Luther, Martin – An Andreas Carlstadt (März 1519)

Heil! Fürtrefflicher Mann. Unser Eck hat einen Zeddel ausgehen lassen, darinnen er mit prächtigen und hochtrabenden Worten prahlt – wie seine Art ist – , daß er in Leipzig wider euch disputiren wolle. Und das hatte ich mit ihm gehandelt in Augsburg, ob etwa euer Streit durch ein freundlich und vertraut Gespräch beigelegt werden könnte; was auch ihr eurer nicht unwürdig achtet. Aber siehe, der Mensch, der so schön an sein Wort gedenkt und so wahrhaftig ist, nachdem er euch schändlich geschmäht, verspricht es zwar euch, laßt aber seine Frösche oder Mücken auf mich los.

Ich dachte es würde ein rechter Tractat sein von euern wichtigsten und ernsthaftesten Sachen, von der Gnade Gottes, von menschlichem Elend, und von dem, worüber ihr streitet. Aber mein Eck greift indessen meine Kleinigkeiten an, oder scherzt vielmehr nach Art dieser Tage ^) mit Larven, bringt die närrischen Fragen vom Ablaß fast wieder aus dem Abgrund hervor, und kommt auf das eure, wie auf Nebendinge nur gleichsam obenhin. Vielleicht hat der Heilige Geist dieses Menschen Possen und Geplauder vorher gesehen und den fürtrefflichen Herrn Doctoren der Leipzigischen Universität in Sinn gegeben, daß sie dieß Geschäfte nicht bei sich haben wollen handeln lassen.

– Darum, mein lieber Eck, gebe ich euch keine eitle Ehre schuld, daß ihr diesen Zeddel habt ausgehen lassen, ehe ihr Nachricht gehabt, was die von Leipzig in der Sache thun würden: noch auch, da ihr von mir vernommen, daß sie wirklich nicht wollten, daß ihr etwa gedacht hättet aus Dampf und aus einer Disputation, die nimmermehr geschehen würde, Ruhm zu erjagen. Ich werfe euch auch nicht vor, daß ihr dem Doctor Carlstadt tückisch und Unsreundlich, ja untheologisch fremde Sätze vorgerückt, welche ihr wußtet, daß er sie für die seinen nicht erkennen würde, damit ihr nochmals ein Siegsgeschrei über solchen Mann zu erheben gedachtet; ich beschwere mich auch nicht, daß ihr aus schändlicher Heuchelei gegen den Papst abermal Mährlein von mir erzählt und neue, von euch erdichtete Irrthümer mir wieder auf den Hals gewälzt und euch doch gestellt habt, als wenn ihr kein Masse getrübt hättet. Wir vertragen das von einem Theologo. Nur das wollen wir zeigen, daß wir eure übel ausgesonnene Ränke und eure schlecht versteckte Händel wohl verstehen und euch gütlich warnen, daß ihr hinfort zu euren Ehren uns nicht mit so grober List Nasen drehen oder ein Bein unterschlagen wollet: ihr könnt diese bauernhafte und merkliche Schalkheit oder Klugheit für eure tölpischen Sophistengesellen sparen.

Unterdessen seid ein Mann und gürtet euer Schwert um die Seite als ein Held. Denn nachdem ich mich eures Friedens halber vergeblich bemüht, werde ich vielleicht als ein Mitstreiter willkommen sein. Nicht daß ich siegen wollte, sondern daß ich euch nach euren Pannonischen, Longobardischen. Bayerischen Siegen (wo wir euch glauben,) eine Gelegenheit gebe, den Ruhm zu gewinnen, daß ihr auch der Sächsische und Meißnische Siegesfürst und wo ihr wollt, allzeit Mehrer des Reiches heißet in Ewigkeit.

Aber mein lieber Andreas, ich wende mich wieder zu euch, und bitte, daß ihr mit mir an den Durchlauchtigsten Fürsten, Herzog Georgen, und den hochweisen Rath in Leipzig schreibet, ob sie uns die Gnade und Gunst erzeigen wollten, uns auch nur ein weltlich Haus zu dieser Sache einzuräumen. Denn die fürtrefflichen Herrn Doctores von der Universität will ich gar nicht mit der Gefahr des Richteramts beschweren, welches sie auch ganz klüglich abgelehnt haben.

Wir wollen es vielmehr so thun, daß wir zwei Notarien mit uns bringen, sowohl Eck als Luther; und wenn andre mehr dazu reden wollen, können sie ihre Gründe und Beantwortungen den Notarien zum Aufschreiben vorsagen. Das thue ich darum, damit uns nicht die schändliche Prahlerei und die vergebliche Mühe begegne, die in der Wienerischen Disputation Eckens zu sehen: und daß auch das Geschrei und tolle Gefechte mit Händen, dadurch die Streiter unsrer Zeit zu toben und die Wahrheit zu verderben pflegen, verhindert werde: hingegen Alles, so viel möglich, in Schriften still und bescheiden zugehe und alsdann also schriftlich verfaßt dem apostolischen Stuhl, den Bischöfen und der ganzen Christenheit zum Urtheil überreichet werden könne.

März 1519
Bruder Martin Luther, Augustiner.

Quelle:
Hase, Carl Alfred - Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867