Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (259).

 

Am 29. März 1549 starb Idelette nach langer Krankheit; von ihren Kindern aus erster Ehe lebte ein Sohn in Deutschland (vgl. 142), ein Töchterlein Judith bei ihr in Genf.

Von Idelettens Tod.

Der Bericht vom Tode meiner Frau ist vielleicht schon bis zu Euch gedrungen. Ich strenge mich an, so sehr ich kann, dass mich das Leid nicht ganz erdrückt. Auch die Freunde sind da und tun alles Mögliche, den bittern Gram meines Herzens etwas zu lindern. Als dein Bruder von hier abreiste, hatten wir schon fast keine Hoffnung mehr für ihr Leben. Als am Dienstag alle Brüder da waren, hielten sie es für das beste, gemeinsam miteinander zu beten. Es geschah. Als Abel sie in aller Namen ermahnte zum Glauben und zur Geduld, bezeugte sie in ein paar Worten (sie war schon recht schwach), wie ihr zu Mute sei. Auch ich schloss daran eine Aufmunterung, wie sie mir zu ihrer Lager zu passen schien, an. Da sie von ihren Kindern kein Wort geredet, fürchtete ich, sie möchte sich im Herzen um sie sorgen und sich scheuen, es zu sagen, und diese Sorge quäle sie vielleicht mehr als die Krankheit. So sagte ich zu ihr vor den Brüdern, ihre Kinder sollten mir am Herzen liegen, als ob es die meinen wären. Sie antwortete: „ich habe sie schon dem Herrn anempfohlen.“ Als ich nun sagte: „das hindert nicht, dass auch ich mein Teil an ihnen tun will“, erwiderte sie: „Wenn sie dem Herrn am Herzen liegen, so sind sie auch dir wohl empfohlen, das weiß ich.“ So groß war ihre Geistesstärke, dass sie bereits über der Welt zu stehen schien. An dem Tag, da sie ihre Seele dem Herrn übergab, sprach ihr unser Bruder Bourgoing gegen sechs Uhr mit frommen Worten zu; dabei tat sie einen Ausspruch, an dem alle merken konnten, dass ihr Herz bereits hoch über diese Welt sich aufgeschwungen hatte. Das waren ihre Worte: „O glorreich´ Auferstehn! O Gott Abrahams und aller unserer Väter, schon seit Jahrhunderten haben alle Gläubigen auf dich gehofft und keiner ist getäuscht worden: so harre denn auch ich deiner!“ Solche abgebrochenen Sätze stieß sie eher hervor, als dass sie sie sprach. Und das nicht etwa nach den Worten der andern, sondern wie die Gedanken ihr Herz bewegten, so bezeugte sie es in kurzen Worten, was sie bei sich dachte. Um sechs wurde ich von Hause fortgeholt. Nach sieben Uhr, als man sie ins andere Zimmer trug, begann gleich der Todeskampf. Als sie spürte, dass ihr gleich die Stimme versagen werde, flüsterte sie: „Beten, beten, betet alle für mich!“ Eben kam ich nach Hause. Sie konnte kein Wort mehr sprechen, doch zeigte ihre Miene die Bewegung ihres Herzens. Ich sprach zu ihr ein paar Worte von Christi Gnade, der Hoffnung des ewigen Lebens, vom Pilgerzelt dieses Lebens und der Heimkehr, dann nahm ich meine Zuflucht zum Gebet. Klaren Geistes hörte sie meinem Gebete zu und war aufmerksam auf meinen Zuspruch. Kurz vor acht Uhr gab sie still den Geist auf, so dass die Anwesenden den Übergang vom Leben zum Tod kaum merkten. Nun suche ich mein Leid so zu verwinden, dass ich keine Unterbrechung in meiner Amtstätigkeit erleide. Denn auch mit andern Kämpfen prüft mich der Herr neben dem allem. Lebwohl, bester Freund und Bruder; der Herr Jesus stärke dich mit seinem Geist, und auch mich in dieser Heimsuchung, die mich sicher ganz gebrochen hätte, hätte mir nicht vom Himmel her der die Hand gereicht, dessen Art es ist, die Gebeugten aufzurichten, die Schwachen zu stärken und den Müden wieder Kraft zu geben. Grüße alle Brüder und dein ganzes Haus.

Genf, 2. April.
Dein
Johannes Calvin.