Haller hatte an Bullinger geschrieben: „Also stat di Sache übel und ist Calvinus je uszbutzt, so ist er hie uszgsäget.“ – Vgl. 445.
Bitte um Hilfe im Prozess in Bern.
Wie ich neulich von Bern heimgeschickt worden bin, wird man dir, denke ich, von dort geschrieben haben. Als die Gegner mit schnöden Kleinigkeiten ihr Spiel mit mir und unserm Rate trieben, wurde, was schon genug und übergenug zu ihrer Verurteilung gewesen wäre, eifrigst zu ihrer Entschuldigung aufgegriffen. Um mirs unmöglich zu machen, mein Recht zu behaupten, wurde der bös klingende Wortlaut eines Fehlers fälschlich und ohne jeden Grund auf mich verdreht, obwohl jedes Kind hätte erkennen müssen, dass es nur ein Druckfehler war. Doch der Rat beschloss, auch bei Druckfehlern sei die Schuld dem Verfasser zuzuschreiben. Schließlich glaubten sie, mir noch in andrer Weise einen Schrecken einjagen zu müssen. Man warf mir vor, einmal einen Brief geschrieben zu haben, in dem Zwingli heruntergemacht oder doch seine Lehre getadelt sei. Weil mir das aber weder neu war noch unerwartet kam, war es mir leicht zu erwidern, was zu meiner Verteidigung diente. Zebedee hatte einen Privatbrief, den ich ihm vor fünfzehn Jahren aus Straßburg geschrieben, schnöd verbreitet; ich bat, es möchte dieser Brief vorgelegt werden, damit mir nicht böse Leute aus nichts und wieder nichts einen Vorwurf machten; es wurde mir vom Rat verweigert. Nur zeigte mir der Schreiber ein von seiner Hand geschriebenes Zettelchen, worauf in französischer Sprache stand, es sei eine Verwechslung, wenn das Wort Sacramentum einfach mit Fahneneid übersetzt werde, während es doch eher Mysterium bedeute und ein geistiger Bund zwischen Gott und der Kirche sei; diese Meinung Zwinglis hätte ich ja schon in meiner Institutio kurz widerlegt. Lateinisch war beigefügt, falsch nenne ich Zwinglis Sakramentslehre, was ich so allgemein als von mir gesagt nicht anerkenne, vielmehr kann ich hoch und heilig versichern, dass so etwas mir nie entfahren ist. Mit dieser Ausflucht erreichten die bösen Verleumder, die mich von der Kanzel, auf Straßen und Gassen und am Wirtstisch einen pestilenzialischen Ketzer gescholten hatten, Straflosigkeit. Unsere Berner Amtsbrüder haben treulich ihre Pflicht getan, und an ihnen liegt es nicht, dass der Ausgang nicht besser war. Nun habe ich das als Schild vorgehalten: läge tatsächlich [in den Sätzen über Zwingli] eine Beleidigung, so ginge sie doch Euch [Zürcher] am meisten an, und von Euch habe man doch nie eine Klage gehört; da sei es doch unsinnig, dass, wenn Ihr schwieget, andere sich zu Verteidigern [Zwinglis] aufwürfen. Beharren sie hartnäckig darauf, so sieh, bitte, zu, ob es nicht billig wäre und zwar für Euch ebenso sehr eine Ehrensache, wie für mich wünschenswert, dass Ihr Euch ins Mittel legtet, damit nicht die Bösewichter Euch fälschlich zum Vorwand nehmen und mit Euerm Namen Missbrauch treiben, während Ihr doch gar nicht beleidigt seid, und Euch die fromme, freundliche Mahnung, mit der ich damals an dem unüberlegten Menschen ein gutes Werk tun wollte, gar keinen Anlass zum Zorn geben kann. Hoffentlich erscheint bald auf der Messe wieder etwas; was es auch sein wird, ich werde dafür sorgen, dass du es bekommst. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Deine Kollegen grüße angelegentlich von mir, auch deine Frau, deine Schwiegersöhne und dein ganzes Haus. Der Herr sei stets mit Euch, er behüte und leite Euch.
Genf, 20. April 1555.
Dein
Johannes Calvin.
Beiliegenden Brief lass bitte mit vielen Grüßen von mir Herrn Lever zukommen.