Luther, Martin – An Gerhard Vitokam

An Gerhard Vitokam von Xantis.

Gnad und Friede. Euer letzteres Trostschreiben, mein Gerhard, habe ich mit vieler Freude empfahen. Habet meinen Dank dafür. So tröst euch hinieder Christus! Es ist wahr, diese Versuchung, die mich schon von Jugend auf prüfte, ist sehr groß: allein daß sie so sehr über Hand nehmen sollte, dieses hätt ich nie geglaubt. Doch hat Christus bisher noch immer obgesieget. Ich empfehle mich Eurem und der Brüder Gebet. Andern hab ich geholfen; mir selbst kann ich nicht helfen. Hochgepriesen sey mein Christus auch mitten in Armuth, mitten im Murren wider Gott, und selbst im Tode; Er, welcher machet, daß wir einander wieder sehen drüben in seinem Reiche.

Indeß wissen wir gewiß, daß, ob wir auch noch so sehr an seinem Worte und an seinem Werke aufbauen, wir deßhalben noch nicht gerechtfertiget, sondern noch immer unnütze Knechte sind; außer daß wir uns rühmen können, wir hätten auf dieser Welt ein Christus ähnliches Leben geführt, uneingedenk der Mühseligkeiten desselben. Nun ist übrig, daß Christus unser Leben und unsre Gerechtigkeit sey; ein immer in Gott verborgenes Leben. (Ach, wie schwer, wie unbekannt den Fleische!) Es freuet mich, daß ich nun, wie Ihr selbst saget, den Petrus verstehe, daß wir eben die Leiden erfüllen, die unsern Brüdern in der Welt zu Theil werden; aber am bittersten werden sie gegen das Ende derselben. Grüßet den Montanus und alle Brüder.

Am Beschneidungstag 1528. [6.1.]

Euer
Martin Luther

Quelle:
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.