Nr. 639 (C. R. – 3257)
Pierre Alexandre, früher französischer Pfarrer in Straßburg (vgl. Nr. 457 und 458), war nun in London und gehörte zu der Oppositionspartei, von der Calvin in Nr. 630 schrieb.
Hilaire ist unbekannt; Nicolas Colladon war Pfarrer in Vandoeuvres, Jean Tagaut, Professor der Philosophie, Francois Berauld der griechischen und Antoine Chevallier der hebräischen Sprache an der Genfer Akademie, Gaspard Carmel Pfarrer in Moin. Claude Baduel ebenfalls Professor in Genf. Adrian Hamstedt, der Pfarrer der flandrischen Gemeinde in London, begünstigte die Wiedertäufer und war dadurch in Streit mit des Gallars gekommen.
Von Frau des Gallars. Krankheit und Sterben in Genf.
Wenn du etwas übel genommen hast, dass du keine Antwort bekamst auf deine doch so wichtigen Fragen, so hast du unterdessen wohl schon erfahren, dass dein Brief, nachdem wir ihn erhalten, nicht lange unbeachtet blieb. Wie spät erst der angekommen ist, habe ich dir gleich geschrieben. Soweit es erforderlich war, habe ich auch versucht, die Geschäfte, die dich beunruhigten, zu erledigen. Wenn ich auch den Brief sehr in der Eile schreiben und krankheitshalber teilweise diktieren musste, so wollte ich doch nichts unterlassen, was nötig war, dir deine Sorgen zu erleichtern. Deine Aufträge habe ich treulich erfüllt. An La Roche-Chandieu habe ich geschrieben und ihn aufgefordert, zu dir nach England zu kommen. Was die Straßburger über Pierre Alexandre geschrieben hatten, war nicht mehr vorhanden, und es ist vielleicht auch besser, dass die Sache weniger scharf behandelt worden ist. Sie hätten sich sonst beklagen können, wie hätten ein vertrauliches Schreiben durch Veröffentlichung missbraucht. Er selbst hätte ein Geschrei erheben können, es sei unedel von uns, was die Straßburger zu seiner Entschuldigung geschrieben hätten, nun gehässig zu seiner Beschuldigung zu verwenden. Die jetzige Art des Friedensschlusses ist also für den Moment wohl besser, wenigstens weil dadurch die Ruhe in der Gemeinde wiederhergestellt ist.
Wir wunderten uns, dass du über dein Bleiben oder deine Rückkehr nichts Bestimmtes schreibst, umso mehr, als der Brief deiner Gemeinde uns gar nicht mehr im Glauben gelassen hatte, es sei noch unentschieden; denn darin wurde deutlich ihr Dank ausgesprochen und du als ihr Pfarrer in Anspruch genommen. Sie bitten auch, deiner Frau einstweilen das Nötige zu geben und übernehmen die Bürgschaft dafür. Ich hieß sie ihre Forderungen stellen; es solle an nichts fehlen. Der halbe Gehalt bis Oktober ist ihr ausgezahlt worden. Über das Haus, in dem sie wohnt, hat sie sich unbedachter Weise bei dir beschwert, und du hast ihr zu leicht geglaubt. Wir müssen uns hüten, auf jedes dumme Weibergeschwätz hin gleich hitzig zu werden. Ich hatte bisher von gar nichts gehört; nun gestand sie mir, sie habe schon lange einmal mit Beza davon gesprochen, und er habe ihr offen und ehrlich gesagt, falls du in England bliebest, so sei ihr das Haus nach stillschweigendem Übereinkommen der Brüder zugedacht, damit sie näher bei der Schule wohne, aber man habe darüber noch nicht gesprochen und werde es auch nicht in Beratung ziehen, solange deine Stellung noch ungewiss sei. Ich glaube nicht, dass sie gerade erfunden hat, was sie dir schreibt; aber neugierig, wie wir eben sind, hören wir hie und da mehr, als wir wollen. Auch schon vorher hat sie gelegentlich Dinge erzählt, die ich von sonst niemand gehört hatte. Wenn irgendjemand irgendein Wort entfährt, so scheint ihr das Zeug gleich soviel wert zu sein, dass sie es übers Meer schreibt. Ich kann dich versichern, es wird über das Haus gar nicht verhandelt, ehe dein Nachfolger gewählt ist. Dies ist bis jetzt verschoben worden, doch ist der Wahltag auf morgen angesetzt. Was auch immer kommen mag, wir werden dafür sorgen, dass sie nicht auf den Winter hin auszuziehen braucht. Sie kann auch durch Vermieten einiges Geld verdienen, wenn sie nicht den Zimmerherrn gegenüber, obwohl ihr einige gar nicht bekannt sind und andere es gar nicht nötig hätten, die Freigebige spielen will. Das Haus ist noch mit einigen Prozessen behaftet; doch hofft sie, wie sie mir sagte, auf deren baldige Erledigung.
Hilaire ist gestorben; Nicolas war krank und ebenso seine Frau; er selbst ist noch nicht ganz genesen, und bei ihr scheint es eine lange Geschichte geben zu wollen. Seit deiner Abreise haben hier Epidemien schrecklich gewütet. Erst sind Tagaut und Gaspard gestorben, und schließlich ist uns zu allgemeinem Leide unser liebster Macard entrissen worden. Wie schmerzlich mir so viele Verluste waren, kannst du, der du meinen Charakter kennst, ermessen. Baduel schleppt sich noch so hin; Berauld und Chevallier sind wieder fieberfrei; auch Enoch und de Morel kommen langsam wieder zu Kräften. Mich haben Leibschmerzen und eine Lungenblutung hergenommen. Trotz solchen Mangels haben die Brüder doch die Wahl eines Nachfolgers für dich aufgeschoben, bis wir neulich aus dem Brief deiner Gemeinde erfuhren, man wolle dich festhalten. Bezas Abwesenheit ist mir, ganz abgesehen davon, dass mir dadurch eine außerordentliche Zahl von Vorlesungen aufgebürdet ist, aus manchen Gründen nicht wenig verdrießlich; es ängstigt mich recht, dass der gute Bruder nun ständig in Gefahr ist und ich doch nicht einsehe, auf welchen Erfolg man hoffen darf. Noch mehr aber quält mich die Sorge, dass ich mich dazu nötigen ließ, das Leben eines so einzigartigen Freundes, ja überhaupt eines solchen Mannes, aufs Spiel zu setzen. Andere geheime Schmerzen will ich für mich behalten.
Lebwohl, bester Bruder. Den Kollegen musst du verzeihen, wenn sie nicht schreiben. Ich habe diese Aufgabe übernommen, und so meinen sie, es gelte auch für sie; indessen lassen dich alle herzlich grüßen. Der Herr behüte und stärke dich stets; denn ich sehe wohl, wie viel Arbeit dir dein Amt in dieser Gemeinde macht. Doch Gott, der auch zum härtesten Kampf Kraft genug geben kann, wird mit dir sein bis ans Ende. Der Pfarrer der Belgier, von dem Ihr neue Unruhen befürchtet, ist wohl halb gebrochen, seit ihm die Maske abgerissen ist. Nochmals lebwohl. Deinen Sohn Jean segne Gott.
3. Oktober 1560.