften angreift, wie denn auch ich wider euch nichts herausgeben will. Von denjenigen aber, die sich beklagen, man setze ihnen Lutheri halber zu, sollt ihr nur denken, sie seien Menschen, wie ihr und ich, deren man schonen, mit ihnen Mitleiden haben, und, wie Paulus spricht, einer des andern Last tragen muß. Es ist genug gebissen, wir müssen nun zufehen, daß wir uns nicht unter einander aufzehren. Das wäre ein ebenso erbärmliches Schaufpiel, je gewisser es ist, daß kein Theil von beiden der Gottseligkeit von Herzen feind ist. Haltet mir meine kindische Einfalt zu gut und gehabt euch wohl in dem Herrn.

Anno 1524.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867

Albrecht Dürer an Erasmus von Roterdam

am Freitag nach Pfingsten 1521, aus Antwerpen.

O Gott! ist Luther todt? wer wird uns hinfür das heilige Evangelium so klar fürtragen? Ach Gott, was hätt‘ er uns noch in zehn oder zwanzig Jahren schreiben mögen! O ihr alle frommen Christenmenschen, helft mir fleißig beweinen diesen gottgeistigen Menschen und Gott bitten, daß er uns einen andern erleuchteten Mann sende. O Erasme Roterdame! wo willst du bleiben? sieh, was vermag die ungerechte Tyrannei der weltlichen Gewalt, der Macht der Finsterniß! Hör du, Ritter Christi, reut herfür neben dem Herrn Christo, beschütz die Wahrheit, erlang der Marterer Krone! Du bist ja schon ein altes Menniken.

Zwingli, Huldrich – An Erasmus von Rotterdam

1515

Mein neulicher Besuch bei Dir entsprang dem Bedürfnis, mit Deinem königlichen Geiste bekannter zu werden. Da war ich entzückt auch von Deiner Anmut im Verkehr und Deinem wahrhaft evangelischen Leben. Nun meine ich immer, wenn ich etwas von Dir lese, Dich zu hören, ja Dich in Deiner zierlichen kleinen Gestalt vor mir zu sehen. Möchte Gott Dich, der sich wie kein anderer um die Erforschung der Schrift verdient gemacht hat, lange erhalten, damit die christliche Wissenschaft, die durch Dich der Barbarei und Sophistik entrissen wurde, aus dem jetzigen zarten Anfang zur Kraft und Vollendung gelange!

Quelle:
Neukauf-Heyn Evangelisches Religionsbuch Teil IV B., Kleine Ausgabe. Lesebuch zur Kirchengeschichte für höhere Schlen von Ernst Heyn. Vierte verbesserte Auflage. Leipzig Verlag von Ernst Wunderlich. 1925