Melanchthon an den Rat zu Kempten, 22.2.1547

Den Erbaren, weisen und vornehmen Herrn Burgemeistern und Rath der löblichen Stadt Kempten, meinen günstigen Herrn.

Gottes Gnade durch seinen eingebornen Sohn Jesum Christum, unsern Heiland, zuvor. Erbare, weise, vornehme, günstige Herren. Wiewohl dieser thörichte Krieg eine große Strafe ist, so wissen doch Ew. Weeisheit, als christliche verständige Obrigkeit, daß Gott gleichwohl seine Kirche, die ihn recht anrufet, erhalten will und wird, darum auch die alten nicht unterlassen sollen, die Jugend in rechter Lehre und rechter Erkenntniß Gottes aufzuziehen, und wirrd zum Studio anher bequeme Ort und Stätte geben, obgleich in etlichen Orten Unfried ist und Zerstörung. Nun haben E. W. Bürgerkinder, Andreas, Michael und Bartholomäus durch Gottes Gnade ordentlich und wohl studirt, und haben sich züchtiglich und christlich gehalten, und begehren länger bei dem Studio zu bleiben. Derohalben bitte ich, als ihr praeceptor, Gott zu Lob, E. W. wolle diesen gottfürchtigen züchtigen jungen Leuten auch fürohin väterliche Hülf zum Studio erzeigen, und sie wiederum an die Orte senden, da noch die Studia ziemlich erhalten worden, als gen Basel oder Tübingen oder Noriberg. Ich besorg, Straßburg sey jetzund auch in Unfried. Der allmächtige Got wolle seiner Kirchen in ganzer deutscher Nation wiederum einen gnädigen Frieden geben, und das Wetter selbst stellen, das böser Leute Practiken erregt haben, die es nicht dahin bringen werden, dahin sie gedacht. Auch wolle der allmächtige Gott Ew. W. Stadt und Kirche allezeit gnädiglich bewahren. Datum Meidburg. 22. Febr. 1547.

Philippus Melanthon.

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen VI.
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1839