Beza, Theodor von – An Bullinger, Prediger in Zürich

Lausanne, 12. Jan. 1552.

Jesus sagt zu seinen Jüngern, nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich euch. Der Glaube ist Gottes Geschenk, wir müssen gezogen, wiedergeboren, belehrt werden. Wer kann läugnen, daß dies nur wenigen Menschen widerfährt, daß also gewissen Menschen eine besondere Gnade zu Theil wird? Wenn es eine besondere ist, so fragt sich, für wen sie besonders sei. Doch wohl für die, welche von Gott vor aller Welt Anfang nach seinem guten Vorsatz auserlesen waren, daß sie heilig sein sollten, nicht aber, weil sie heilig sein würden. Wenn nun Einige von aller Ewigkeit her auserwählt sind, so kann doch nur ein Bolsec läugnen, daß nicht andere von aller Ewigkeit her verworfen sind. Der Glaube folgt auf die Auserwählung, es muß also auch die Verwerfung dem Unglauben vorangehen. In dieser Sache, wie in vielen andern, muß es genug sein, zu wissen, daß es so sei, das Warum zu erforschen ist Tollheit. Was also die Seligkeit betrifft, so schreiben wir alles Gott zu; in Rücksicht auf die Verwerfung aber erkennen wir nicht blos ein Vorherwissen Gottes, sondern auch einen Rath und Beschluß desselben (denn eine Gnadenwahl ohne Verwerfung ist nicht möglich), und doch werfen wir alle Schuld auf den Menschen. Sagt der menschliche Verstand etwas dagegen, so höre ich ihn nicht an, sondern schließe: das ist Gottes Wille, Gottes Rath, seine Rathschlüsse sind mir zwar unbekannt und ungemäß, Gott hat aber gewiß Gründe und gute Gründe, denn er will nicht im Menschen das Unrecht, und ist ganz Regel der Gerechtigkeit. Gegen meinen Bildner will ich nicht streiten, und diese Lehre treibt mich nicht zur Verzweiflung, sondern macht mich fest in Versuchungen, weil ich weiß, daß mein Heil nicht auf mir, sondern auf Gottes Vorsatz beruht, welcher immer derselbe bleibt. Gott hat mich durch das innere und äußere Wort berufen, das bezeugt mein Geist, der in mir seufzt und nach seinem Gott verlangt. Durch die Kraft des Geistes meines Gottes sind jene Versprechungen besiegelt; es haben meine Ohren Gottes Wort gehört, meine Seele hat es empfangen, hat ihn durch Gottes Gnade ihren Beifall gegeben, meine Augen haben Gottes Sacramente gesehen, meine Hände sie gehalten, der h. Geist hat durch sie mich Christi theilhaftig gemacht. Ist das nicht Beweis genug, daß ich ein Erwählter bin? Wer anders vernünftelt, streitet mit Gott.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862