Calvin, Jean – An Frau de Falais in Straßburg.

Herr und Frau de Falais hatten sich zur Übersiedlung nach Genf entschlossen; Calvin hatte ihnen bereits für eine Wohnung gesorgt, als Herr de Falais durch längere Krankheit in Straßburg an der Weiterreise verhindert wurde. Herr David de Busanton war in Genf gestorben.

Glückwunsch zur Genesung des Herrn de Falais.

Mademoiselle, da ich schon zwei paar Briefe von Ihnen erhalten habe, ists wohl recht, dass Sie auch wieder einmal wenigstens einen von mir als Belohnung erhalten. Ich bitte Sie aber, nehmen Sie es nicht so streng mit mir in diesem Stück. Denn der Überbringer dieses Briefes hatte versprochen, mich zwei Tage vor seiner Abreise zu benachrichtigen, und hat dann doch rascher abreisen müssen, als er dachte, so dass ich nicht, wie ich hoffte, Muße zum Schreiben fand. Aber ich will keine längern Entschuldigungen machen, da ich glaube, Sie werden es nach Ihrer Klugheit annehmen, wenn ich auch nur ein Wort darüber sage. Übrigens haben Ihre Brief mich doppelt gefreut; das brauche ich Ihnen nicht als etwas Neues zu versichern, Sie können sichs wohl denken, ohne dass ichs sage; weil es nämlich unserm lieben Gott gefallen hat, Ihren Herrn Gemahl von so böser Krankheit wieder genesen zu lassen, und weil er sich nun wohler fühlt als vor diesem angreifenden Übel. Daraus können wir lernen, dass wir es nicht für sonderbar halten dürfen, wenn der liebe Gott Heimsuchungen des Leibes zum Heil der Seele braucht, wenn er ja schon das Leiden des Körpers zur völligen Gesundung wendet. Wir müssen ihn nur noch bitten, dass er nun, da er begonnen hat, Ihrem Herrn Gemahl die Gesundheit wiederzugeben, sie auch ganz fest machen wolle und ihm einen so kräftigen Leib gebe, dass er fähig sei, sich recht zu rühren, als Entgelt für die lange Zeit der Gefangenschaft, in der er ein Vierteljahr verbringen musste.

Ich sende Ihnen die Briefe, die die Schwester des Herrn David ihm geschrieben hat, nicht als ob sie Ihnen Trost bringen könnten, sondern nur, weil ich dachte, es wäre Unrecht, sie zu vernichten. Ich hoffe, dass wir, so Gott will, durch den Diener des Herrn Bernardino [Occhino] bestimmtere Nachrichten, sowohl von dem Befinden Ihres Herrn Gemahls, als auch dem Ihrigen, erhalten werden, und auch von Ihren Reiseplänen, damit wir wissen, auf wann wir den Holzvorrat besorgen sollen, denn mit dem Buchenholz ist man noch im Rückstand. Freilich, wenn Sie die Pest sehr fürchten, so wäre das ein Grund, Sie noch zögern zu lassen. Trotzdem versichere ich Sie, Sie brauchen sich nicht an das Gerücht zu halten, das alles hundertfach übertreibt gegenüber der Wirklichkeit.

Nun will ich, mich Ihrer und Ihres Herrn Gemahls Gunst ergebenst empfehlend, den Vater im Himmel bitten, Sie beide im guten Wohlsein zu erhalten, Sie zu erfreuen durch seine Gnade, Ihren geistliches Genügen zu schenken, das Sie frei macht von allem irdischen Leid und Sie immer würdiger zu machen im Dienst der Ehre seines Namens. Amen.

Genf, 15. August.
Ihr Diener und ergebener Bruder auf immer
Johann Calvin.

Calvin, Jean – An Frau de Falais.

Falais´ Gemahlin, Yolande de Brederode, scheint noch mehr der Reformation zugetan gewesen zu sein als ihr Gatte und den Plan zur Auswanderung veranlasst zu haben.

Von der Pflicht, ihren Mann zur Auswanderung zu ermuntern.

Mademoiselle und geliebte Schwester, ich habe Ihnen eben nicht sehr viel zu schreiben, als Sie wissen zu lassen, dass ich Ihren Brief erhalten habe. Er hat mir viel Anlass geboten, unserm Herrn zu danken für die Gnade, die er Ihnen erwiesen, und besonders dafür, dass er Sie so bereitwillig gemacht hat, alles zu verlassen und zu verleugnen, um sich ganz seinem Dienst hinzugeben. Das ist freilich etwas, was wir alle tun sollten ohne Widerspruch, und sogar die erste Aufgabe unseres Christentums. Aber die meisten erfüllen sie schlecht. Ich lobe drum unsern Herrn, der Sie doch hat merken lassen, dass die Ehre seines Namens es wert ist, der ganzen Welt vorgezogen zu werden, und gleichermaßen, welches Glück es ist, ihm dienen zu können mit ruhigem Gewissen, sodass Sie das für den größten Schatz halten, der Ihnen zufallen könnte. Sie noch viel zu ermahnen, wäre, da Sie schon so ganz entschlossen sind, überflüssig, wie mir scheint; es sei denn, dass ich mich bemühe, Sie in Ihrem heiligen Vorsatz zu bestärken. Nun ich hoffe, unser Herr werde nicht einen solchen heißen Wunsch in Ihnen entzündet haben, ohne Ihnen auch die Gnade zu verleihen, dahin zu kommen, wohin er Sie treibt. Ja, da er uns einen so schönen Anfang hat sehen lassen, müssen wir auch umso mehr ihm vertrauen, dass er es vollenden wird.

Wahr ists, dass Sie nach unserm menschlichen Urteile manche Schranken um sich haben, Die Sie hindern könnten, und der edle Herr seinerseits noch mehr. Wappnen Sie sich aber mit der Kraft unseres Herrn, so werden Sie alle Schranken leicht und rasch übersteigen und darüber wegkommen ohne Schwierigkeit; freilich nicht ohne Schwierigkeit nach dem Fleisch, aber so, dass Sie die Wahrheit des Wortes erkennen, da der Prophet sagt: Der Herr wird meine Füße machen wie Hirschfüße [Hab. 3, 19]. Nur geben sie Acht, dass der Eifer nicht erkaltet, den der Herr Ihnen gegeben hat, sondern denken Sie vielmehr daran, dass er Sie antreibt und zur Eile mahnt. Finden Sie aber irgendwelche Schwäche in sich, so beten Sie zuerst zu ihm, er möge den Fehler bessern, und kämpfen Sie Ihrerseits dagegen an, um ihn zu überwinden. Beten Sie zweitens zu ihm, dass, wenn er sie zu zaghaft im Weiterschreiten findet, er Sie bei der Hand nehme und fast mit Gewalt losreiße. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Sarah unserm Vater Abraham eine starke Hilfe war, als er sich auf den Weg machen musste. Folgen Sie ihr, als eine ihrer Töchter. Denn wir sehen, was es heißt, zurückzuschauen, am Beispiel von Lots Weibe. Freilich bin ich überzeugt, dass Sie nicht die Hand an den Pflug gelegt haben, um dann doch wieder zurückzusehen.

Brächte ein fremder Bote Ihnen diesen Brief, so würde ich vielleicht noch mehr schreiben. Wenn aber der Bote selbst ergänzen kann, was im Briefe fehlt, so darf man ihm nicht die Unehre antun, alles zu schreiben, was man sagen möchte, wie denn er nicht auch einen Mund zum Sprechen hätte. So will ich denn diesen Brief schließen, mich Ihrem Wohlwollen herzlich empfehlend, mit der Bitte, unser Herr wolle sein Werk an Ihnen fortsetzen, Sie führen durch seinen heiligen Geist zur Erkenntnis seines Willens und zum Gehorsam, auch wolle er Kraft und Klugheit schenken dem, der Ihr Führer sein und durch sein Vorangehen Sie zur Nachahmung seines Beispiels ermuntern soll, und auch Ihnen die Gnade verleihen, Ihrem Manne eine Hilfe zu sein, nach seinem Gebot. Ich warte auf die Rückkehr des guten Herrn, der Ihnen diesen Brief bringt, nicht ohne den innigen Wunsch, Sie selbst einmal zu sehen.

Den 14. Oktober [1543].
Ihr Diener, untertäniger Bruder und Freund
Charles d´ Espeville.