Brenz, Johannes – An Kanzler G. Vogler (1529).

1 Juni 1529.

Gnad und frid von unserm Herrn Jesu Cristo zuvor, günstiger lieber Herr Cantzler. Ich schick euch hie mit meinem lieben bruder Meister Hioben der Stift und Clöster ordnung sampt angezeigten Ursachen, warumb einem ehristenlichen fürsten enderung des ungötlichen gotzdiensts furzunemen gebüre. Und wiewoll Ich mich zu solichen und andern fürtreffenlichen sachen gantz ungeschick erkenne, yedoch warin Ich meinem gnedigen Herrn und euch gehorsame underthenigkeit dienstlich erzeigen kan, will Ich nach meinem geringen Verstandt und allem vermügen allweg willig und trew erfunden werden. Es hatt mir mein lieber herr und freund Lazarus Spengler widerumb geschriben und angezeigt, wie er meine Herrn trewlich vor den Christenlichen Stenden zu Nürnberg versprochen hab, bin es hoher erfrewt worden, dann niemands achtet. Er hatt meinen herrn in seinem schreiben ein meinung angezeigt, die gefellt mir auch vast woll. Aber eins gebricht meiner person, das Ich die hertzen der menschen nit in meiner hand hab, kan Inen woll auss gottis gnad zuzeiten nach meinem bläden kindischen verstandt etwas guts fürsagen, aber Ich bin Im zu schlecht und onmechtig, das Ich Ir hertz und ginuet darauff füren und bestetigen möcht. Dann diss stück hat Im unser HERR gott allein vorbehallten, will es keinem Sündigen menschen, under welchen Ich der grost bin, gedeyen lassen. Sonst sollte schon vor langest gescheen sein, was frum leut fur nutz und gut angesehen nett. Yedoch verhoff Ich zu unserm Herrn gott, er werde die sach gwisslich auff das best richten und verordnen. Amen. Hiemit unserm HERRN gott bevolhen, wollendt auch mich in ewer gebett bevolhen sein lassen. Ich hab der ordnung halben meister Hioben ein underricht geben, wo mein gschrifft unverstentlich were, wurdt er euch darin mein meinung erkleren etc. Datum zu scheffischen hall am ersten tag Junii Anno XXIX.

Johan brentz ewer williger und gehorsamer alzeit .

Lieber Herr Cantzler, nach dem Ich disen brieff geschriben, Ist mir ewer anderer brieff bey herrn Wilbolden zuckommen, und wiewoll mir darauss mein kummer gemehret, yedoch bin Ich erfrewt worden, das Ir dannocht meine herrn lasst Nicodemisch bleiben. Ich nim das wort (Nicodemus) für mich an. Dann ob woll Nicodemus erstlich heimlich in der nacht zu Christo gieng und vor forcht der Juden sich nitt offenlich am tag dorfft geben, aber doch, da alle Junger von Christo abtrünnig worden waren, und Christus allein von allen verlassen am creutz hienge, da tratt er sampt dem fruinmen Joseph herfur und bekant sein glauben offenlich am hellen tag mit abnemung des leibs Christi von dem Creutz. Wie wan unser HERR gott meinen herrn so gnedig sein wurdt, das sie aller *weiss Nicodemo nachfolgten. An meinem fürbitten, wo eins sündigen menschen gebett etwas von gott erlangen möcht, soll es nit feelen. So verhoff Ich, Ir und all frum Christen sollen fiir meiner herrn bestendigkeit und für mich zu bitten auch fleiss ankeeren. Dann dweill der menschen hertzen nitt in meiner hand oder gwallt steen, so weiss Ich yetz nit weiter zu thun dann meine Augen zu unserm Herrn gott auffzuheben. Bin auch guter zuversicht, er werde die sach nach unser Seel heill am geschicksten vobbringen. Datum ut supra.

Quelle:
Anecdota Brentiana Ungedruckte Briefe und Bedenken von Johannes Brenz. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Archidiaconus in Tübingen. Tübingen, 1868. Verlag von J.J. Heckenhauer.