Vgl. 495.
Über Laskis Religionsgespräch mit Brenz.
Da nun bereits ein volles halbes Jahr vorbei ist, seit ich deinen letzten Brief hielt, und ich ihn noch nicht beantwortet habe, so schäme ich mich ein wenig, so lange gewartet zu haben. Damit du aber nicht glaubst, ich sei ganz ohne Entschuldigung, so wisse, dass ich, als ich deinen Brief bekam, am Wechselfieber krank lag, was vielen Angst machte, einigen aber auch eine flüchtige Hoffnung auf böse Freude brachte. Seither hielt mich Herr Johann von Laski lang in Spannung, der, um ein Religionsgespräch zu veranlassen, an den Fürstentag nach Speyer gekommen war. Was er erreichte, blieb mir unbekannt, bis ich aus einem Briefe Herrn Vermiglis erfuhr, Laski habe in Württemberg mit Brenz disputiert, und es flögen nun gewisse Akten herum, aus denen hervorgehe, dass unser Bruder Laski wie besiegt verstummt sei, obwohl Brenz die Allgegenwart des Leibes Christi in geschmackloser und trivialer Weise verteidigte. Da nun die Gegenpartei triumphiert, meint Herr Vermigli, Laski habe unbedacht gehandelt, dass er allein ohne passende Zeugen und Schiedsrichter diese Zusammenkunft gehabt habe. Drei Tage darauf kam ein Brief aus Frankfurt, nicht ohne Wissen Laskis selbst, in dem der Erfolg dieses unglücklichen Unternehmens sehr gepriesen war. Er selbst schrieb nicht, weil er krank lag; aber sein Vertrauter, der um alles weiß, was Laski unternommen hat, berichtet so gut wie aus seinem Munde folgendes: der Pfalzgraf sei für uns gewonnen, der Herzog von Württemberg noch unentschieden, der Kanzler des Pfalzgrafen stimme uns bei, und so werde dieser Fürst sich auf dem Reichstag zu Regensburg darum bemühen, dass die Gelehrten beider Parteien zusammenkämen. Zugleich sandte er einige Blätter, die „Akten“ betitelt sind, zur Rechtfertigung unseres Bruders Laski; sie bestätigen, was Vermigli schrieb. Denn über die Disputation selbst schweigen sie sich aus; Laski schreibt darin nur, was er nach seiner Rückkehr von Brenz zu Hause aufsetzte. Da wäre es besser gewesen, zu schweigen, wenn nicht etwa der Herr wider unser Erwarten einen bessern Erfolg gibt. Laski deutet an, sein Neffe habe ihm den Wunsch des Königs gemeldet, er möge vor seiner Rückkehr nach Polen eine Verteidigungsschrift verfassen, die darlege, dass sich seine Lehre mit dem Augsburgischen Bekenntnis decke, und er trage sich daher mit dem Gedanken an eine kurze Schrift, die er in Übereinstimmung mit dir, Vermigli und mir herausgeben wolle. Wenn ich auch den Stoff und den Plan nicht tadle, so finde ich doch die Sache sehr gefahrvoll, wenn sie nicht mit größtem Geschick angefasst wird. Doch dies Urteil kommt früh genug, wenn man sie lesen kann.
Verzeih, wenn ich Bezug auf ein Religionsgespräch etwas anderer Meinung bin als du; denn wenn dadurch auch kein Fortschritt zu erreichen ist, wie man wünschen möchte, so hielte ich es doch für weit schimpflicher, ein Gespräch überhaupt abzulehnen, als durch standhafte offene Verteidigung der Wahrheit sich den Vorwurf der Halsstarrigkeit zuzuziehen, und ich will den Ausgang Gott überlassen, wenn es nur unterdessen nicht den Schein hat, als scheuten wir das Licht. Ich werde mich zwar wie bisher stille halten, damit es nicht aussieht, als strebe ich allzu heftig danach und sei darum so tätig; aber wenn die Gegenpartei uns von sich aus ruft, bin ich bereit, meinen Glauben zu verteidigen; ich denke, du bist wohl auch desselben Sinnes. Herrn von Laski habe ich indessen zu verstehen gegeben, dass mir sein maßloser Übereifer nicht gefalle; aber du weißt wohl, wie schwer es ist, einen Menschen von seiner Art abzubringen. Lebwohl, trefflichster und von Herzen verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite und segne dich samt deinem Hause. Meine Kollegen und Freunde lassen dich vielmals grüßen. Deinen Kollegen viele Grüße, bitte.
Genf, 1. Juli 1556.
Dein
Johannes Calvin.