Luther, Martin – An Graf Ludwig zu Stolberg. Deutsch. Wittenberg den 25. April 1522

Gnad und Fried von Gott, Amen! Und mein unterthänige Dienst zuvor. Gnädiger Herr, es hat Philippus an mir begehrt, E.G. zu schreiben von dem Handel der Bildniß, den E.G.ihm schriftliche meldet. Und wiewohl E.G. aus meinem Buchlein gnugsam kann meine Meinung vernehmen, hab ich doch seiner Begierden und E.G. zu Dienst wollen auch meine Handschrift zusenden. E.G. glaube fürwahr, dass mir das ungeschickt Wesen mit den Bildniß nicht gefället. Und obs noch ärger Ding drumb wäre, so taug doch solche Weise, sie abzuthun, in keinen Weg. Findt man doch wohl, die Wein und Brod, Gold und Silber missbrauchen und für Abgott haben, wie Paulus Röm. 16,8: Quorum Deus venter est: sollt man darumb alle Bäuche, Gold und Wein zustechen und schänden? So müsst man auch Sonn, Mond, und Stern vom Himmel reißen, denn sie sind in der Schrift ja so hart verboten anzubeten, als kein anderes. Ja man musst auch keine Oberkeit, weder Vater noch Mutter leben lassen, denn man dieselben mit Kniebeugen ehret, gleich als Gott selber, und oft mehr sie furcht oder liebt, denn Gott selber. Fürwahr, der rechte gottl. Dienst liegt inwendig im Vertrauen und Lieben.

Wahr ists, ich wollt, sie wären aus den Kirchen: nicht des Anbetens Fahr halben, denn ich furcht, man anbete die Heiligen selber mehr, ohn denn die Bilde; sondern umb des falschen Vertrauen willen, dass man meinet, Gott ein gut Werk und Dienst daran zu thun, und Holz und Steine legt vergeblich, das man an des Nächsten Nothdurft sollt wenden.

Aber Summa, mit Predigen sollt man solches und andere Mißglauben stoßen und brechen, dass zuvor die Herzen durchs reine Evangelion wurden davon gezogen: so wurde das äußerliche Ding von ihm selbst wohl fallen, dieweil es Niemand helfet. Nu aber die Herzen noch daran hängen mit Unwissen der Fahr, so kann man sie nicht zureißen, man zureißet die Herzen auch mit. Wir sind Christen, leider! mit Bildbrechen, Fleischessen und andern äußerlichen Dingen, aber Glaub und Liebe, da die Macht liegt, will nirgen hervor. Solch mein Schreiben auf dies Mal woll E.G. mir gnädiglich zu gut halten, denn E.G. zu dienen bin ich ganz willig. Gott laß E.G. seiner Barmherzigkeit befohlen sein. Geben zu Wittenberg am Freitag nach Ostern 1522.

E.G. Diener,

Martinus Luther

Quelle:
Martin Luther Briefe In Auswahl herausgegeben von Reinhard Buchwald Erster Band Leipzig / Im Inselverlag / mdccccix