Calvin, Jean – An Bullinger in Zürich (745).

Nr. 745 (C. R. – 4020)

Antistes Sulzer von Basel, der stark zum Luthertum neigte, hatte in Straßburg das Augsburgische Bekenntnis unterschrieben und damit großes Ärgernis in allen Schweizer Kirchen gegeben; der französischen Gemeinde in Straßburg hatte man ihre Kirche genommen (vgl. 732). Stanislaus von Zykow, Burggraf von Krakau, hatte Calvin um Auskunft über einige Fragen der Trinitätslehre gebeten.

Über Sulzers Luthertum. Das Ende der französischen Gemeinde in Straßburg. Misstrauen gegen Polen.

Eins ist mir vorgestern entfallen: wegen Sulzer. Hätte Eure Obrigkeit Mut gehabt, so hätte sofort eine Zusammenkunft angesetzt werden müssen, damit alle andern Bundesgenossen von den Baslern energisch Rechenschaft gefordert hätten in einer ehrlichen, offenen Darlegung ihrer Meinung. So wäre der Fuchs ins offene Feld gezogen worden. Dass Ihr darin so säumig waret, wundert mich. Denn wenn dieser Streitgegenstand nicht geschont wird, so bricht er bald in offenen Brand aus. Bern, Schaffhausen und St. Gallen sind ganz einig mit Euch, so dass nicht der geringste Widerspruch zu befürchten ist. Wenn also die Pfarrer dieser Städte von Sulzer verlangten, er solle sagen, was er wolle, so müsste er entweder die überstürzte Unterschrift, zu der ihn bloß der Ehrgeiz trieb, schmählich zurücknehmen oder wenigstens aufdecken, was dahinter steckt. Denn wenn ich mich nicht sehr irre, hatte er andere Absichten. Wenn Ihr ihm nicht entgegentretet, so werden sicherlich die Gegner zu Eurer Schmach prahlen, die Schweizer seien bereits unter sich gespalten. Marbachs Unverschämtheit hat schon soweit den Sieg davon getragen, dass den Franzosen [in Straßburg] ihre Kirche geschlossen worden ist. So ist das Gemeindlein, das fünfundzwanzig Jahre lang in Blüte stand, nun unter dem wütenden Angriff dieser Bestie zusammengebrochen. Sturm und Hotman reden dem [französischen] Pfarrer zu, er solle sich zu einer vermittelnden Auskunft herbeilassen. Sie wollten dazu auch meine Zustimmung; aber ich habe geantwortet, wie mirs die Wahrhaftigkeit vorschrieb. Den Brief des Herrn Stanislaus, dessen Geschlechtsnamen ich in seiner Handschrift nicht lesen konnte, werde ich beantworten. Wäre ich nicht nochmals dazu aufgefordert worden, so hätte ich vorgezogen, zu schweigen; denn diese ganze Nation ist mir jetzt verdächtig, weil nur ganz wenige aufrichtig handeln. Da ich aber höre, dass seine Kinder deine Pensionäre gewesen sind, so will ich ihm die Gefälligkeit nicht abschlagen. Meine Antwort lass ihm dann, bitte, zukommen. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Allen Kollegen viele Grüße.

Genf, 12. September 1563.
Dein
Johannes Calvin.