Brenz an Erasmus Alber.

(verdeutscht.)

5. December 1548.

Gnade und friede in Christo. Dass Ihr an mich so einen freudigen und freundlichen Brief geschrieben habt, ist mir in dieser trübseligen Zeit sehr tröstlich und von Herzen lieb gwest. Dann ich habe darauss vernommen, beide, wo ihr euch jetzt in diesem grossen Ungestüm der wüthenden Welt enthaltet, und dass die Bürger zu Magdeburg ein fein gottseliges Leben führen und bei der reinen Lehre des Evangelii fest halten und noch ein deutsch Herz haben und nicht weibisch sind, wie viel Stsedte, die Gottis Wort verlseugnen und von sich stossen. Darum ihr auch schreibet, die Stadt Magdeburg sollt billicher Mannenburg dann Magdeburg heissen. Dann ihr wisst, wie das Wort Magd oder Jungfrau in der hl. Schrift gebraucht wird. Denn gleichwie eine Jungfrau frei und keines Mannes Joch unterworfen ist, also heissen die Stsedte Msegde und Jungfrauen, so noch frei und von keinem fremden Tyrannen überwseltigt sind. Weil nun die Stadt Magdeburg ihr festiglich fürgenommen hat, bei Gottes Wort zu bleiben und darüber alles zu wagen und zu leiden, ehe dann sie des Widerchrists Joch auf sich nehmen und fremde Herrschaft einlassen wollen, so heisst sie ja billich Magdeburg. 2 Cor. 11. schreibet S. Paulus, er habe die Corinther dem Herrn Christo eine reine Jungfrau zubracht durch die reine Lehre des Evangelii. Darum ist Magdeburg auch desshalben eine Jungfrau, weil sie keine Secten noch fremde Lehr angenommen hat. Darum lasst uns beide unsere Hsende und Herzen aufheben und Gott den Vater unseres Herrn Jesu Christi über der Stadt Magdeburg anrufen und bitten, dass er ihr nach seiner grossen Güte Macht und Kraft gebe, bei ihrem christlichen Fürnehmen zu beharren, dass sie alle Zeit eine reine Magd bleibe und durch keines Tyrannen Gewalt „geschsendet noch überwseltigt werde, und dass durch die Stadt Magdeburg beide, ihre und anderer Stsedte Freiheit erhalten werde.

Dass Ihr mich aber so fleissig vermahnet und bittet, dass ich auf des ehrbaren Raths der Stadt Magdeburg Begehren das Superattendentenamt daselbst annehme, wollt ich warlich gerne, dass meine Sache jetzt also stünde, dass ich der ehrlichen und standhaftigen Gemeine zu Magdeburg zu Willen seyn und mit meinem Dienst rarstehen könnte. Es ist aber ein Fürst, der mich durch die Gnade des Sohns Gottes in meines Lebens Fahr mit seiner eigne Fahr aus des Löwen Rachen errettet hat. Demselben hab ich zugesagt, an diesem Ort, da ich jetzt bin, bis an die Fastnacht zu beharren und warten, ob er mittler Zeits meines diensts begehren wurde. Nun ist Glauben halten ehrlich, ich aber bin auch um der grossen Wohlthat willen, mir durch jetztgedachten Fürsten erzeigt, demselben Glauben zu halten schuldig. Weil es aber noch sehr übel zu diesen Landen steht und das blutdurstige und mörderische Interim denselben aufgedrungen, besorg ich, es werde hie meines Beharrens vergeblich seyn; dann das Interim gedencke ich mit nichten anzunehmen, kann es auch nicht annehmen und soll es nicht annehmen; doch muss ich hie die bestimmte Zeit auswarten. Bitte euch derhalben um unser alten Freundschaft willen, die wir unter uns haben in Christo, wollet mich gegen den würdigen Herrn, den Predigern zu Magdeburg fleissig entschuldigen. Denn ich höre, es seien gottforchtige gelehrte Msenner, möchte deshalben gerne seyn in Gemeinschaft solcher treuen Diener unseres Herrn Christi. Will auch Fleyss ankehren, dass ich Erlaubniss kriege und neben ihnen der werthen Stadt Magdeburg dienen möge. Unterdess lasst uns unsern Herrn Gott bitten, wo ers vor gut ansieht, dass ich der Stadt Magdeburg diene und mit dem göttlichen Predigamt fürstehe, dass er es also schicke, zeige Weise und Gelegenheit, dass ich hie abkommen und zu euch ziehen möge.

Es ist aber herzlich zu beweinen, dass in der kirchen, da ich eine lange Zeit gepredigt habe, leider die Gewalt der Finsterniss regirt. An dem Ort, da ich jetzt bin, ist es noch still, Gott gebe lange, denn die Verrsetherei nimmt überhand und der Menschen List und Tücke sind so wundergross, dass auch die allerbesten Freunde und Bundsgenossen von einander getrennet werden. Auf die Stadt Strasburg dringt der Bischof hart, dass sie auch das Interim annehmen und ihm Jurisdiction und kirchengewalt wieder einrseumen sollen. Weil aber dieselbe Stadt sich vorhin zu weit eingelassen und sich dem Feind ergeben hat, ist zu besorgen, sie müssen auch nun thun, was er von ihnen haben will. Siehe, das ist der Deutschen Mannheit und Standhaftigkeit. Die Stadt Costnitz thut ihrem Namen auch nicht genug, dass sie Constantia, d. i. Standhaftigkeit heisst, denn sie hat sich dem könige ergeben; der hat die Stadt besetzt und Gottes Wort ausgetrieben. Da ist kein Prediger mehr, denn sie sind zum theil vertrieben, zum theil selbst hinweggezogen. Etliche fromme Bürger sind von der Besatzung aus der Stadt gewichen; denselben hat der könig alles genommen, was sie hinter sich gelassen haben. Der Kaiser hat den Herzogen von Württemberg gezwungen, das er alle seine Prediger, so nicht das Interim annehmen wollen, hinweg ziehen lsesst. So haben die von Ulm 23 Prediger verjagt. Lasst uns den allmsechtigen Gott bitten, dass er uns doch wiederum gnsediglich ansehe und erzeige als einen Pfleger und Beschirmer seiner Christenheit. Amen. Hiemit Gott befohlen. Wollet die würdigen Herren die Prediger von meinetwegen fleissig grüssen und bitten, dass sie meiner in ihrem Gehet gedenken. Dat. zu Basel d. 5. Decembris 1548.

Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.