Heil! Mein lieber Spalatin. Ich freue mich gar sehr und danke meinem Gott, daß meine Sache dahin gediehen, daß meine Feinde nunmehr sowohl die Lehre von beiderlei Gestalt, als auch meine Familie verlästern und alles Andere darüber vergessen. Durch die große Barmherzigkeit Christi, die sich an mir Unwürdigen offenbart, lebe ich der Hoffnung, daß ich nicht werde verloren gehen um irgend einer Lehre willen, die von Wichtigkeit ist, als da sind: vom freien Willen, von der Gnade, von den Schlüsseln der Kirche. Denn hie scheinen meine Feinde an mir zu verzweifeln, weil sie nun nach so lächerlichen Dingen fahnden.
Von meiner Familie wird niemand gewissere Nachricht geben können, als die Grafen von Mansfeld. Und ich achte, diese Helden haben noch soviel Ehre und Ansehen im Reich, daß ihr Zeugniß Glauben verdient. Uebrigens bin ich zu Eisleben geboren und eben dort in St. Peters Kirche getauft worden. Darauf weiß ich mich zwar nicht zu besinnen, aber ich glaube es meinen Aeltern und Andern in meiner Heimath. Meine Aeltern sind von einem nahe bei Eisenach gelegenen Ort dahin gezogen. Denn in Eisenach wohnt fast meine ganze Verwandtschaft. Denselben bin ich dort bekannt gewesen und bin es noch, als der ich allda vier Jahre lang dem Studiren obgelegen. Es kennt mich auch keine Stadt besser als diese. Und ich glaube, sie würden so einfältig nicht gewesen sein, daß der eine des Luthers Sohn für seinen Enkel, der andere für seiner Mutter Bruder, noch ein anderer für seiner Schwester Sohn – dergleichen Anverwandte ich dort viele habe – gehalten hätte, wenn sie gewußt hätten, daß mein Vater und Mutter Böhmen waren und ganz andre Leute, als die bei ihnen sind geboren worden. Meine Jugend habe ich aus der Universität zu Erfurt und im Kloster gelebt, bis ich nach Wittenberg bin kommen. Zu Magdeburg habe ich auch ein Jahr, als ich vierzehn alt war, zugebracht.
Da habt ihr meinen Lebenslauf und meine Verwandtschaft. Ich wollte aber lieber, gleichwie Christus vor Herodes und Hannas, von dieser Sache gar schweigen. Auf daß jene thörichten Menschen glaubten, was sie wollten, und was ihnen ansteht, bis sie einmal schamroth werden. Es ist ein Geschlecht, das sich weder durch Pfeifen noch Klagen bewegen läßt, dem zu helfen sich jedermann vergeblich bemüht. –
Ich habe mich dahin gegeben als ein Opfer im Namen des Herrn. Sein Wille geschehe. Wer hat ihn darum gebeten, daß er mich zum Doctor machen sollte? Hat er mich dazu gemacht, so mag er’s sich gethan haben: oder gereut es ihn, so schlage er’s wieder nieder. Diese Trübsal macht mich so gar nicht verzagt, daß sie vielmehr den Segeln meines Herzens unbeschreiblich große Hoffnung giebt und ich nun an mir selbst erfahre, warum in der Schrift die Teufel mit den Winden verglichen werden. Denn indem sie den Wind ihrer Wuth und Raserei von sich blasen, so blasen sie Andere, die sich geduldig darein schicken, auf und machen sie muthig.
Nur daran ist mir gelegen, daß mir der Herr in meiner Sache, die ich für ihn führe, seine Gnade schenke und darin werdet auch ihr mir, soviel ihr könnt, helfen. Der Menschen Sache aber laßt uns in gläubigem Gebet Gott anbefehlen und dabei ohne Kummer und Sorge leben. Was können Menschen uns thun? Tödten sie uns? So können sie uns doch nicht wieder lebendig machen, um uns noch einmal zu tödten; schreien sie uns als Ketzer aus? ist doch auch unser lieber Herr Christus unter die Uebelthäter, Verführer und Gotteslästerer gerechnet und zum Tode verdammt worden. Betrachte ich sein Leiden, so kränkts mich sehr, daß meine Versuchung von so vielen und großen Leuten nicht für eine kleine, sondern für eine gar große angesehen wird, da sie doch in der That für nichts zu achten ist. Wo kommts anders her, als weil wir uns ins Leiden und Ungemach, das ist in das Christenleben gar nicht schicken wollen.
Laßt es also sein: Je gewaltiger mir meine Feinde zusetzen, desto sorgloser will ich ihrer spotten. Ich habe es bei mir beschlossen, in diesem Leben Nichts zu fürchten, sondern Alles Nichts zu achten. Und wo ich nicht besorgte, ich möchte den Fürsten mit hineinflechten, so wollte ich eine getroste und glaubensvolle Schutzschrift ausgeben, dieser höllischen Plaggöttinnen spotten und ihre unsinnige Wuth gegen mich noch mehr reizen. – Gehabt euch wohl und betet für mich. 14. Januar Anno 1520.
Martin Luther, Augustiner.
Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867