Calvin, Jean – An Johann von Laski in Speyer (496)

Nr. 496 (C. R. – 2465)

 

Laski suchte Ottheinrich von der Pfalz und Christoph von Württemberg für seine Unionsbestrebungen zu gewinnen. Am 25. Mai hatte Laski mit Brenz in Stuttgart eine absolut erfolglose Verhandlung, von der Calvin noch nichts wusste. Über die Frankfurter Angelegenheit vgl. 475, 487. Der Schluss des Briefes fehlt; das Eingeklammerte sind von Calvin selbst an den Rand des diktierten Briefes gesetzte Worte.

Über die Aussichten eines Religionsgesprächs. Warnung vor Vergerio.

Dass du, verehrter Bruder, nach Speyer gekommen bist, um wegen eines Religionsgesprächs etwas zu erreichen, wusste ich schon länger, teils von solchen, die dort durchgereist waren, teils aus Briefen. Da aber weder du, noch sonst jemand von einem Resultat etwas meldet, so entnehme ich aus diesem Schweigen, es sei noch nichts geschehen. Ich habe das eigentlich immer gefürchtet, denn man kennt die Schwäche und Langsamkeit der Fürsten, wenn es gilt, etwas für die Religion zu tun. (Auch steht fest, dass die, unter deren Einfluss sie stehen, denn sie sind ja doch vom Rate anderer abhängig, uns größtenteils wenig günstig gesinnt sind.) Bereits wirkt die höllische Verstocktheit unserer Gegenpartei so stark, dass jede freundschaftliche Auseinandersetzung mit uns als sozusagen verhasst vermieden wird.

Am meisten aber hat es mir missfallen, dass du dich darüber mit Vergerio beraten hast, denn es wundert mich, dass du die Eitelkeit dieses Menschen nicht gleich erkannt hast. (Mir ist alles verdächtig, was er unternimmt.) Geht die Sache besser, als ich jetzt glaube und stets im Herzen geahnt habe, so hast du ohne Zweifel bereits erfahren, wie wenig dir die windige Prahlerei dieses Mannes genützt hat. Ich wollte aber, ich wäre ein schlechter Prophet und dürfte bald vernehmen, dass du erreicht hast, was du wünschest. Freilich wird es mich ziemlich kühl lassen, wenn ich nichts anderes höre, als dass du mit einigen Hoffnungen abgespeist worden bist; denn ich glaube, die Fürsten, denen es nicht schwer fällt, recht freigebig zu versprechen, suchen doch nur einen anständigen Vorwand, ein Gespräch abzulehnen. Beginnen sie aber ernstlich an der Schlichtung des Kirchenhaders zu arbeiten, was mir kaum glaublich scheint, so müssen wir uns bestreben, sie merken zu lassen, dass wir zu jedem maßvollen Vorgehen bereit sind. Ich werde, falls man mich ruft, gewiss kommen. Unsere Brüder in Zürich dazu zu bringen, wird schwer halten, da sie aus ihrem vollständigen Widerwillen gegen jede Disputation kein Hehl machen. Ich wusste schon früher, dass sie so gesinnt sind; aber ich hoffte, sie ließen sich durch unser aller Übereinstimmung in einer entgegengesetzten Taktik und durch die vielen Gründe, die man ihnen mehr als einmal vorgehalten hat, zu einer Meinungsänderung bringen. Nun hat mir aber neuerdings Bullinger in einem ausführlichen Schreiben erörtert, die Sache sei auf jede Weise Schaden bringend. Er stellt nämlich folgenden Satz auf: Wenn wir nur ein klein wenig von unserer reinen, einfachen Lehre zugunsten der Gegenpartei abwichen, so wäre das das Schimpflichste, was wir tun könnten, und es würde uns sofort noch mehr Händel verursachen. Verteidigten wir dagegen freimütig und standhaft die Lehre, die wir bekennen, so werde uns ein böser Lohn zuteil, nämlich der Vorwurf, wir seien unbezähmbare Trotzköpfe. Eins oder das andere müsse eintreten, meint er. Wenn ich nun auch gern zugebe, dass ein unklare, zweideutige oder doppelsinnige Versöhnungsformel das Schlimmste wäre, so gebe ich doch die Hoffnung nicht auf, es lasse sich eine ehrliche offene Vermittlung finden, der alle Guten herzlich zustimmen könnten und die die halsstarrigen Leute, deren Lärm und Geschrei die Welt verwirrt, zum Schweigen brächte. Obwohl also die Zürcher einem Gespräch ganz fremd gegenüber stehen, so wollte ich, falls uns eines angetragen wird, doch versuchen, sie dazu zu bringen und bin geneigt zu glauben, dass sie sicher nicht so unfreundlich sein werden, es abzuschlagen. Indessen musst du, hochberühmter Mann, dich recht in acht nehmen, damit sie nicht meinen, du verfallest in allzu eifriges Entgegenkommen und unternehmest damit etwas, was auf unsre Sache ein ungünstiges Vorurteil wirft und sie so schädigt. Freilich, wenn die Fürsten sich nicht beeilen, so wirst du wohl nicht länger warten können. Denn wenn wahr ist, was Lismanino schreibt, so hat der polnische Adel, der das Evangelium angenommen hat, schon vor einem Vierteljahr beschlossen, dich nach Polen zu rufen. Ich weiß, du hattest früher im Sinn, nicht dorthin zu gehen ohne bestimmte Aufforderung des Königs; ich erinnere mich auch, welche Befürchtung deiner Reise im Wege stand. Da ich aber nun sehe, dass der König sich mit Vorliebe zwischen zwei Stühle setzt, und dass die Evangelischen doch nicht wider seinen Willen so energisch vorwärts dringen, so meine ich, du darfst nicht zaudern, bis er dich ruft. Doch wir werden ja bald erfahren, welchen Bericht uns dein Bote bringt.

Was ich über die Händel in der französischen Gemeinde [in Frankfurt] sagen soll, weiß ich nicht. Hat das Gerücht recht, so herrscht in vieler Herzen ein unversöhnlicher Hass gegen Valerand [Poulain], dessen Gründe mir unbekannt sind. Houbraque, der Richards [Vauwilles] Nachfolger werden soll, wird sich in guten Treuen mühen, all dem Übel abzuhelfen. Erreicht auch er nichts, so muss vielleicht zu einem andern Vorgehen gegriffen werden, wie ich es Valerand bereits angedeutet habe. – –

Calvin, Jean – An Johannes von Laski in Emden (400)

Joh. von Laski (vgl. 345), mit seiner Gemeinde aus London flüchtig, aus Dänemark von den Lutheranern vertrieben, hatte endlich in seiner früheren Gemeinde Emden unter der Gräfin Anna von Ostfriesland Ruhe gefunden. Er hatte Calvin von der Verfolgung durch die Lutheraner berichtet und ihm die Schrift Westphals gesandt. De Sechelles war ein französischer Refugiant in Frankfurt a. M.; John Cheke (vgl. 356) der frühere Lehrer Eduard VI. und Morrison der englische Gesandte am kaiserlichen Hof; bei längerem Aufenthalt in Genf waren ihre Güter in England konfisziert worden.

Teilnahme am Los der aus England vertriebenen Refugianten.

Dass ich dir später antworte, als du vielleicht erwartest hast, trefflichster Mann und von Herzen verehrter Bruder, liegt daran, dass ich dachte, es liege kein Nachteil in meinem Säumen. Denn wenn auch seither ein junger Friese von hier nach Emden abgereist ist, so wollte ich, weil ich kaum hoffen durfte, er komme bald an, ihm keinen Brief mitgeben, damit er ihn auf weiten Umwegen herum trage. Ihm folgte bald darauf ein zweiter, der aber einen ebenso weit abweichenden Reiseweg im Sinn hatte. Denn dein Bote, Herr de Sechelles, ist rasch von hier abgereist, und ließ als meine Gäste die Herren Cheke und Morrison hier, die sich dann nach Italien zurückziehen mussten. So kams, dass ich ihn leer abziehen ließ, und er wäre doch der vor allem passende Bote gewesen, der dir wenigstens mein Schreiben sicher und treu hätte zukommen lassen.

Wenn du nun erwartest, ich werde mein langes Zögern durch einen inhaltreichen Brief wieder gut machen, täuschest du dich. Ich glaube auch, du erwartest diese Art Liebesdienst gar nicht von mir, die dich doch nur ohne Nutzen aufhielte. Denn es liegt mir nichts so Wichtiges vor, wie das, was du erzähltest. Es war zwar nicht erfreulich zu lesen, aber doch uns lieb und nützlich. Denn die Kunde von Eurer Wanderung hat meinem Herzen solchen Schmerz und solche Traurigkeit bereitet, dass ich die wirklich der Erinnerung werten Ereignisse gerne genauer kennen lernte. Ohne Zweifel wird auch manches andere Herz dadurch gerührt. Deshalb war es meines Erachtens der Mühe wohl wert, aufgeschrieben zu werden, und es wäre vielleicht gut, wenn es noch weiterhin veröffentlicht würde. Bei mir persönlich hat es bereits eine Frucht gezeitigt, die mich nicht reut. Übrigens, von der Grausamkeit der Dänen zu erfahren, war mir sehr schmerzlich und bitter. Guter Gott, kann in einem christlichen Volk solcher Barbarensinn walten, der die Wildheit des Meeres übertrifft? Als sich das Gerücht verbreitete, den armen Brüdern, die, aus England vertrieben, neue Gastfreundschaft suchten, habe der König von Dänemark ein Hoffnungszeichen gegeben, da erhob sich gleich ein solches Loben, dass diese eine Tat genügt hätte, ihm unsterblichen Ruhm zu erwerben. Jetzt aber wird er sich, fürchte ich, eine nicht weniger furchtbare Strafe Gottes zuziehen, als er sich gewaltige Verachtung bei allen Guten erworben hat. Und je mehr gerade von mir, ja durch mein Lobgerede, seine edle Menschlichkeit gefeiert worden ist, umso herber empfinde ichs, dass nun seine milde Art von ungeschickten Hetzern verderbt worden ist. Die Treulosigkeit der Leute aber, die ihn sogar hätten besänftigen müssen, wenn er feindselig gesinnt gewesen wäre, ist so abscheulich, wie ihre Grausamkeit. Aber soviel sehe ich, hat eine teuflische Wut jenen ganzen Küstenstrich erfasst. Auch Sachsen und die umliegenden Länder sind davon angesteckt, dass sie ohne Maß noch Scham wider uns toben. Für die Papisten ists ein lustiges, liebliches Schauspiel! Umso mehr müssen wir uns Mühe geben, still hinunterzuwürgen, was nicht ohne Schande für das Evangelium in die Öffentlichkeit gebracht werden darf.

Da ich aber nicht daran zweifelte, gelehrten, maßvollen Leuten sei ein so maßloser Angriff verhasst, so hielt ich dafür, ganz dürfe man nicht schweigen; gewiss, an mir lag es nicht, dass nicht am ersten Tag Maßregeln ergriffen wurden, ihn zurückzuweisen. Unser bester Bruder Bullinger war andrer Meinung; er sah im Schweigen und Dulden den Sieg. So gab ichs auf, etwas zu tun, damit mein Eifer nicht Verdacht erwecke. Neulich aber hat Bullinger seinen Sinn geändert, und, vermutlich angeekelt von der Unverschämtheit [unserer Gegner], mich von selbst aufgefordert, ihre stinkenden Verleumdungen in einem kurzen Schriftchen zu widerlegen, und ich habe versprochen, es zu tun. Da mich aber bis zur Büchermesse der Kommentar zur Genesis festhält, und die neue Schrift, die gemeinsame Unterschrift der [Schweizer Theologen], die ich verteidige, erfordert, so habe ich noch nicht angefangen. Habe ich erst einmal begonnen, so wird es hoffentlich eine Arbeit für kurze Zeit sein.

Doch um auf dich, verehrter Bruder, zurückzukommen, – dass du und deine Genossen mit ebenso maßvoller Ruhe als entschlossenem Ernst gegen die ungeheuerliche Wut und den Hochmut der Bestie gekämpft habt, dass Ihr dabei stets den gleichen maßvollen Ton festhieltet, so oft andere mit derselben Heftigkeit Euch angriffen, ist schon ein zweifach löbliches Beispiel. Dass aber Eure Verteidigung der Wahrheit so echt war, dass Ihr, obwohl schon zu Land und Meer hart hergenommen, eine zweite Auswanderung nicht scheutet, in solcher Standhaftigkeit habt Ihr ein Gott wohlgefälliges Opfer gebracht und allen Frommen ein gutes Beispiel gegeben. Ich freue mich, dass Gott endlich ein Einsehen mit Euch gehabt hat, so dass sich Euch ein ruhiger Hafen auftat, in dem Ihr nun nicht nur ausruhen dürft, sondern auch für Gott und seine Kirche fruchtbringende Arbeit tun könnt. Gott verleihe der erlauchten Fürstin, die Euch so freundlich und gütig ihre mütterliche Hand bot, aller Art Segen.

[Ende Mai oder Anfang Juni 1554.]