Dem ehrwürdigen, und vortrefflichen gelehrten Herrn, Martin Schalling, Evangelischen Lehrer in der Kirche zu Straßburg, Seinem Freunde.
Unsern Gruß. Euer Brief ist mir sehr angenehm gewesen; denn ich habe daraus nicht allein eure Liebe gegen mich, sondern auch ein herzlich gut Gemüth gegen die Kirche Christi gesehen. Darum gönne ich euch hinwieder viel Gutes, und wünsche, daß Christus euern Dienst zum Heil der Kirchen regiere.
D. Luther weigert sich keiner Unterredung; denn er wünschet auch herzlich, daß doch die Eintracht der Kirchen angerichtet würde. Lasset uns mit einander zugleich bemühet seyn, die Ehre Christi auszubreiten, und lasset uns in äußerlichen Kirchenbräuchen indessen fürliieb nehmen, bis die Zeiten gestatten, daß eine bessere Zucht aufgerichtet werde. Denn die Kirche hat sich nicht jählings auf einmal und ohne großen Nachtheil aus einer so großen Finsterniß wie der Mönche ihre gewesen, so über die ganze Kirche ging, herausfinden können. Man muß aber freilich Christum anrufen, daß er uns sowohl in der Lehre als im Kirchenregiment helfe. Ich will mich nach der Gelehrten und Frommen Urtheil von Herzen gerne richten und solches annehmen, und will aus allem Vermögen dazu rathen, daß wir mit einem Sinn sowohl die gottselige Lehre immer mehr treiben, als auch die Eintracht zu erhalten und befleißigen. Ich bitte auch euch, daß ihr mit einem und dem andern Geduld habt, welches etwa bei unsrer Zusammenkunft einmal geschlichtet und in Richtigkeit gesetzt werden kann. Gehabt euch wohl. Anno 1535.
Phil. Melanthon
Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen II
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1835