Vgl. 122. Auf den 15. März 1545 hatte Papst Paul III. das Konzil zu Trient ausgeschrieben; die Eröffnung fand am 13. Dezember statt. Fumee hatte geschrieben, dass in Frankreich bereits auf das Konzil gerüstet würde und wohl die Namen der Abgeordneten genannt. Karl V. hatte auf Februar einen Reichstag nach Worms berufen; er begann am 24. März. Der Erzbischof von Köln, Hermann von Wied zeigte Neigung, sich der Reformation anzuschließen. Weggelassen ist eine Klage über Osianders Verteidigungsschrift, die fast wörtlich mit der in 123 übereinstimmt.
Von den geringen Aussichten des Konzils zu Trient und des deutschen Reichstags. Von der Sendung nach Wittenberg.
Ihr rüstet Eure Streitmacht also schon, als ob die Eröffnung des Konzils auf nächsten Monat festgesetzt wäre. Es ist mir wieder einmal ein Beweis, wie in Frankreich alles willkürlich und zufällig, nichts klug und planmäßig geschieht, dass man solchen Leuten den Auftrag gegeben hat, statt dass dazu die Besten aus dem ganzen Königreich ausgesucht werden. Vielleicht geschieht dies aber just deshalb, weil die Leute, die sonst die allerfaulsten sind, stets, wenn es drauf ankommt, Schaden anzurichten, am besten gerüstet sind. Übrigens glaube ich, die Erwartung, die man aufs Konzil setzt, – und bei Euch soll sie ja sehr groß sein -, ist ganz umsonst. Der Reichstag soll im Februar gehalten werden. Aber vor dem März wird keine ernsthafte Beratung anfangen. Ich kenne diese deutsche Sitte aus Erfahrung. Den Verlauf der Sache kann ich dir so gewiss verkünden, als ob ich dabei wäre. Die Evangelischen werden darauf dringen, dass man unter Ausschluss des Antichrists endlich einige Ordnung in Deutschland schaffe. Die noch in freiwilliger Knechtschaft dem Götzen [zu Rom] verpflichtet sind, werden das als unerlaubt verweigern. Der Kaiser, um den Evangelischen teilweise zu genügen, wird versprechen, er sei bereit, alles zu tun. Vielleicht wird er auch zum Schein irgendeine Verhandlung beginnen. Dann wird er sie aber gleich nach Beginn abbrechen, unter irgendeinem erfundenen Vorwand, wie er solchen Leuten nie fehlt. Ganz sicher wird schließlich der Schluss der sein, es dürfe in Religionsfragen nichts beschlossen werden ohne Erlaubnis des Papstes. Wenn man dann anfängt, von der Einberufung des Konzils zu reden, so werden gleich die Evangelischen protestieren, es sei unerhört, dass man die Entscheidung in der Religionsfrage den erklärten Feinden Gottes übertrage. Sie werden den Antichrist [zu Rom] als Angeklagten zur Rechenschaft fordern; als Richter werden sie ihn nie und nimmermehr anerkennen. Unter welchen Bedingungen aber kann man ihn denn nach deiner Meinung nach Trient bringen? Aber angenommen, es gäbe von unsrer Seite keine Verzögerung, so wäre dem Kaiser nichts lieber, als wenn er die ganze Aufmerksamkeit auf den Türkenkrieg lenken und die kirchlichen Zustände auch fernerhin in der Schwebe lassen könnte. Wird er da nicht das, was er von sich aus zu verlangen so wie so bereit ist, dem Götzen leicht zu Gefallen tun, [das Konzil aufzuschieben]? Aber nehmen wir sogar an, das Konzil sei bereits angesagt, und alles schon dazu gerüstet; dürfen wir denn dann glauben, der Götze finde keinen Kunstgriff, wieder alles zu verwirren? Was soll also dabei für die so jammervoll zerrissenen und zerspaltenen religiösen Zustände, für die arme Kirche, die bereits dem Untergang verfallen scheint, für den bloßen Namen der Christenheit, für die Ehre Gottes herauskommen? Wir müssen sicherlich ihn bitten, dass er allein alles das besorge und aufrecht halte. Unsere Glaubensgenossen sind erstarrt, und es ist keine Hoffnung, dass sie mutig und eifrig handeln werden, wenn der Herr sie nicht weckt von andrer Seite her. Freilich gäben ihnen die Ungläubigen Ursache genug, vorsichtig zu werden. Die Kölner Domherren, samt der ganzen Pfaffenschar, haben alles versucht, ihren Erzbischof von seinem Stuhle zu werfen. Sie haben eine Versammlung aller Stände einberufen, um von ihr die Erlaubnis zur Wahl eines anderen Bischofs zu erhalten. Es wurde ihnen abgeschlagen. Sie verlangten das Gleiche vom Kaiser; er antwortete, wenn sie ihre Pflicht täten, werde er nicht ermangeln, ihnen beizustehen. Offen ihnen nachgeben wollte er aber doch nicht. Doch aus dieser zweideutigen Antwort lässt sich erraten, dass er sich gar nicht widersetzen wird, wenn sie irgendwie Unruhen stiften. Gehen sie nun noch weiter, so ist ein Krieg sicher, in dem die ganze Staatsordnung Deutschlands zusammenbricht oder doch stark erschüttert wird. Doch auch dazu wird der Herr sehen. Das ist mein einziger Trost, dass selbst der Tod ja für einen Christenmenschen kein Unglück sein kann. Unterdessen beklage ich die Not der Kirche geziemend und leide unter dem schlimmen Los der Frommen, doch so, dass ich trotzdem den Mut nicht verliere. Wären wir unter uns einig, so wäre ich weniger ängstlich; aber dass angesichts der gewaltigen Rüstungen der Feinde einige von uns noch Muße genug finden zum verrücktesten Bruderzwist, das ist geradezu ungeheuerlich. – –
– – Ich habe etwas gezögert, ob ich tun solle, was du in deinem letzten Brief verlangst. Denn die Reise ist weit, anstrengend und schwierig. Zu Pferd kommt ein Bote nicht vor dem zwanzigsten Tag an [in Wittenberg]. Auch wars gefährlich, ohne Wahl irgendjemand zu senden. Auf fahrende und sonst leichtsinnige Leute kann man sich nicht verlassen; andere aber sind wenige zu finden. Einem, der die Landessprache nicht kann, wäre die Reise sehr beschwerlich; dazu ist es überall sehr teuer wegen des schlechten Jahres. Ich habe gar kein Geld zur Verfügung. Auch wenn keine so schlimmen Zeiten sind, wie jetzt, so kann ich die Verpflichtungen, die mir aufliegen, nicht bestreiten, ohne alles aufzubrauchen. In der Lebensmittelteuerung aber, unter der wir nun schon zwei Jahre leiden, sah ich mich genötigt, Schulden zu machen. Ich sage das freilich nicht, um zu klagen; denn gnädig hat der Herr an mir gehandelt, dass ich gerade soviel habe, als mir genügt. Ich sage es vielmehr nur, damit du einsiehst, dass ich nicht Leute fände, von denen ich weiteres Geld entlehnen könnte. Denn alle hier sind Krämer, und dazu noch rechte Hungerleider. Dazu kam noch, wie schon gesagt, dass der Zeitpunkt nicht günstig war, Luther um Rat zu fragen, weil sein Sinn noch kaum ganz frei war von der Kampfeshitze. Da du aber so dringlich batest und so sehr anhieltest, es zu tun, so lag mir doch nichts mehr am Herzen, als deinem Wunsch zu entsprechen. Einen ehrenwerten, nicht ungelehrten jungen Mann habe ich dafür gewonnen, mir zu lieb die mühselige Reise zu unternehmen. Mein Schriftchen habe ich ins Lateinische übersetzt und meinem Brief beigefügt, um [den Wittenbergern] danach ein Urteil möglich zu machen. Im Briefe selbst habe ich um nichts gebeten, als dass sie frei und schlicht ihre Meinung sagten; ich habe nur beigefügt, es sei mir durchaus kein Gefallen damit erwiesen, wenn sie in ihrem Urteil auf meine Person Rücksicht nähmen. Der Bote wird kaum vor zwei Monaten wieder hier sein. Vierzig Tage braucht er nämlich gut, um den Weg hin und her zurückzulegen. Vier Tage rechne ich für Rasten unterwegs. Die übrige Zeit wird die Beratung [der Wittenberger] gelassen werden müssen. Lebwohl.
[Januar 1545.]