Calvin, Jean – An Melchior Volmar in Tübingen.

Volmar (vgl. 175) hatte Calvin für ein ihm gesandtes Werk das Geld geschickt, wofür dieser den Brief adressierte Meliori Volmario. (dem bessern, mehr als guten Volmar). Der Gestrenge, den Calvin nennt, ist wohl Brenz, den Calvin von Worms her kannte. Der Theologe Frecht (vgl. 32) war Stiftsephorus in Tübingen; auch Vergerio wirkte dort als Professor, und suchte beim Herzog die Berufung des Matteo Gribaldi als Professor der Rechte durchzusetzen.

Von Brenz, Frecht, Vergerio und Gribaldi.

Du handelst nach deiner Art, indem du etwas Papierenes mit Gold aufwiegst. Willst du etwa dadurch mir die Türe schließen, damit ich dir nicht weiter mit langweiligem Lesestoff zusetze? Denn ich weiß wohl, wenn es dir auch freisteht, meine Bücher wegzulegen, ohne dich damit zu plagen, so lässt es doch dein Freundessinn gegen mich nicht zu, sie ganz ungelesen zu lassen. Da du diesen Trieb kennst, willst du nun vielleicht verhüten, dass ich dir auch fernerhin diesen Lesestoff aufdränge. Doch hilft dir dieser Kunstgriff nichts, weil mit diesem schon wieder ein neues Buch anrückt, doch mit der bequemen Bedingung, dass du es wegwerfen darfst, wenns dir nicht beim ersten Probieren gefällt. Für den Gulden sage ich dir indessen Dank, und zwar ganz außerordentlichen, wie dir ja gewiss auch schon meine Adresse zeigt, dass dein Geschenk etwas Seltenes war.

Wegen eines an Euren Gestrengen zu schreibenden Brief verstehe ich deine Meinung wohl, auch wenn du sie nicht aussprichst. So wird’s also besser sein, nichts zu unternehmen, bis er ein wenig milder geworden. Einst, als er in mündlichem Verkehr mit mir stand, muss seine wilde Art geruht haben; aber von dir als einem Freunde vorsichtig gewarnt, will ichs nicht drauf ankommen lassen, dass er mir grob antwortet. Ich höre auch, Frecht solle ärgerlich gesagt haben, durch meine Schuld sei der neue Brand entstanden in der Sakramentsfrage, und das, weil ich unsere Lehre nüchtern und maßvoll gegen das aufdringliche Geschrei von ein paar Leuten zu verteidigen gewagt habe. Die Leute sind doch wunderlich: kein noch so wütender Angriff auf uns gibt ihnen Anstoß, wenn aber wir für die Wahrheit nur ein Wörtlein sagen, so sind sie empört über diese Friedensstörung. Auch Vergerio macht sich zu ihrem Herold, um sich bei ihnen in Gunst zu setzen. Ich aber habe längst gelernt, von ungerechtem Urteil unabhängig zu bleiben und mehr darauf zu achten, was das gemeine Wohl der Kirche erfordert; was sie dann von mir denken und reden, kümmert mich nicht. Doch möchte ich, Frecht wäre gerechter, und kann ich ihn irgendwie mit meinem Tun aussöhnen, so will ichs nicht lassen; melde mir nur, wie du darüber denkst. Vergerio regt mich nicht so sehr auf, dessen Eifer ja ganz recht wäre, wenn er sich nicht durch seinen hitzigen Tätigkeitsdrang zu mancher Torheit verleiten ließe; indem er wenigstens den Schein einer Tätigkeit begehrt, verzehrt er sich in seiner Unruhe, ohne Lob und Erfolg zu ernten. Es ist ihm eben eine gewisse allzu große Geschmeidigkeit angeboren, die ihn so biegsam macht, dass er seine Meinung oft wechseln muss. Ich weiß, ich schreibe damit nichts, als was du selbst schon im Verkehr mit ihm erfahren hast. Doch ist es mir lieb, es dir einmal vertraulich ans Herz legen zu können, schon darum, dass, falls Gribaldi nach Tübingen kommt, dem Vergerio seine Oberflächlichkeit keinen Streich spielt. Ich will jetzt gar nicht darauf eingehen, warum er den Gribaldi berufen und in die Gunst des Herzogs bringen will. Es klingt zwar recht schön, den um des Evangeliums willen aus Venedig vertriebenen Mann aufzunehmen; aber wenn du es mir nicht glaubst, so werden es bald die Tatsachen zeigen, dass Vergerio, der nicht aus eigner Kraft dastehen kann, sich auf diesen bösen Helfer stützen will, um nicht zu fallen. Doch er täuscht sich; denn in Gribaldi bekommt er keine feste Säule, vielmehr werden beide sich gemeinsam ins Verderben ziehen, indem jeder lastend am andern hängt.

Über Gribaldis Art brauche ich dir eigentlich meine Meinung gar nicht auseinanderzusetzen; du wirst in deiner großen Klugheit gleich durchschaut haben, wie stinkend sein Beifall ist, wenn er schmeicheln will, wie frech er seine Person zur Schau trägt, wie töricht er prahlt, wie ungeheuerlich er bramarbasiert und schließlich doch nur als eine Null erscheint. Wäre er aber nur nichts Schlimmeres als eine Null! Denn obwohl nur leicht von der gewöhnlichsten Bildung beleckt und schwach begabt mit Urteilskraft, maßt er sich doch soviel an, dass ers wagt, die wichtigsten Glaubenssätze des Christentums umzustoßen. Er bekennt sich zwar dazu, Christus sei Gott; aber dass er eines Wesens mit dem Vater sei, leugnet er, so dass, wenn er Gott ist außerhalb Gottes, notwendig zwei Götter sein müssten. Mit solchen Phantastereien in der Kirche Verwirrung zu stiften, macht diesem Wahnwitzigen kein Bedenken, obwohl er nicht einmal den Namen Christi richtig schreiben kann. Denn ich könnte dir einen von ihm selbst geschriebenen Aufsatz zeigen, in dem er stets Cristus schreibt. Doch vielleicht ists besser, ich schweige, damit es nicht scheint, ich wolle mich für ein mir persönlich angetanes Unrecht rächen; wollte er das behaupten, so wäre es mir leicht, es als Verleumdung zurückzuweisen. Übrigens will ich jetzt auch aus einem andern Grunde aufhören, nämlich, um dich nicht mit einer langen und langweiligen Erzählung zu überschütten, ehe ich weiß, ob die Geschichte, die ich dir erzähle, überhaupt der Mühe wert ist. Denn aus deinem Brief an unsern lieben Beza weiß ich, dass ich dir nicht neue Mühe machen sollte, da du in Tübingen schon Schweres und Ärgerliches genug zu tragen hast. Doch das ist jetzt die Lage der Knechte Gottes überall, so dass dich nicht nur die Sorge um deine Person quälen muss, wenn dir die Bösen feindselig gesinnt sind. Wie schändlich und grausam mich seit einem ganzen halben Jahr die geplagt haben, denen es eher anstand, mir in meinem Wirken Handreichung zu leisten, das will ich dir gar nicht ausführlich berichten, um dich nicht traurig zu machen. Höre nur in ein paar Worten, was es ist: ein paar windige Gesellen, die mich bekämpften, sind von fast allen Ständen darin unterstützt worden, mich unterzukriegen; ich dagegen bin von beinahe allen schmählich im Stich gelassen worden. Umso größeres Lob verdient die fast unglaubliche Standhaftigkeit der Kirche von Lausanne, die unter der Führung unsrer beiden Freunde [Viret und Beza] den Angriff so tapfer aushielt, als stünde jeder von ihnen an meiner Stelle. Indessen hat unserer Stadt Genf eine Verschwörung in ihrem Innern fast den Untergang gebracht. Doch ich schreibe darüber nicht ausführlicher, weil ich denke, du bist über die Hauptsachen bereits durch unsern lieben Beza unterrichtet. Lebwohl, edelster und stets von Herzen verehrter Mann.

Calvin, Jean – An Professor Melchior Volmar in Tübingen.

Melchior Volmar von Rottweil war in Bourges Calvins Lehrer im Griechischen gewesen. 1535 wurde er nach langem Aufenthalt in Frankreich als Professor der Rechtswissenschaft nach Tübingen berufen; Calvin widmete ihm seinen Kommentar zum 2. Korintherbrief mit folgender Dedikation.

Dank an den einstigen Lehrer.

Wenn du mich nicht nur der Trägheit, sondern sogar der Unhöflichkeit anklagst, weil ich so lange schon nicht mehr an dich geschrieben hatte, so muss ich gestehen, dass ich eigentlich gar keinen Entschuldigungsgrund habe. Denn wenn ich auch vorbringe, wir seien soweit voneinander entfernt, und ich habe seit fünf Jahren niemand zur Hand gehabt, der nach Tübingen reiste, so wäre das zwar ganz wahr, doch wie ich selbst zugebe, eine allzu schwache Ausrede. Deshalb schien mir nichts besser, als dir dafür einen Ersatz zu bieten, der gut macht, was ich bisher an dir gefehlt habe, und mich so mit einem Male von aller Schuld befreit. Sieh, da hast du also einen Kommentar zum zweiten Brief Pauli an die Korinther, den ich mit möglichstem Eifer ausgearbeitet habe. Denn ich zweifle bei deiner Einsicht gar nicht daran, dass dir das als ausreichender Ersatz gelten wird. Freilich, auch andere und wichtigere Gründe bewegen mich, dir das Werk zu widmen. Erstlich die Erinnerung an die Freundschaft, die mich erst ja nur ein klein wenig mit dir verband, bis du sie so treu pflegtest und mehrtest, an die große Bereitwilligkeit, mit der du dich selbst und jeden Dienst mir widmetest, wenn du Gelegenheit fandest, zum Beweis deiner Liebe zu mir, an den Eifer, mit dem du mir deine Hilfe zu meiner weitern Ausbildung anbotest, wovon Gebrauch zu machen mich nur ein Ruf abhielt, dem ich damals Gehorsam schuldig war. Aber nichts lebt stärker in mir, als die Erinnerung an jene erste Zeit, als ich, vom Vater geschickt, Zivilrecht zu studieren, auf dein Betreiben und in deiner Lehre neben dem Studium der Gesetze Griechisch trieb, das du damals, darob hoch gerühmt, lehrtest. An dir lags auch nicht, dass ich nicht weiter darin kam. Du hättest dich, freundlich wie du bist, nicht geweigert, hilfreiche Hand zu bieten bis ans Ziel der Laufbahn, wenn mich nicht fast von Beginn des Wettlaufs der Tod meines Vaters abgerufen hätte. Dafür bin ich dir aber nicht wenig Dank schuldig, dass ich wenigstens in den Elementen des Griechischen von dir unterwiesen worden bin, denn das hat mir später viel geholfen. So konnte ich mir selbst nicht anders genug tun, als dass ich dir so eine Art Denkmal meiner Dankbarkeit auch für die Nachwelt errichtete, durch das zugleich dir ein wenig von der Frucht deiner Mühe wieder zuströmt. Lebwohl.

Genf, 1. August 1546.