Berthold Haller – Aus einem Brief an Zwingli

7.10.1528

Unser Rath ist zerstreut, angeblich der Weinlese wegen, ganz stumpf, auf evangelischer Seite durchaus rath- und hoffnungslos, während die Gottlosen flüstern, hohnlachen, voll Hoffnung, jetzt, jetzt sei ihr Messias gekommen. Die Bürger murren, bedauern, klagen, aber ohne rechten Eifer, ohne Rath, ohne Einsicht. So matt ist hier das Christenthum. Wir Diener des Wortes erheben unsre Stimmen, wir drängen, mahnen, flehen, schildern unwidersprechlich die Gefahren und was redlichen Männern gezieme, kurz Alles; allein wir predigen tauben Ohren! Ja sogar schreien die Gottlosen uns als Unruhstifter aus, weil wir nicht ablassen den Rath und das Volk gegen sie anzutreiben. Sieh, theuerster Freund, das sind Trübsale, die meine Seele bis inst tiefste Innerste verwunden!

Quelle:
Berthold Haller
Nach
handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen
von Carl Pestalozzi.
Elberfeld.
Verlag von R. L. Friderichs.
1861