Luther, Martin – An Spalatin. 7. März 1522

Der leidige Satan hat in meiner Abwesenheit allhie zu Wittemberg in meiner Hürden viel Böses versucht anzurichten, und dermaßen, daß schwer willseyn, ohn Aergerniß beyderseits, solchem Unrath zu begegnen. Derhalben sehet zu mit allem Fleiß, daß ihr ja nicht gestattet, etwas Neues zu nehmen und anzufahen in der Kirchen, auch mit ander LEute Rath und Bewilligung. Was die Unsern, vom Satan getrieben, allhie sich unterstander haben, mit Gewalt in der ersten Brunst hinaus zu führen, soll allein durchs Wort widerfochten, verlegt, umbgestossen und abgethan werden.

Ich verdamne als ein Greuel der Papisten Messe, daraus sie ein Opfer und gut Werk machen, dadurch der Mensch Gott versühnet wird. Ich aber will nicht Hand anlegen, noch Jemand, so ohn Glauben ist, bereden, vielweniger zwingen, daß er sie selbs mit Gewalt abthue. Allein treibe und verdamne ich solchen Mißbrauch der Messen durchs Wort. Wers gläubt, der gläube es, und folge ungenöthiget; wers aber nicht gläuben will, der lasse, und fahre imer hin: denn niemand soll zum Glauben, und was den Glauben belanget, gezwungen, sondern durchs Wort gezogen und gewonnen werden. Wer alsdenn ungezwungen gläubet, wird willig folgen.

Ich verwerfe auch die Bilde, die man ehret, aber durchs Wort; treibe die Leute nicht, daß sie sie verbrennen sollen, sondern daß sie ihr Zuversicht und Vertrauen nicht drauf setzen, wie bisher geschehen, und noch geschieht. Sie würden wohl von ihnen selbs fallen, wenn das Volk recht durchs Wort unterweiset, wüßte, daß sie für Gott nichts sind, noch gelten.

Also verdamne ich auch des Pabsts Gesetze von der Ohrenbeicht, vom Gebot, zum heiligen Sacrament zu bestimpter Zeit zu gehen, vom Gebet und Anrufen der Heiligen, ihnen zu feiren und fasten. Ich thue es aber mit und durchs Wort, daß ich die Gewissen frey mache, und von solchen Stricken erledige. Wenn das geschieht, stehets denn bey ihnen, daß sie derselben entweder brauchen umb der Schwachen willen, die noch dran hangen und drinnen verwirret sind, oder nicht brauchen, wo sie und andere stark sind: daß also die Liebe herrsche und Oberhand behalte in diesen und dergleichen äusserlichen Werken und Gesetzen.

Nu aber beleidigen mich am meisten unsere Leute, (sampt dem gemeinen Pöbel, den sie an sich ziehen), os das Wort, den Glauben und Liebe fahren lassen; allein daher sich Christen rühmen, daß sie (nicht ohn groß Aergerniß der Schwachen) Fleisch, Eyer, Milch ec. essen, das Sacrament selbs angreifen und brauchen, nicht fasten noch beten dürfen. Nach solcher Weise das Volk zu lehren, Lieber, enthaltet euch. Mit dem Wort sollen zwar diese Mißbräuch alle gestraft werden; die Herzen aber sollen sein mählich und säuberlich, wie die Heerde Jacob, getrieben werden, 1 Mos. 33, (14), daß sie willig und ungenöthigt das Wort zuvor einnehmen und fassen, und mit der Zeit im Glauben gestärkt, alles ungezwungen thun, was sie sollen.

Solchs euch zu erinnern, ist zwar ohn Noth; doch kann die Liebe, ihrer Art nach, diesen Dienst und Ampt dem Nähesten zur Vermahnung und Besserung nicht unterlassen. Gehabt euch wohl, und haltet fest am Beten, daß das liebe Evangelion rein gelehret und ausgebreitet werde, und immer zunehme. Freytags nach Esto Mihi, Anno MDXXII.

Quelle:
Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und Bedencken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Professor der Theologie zu Basel. Zweyter Theil. Luthers Briefe von seinem Aufenthalt auf Wartburg bis zu seiner Verheurathung Berlin, bey G. Reimer 1825