Hans Leyner von St. Gallen, als Kaufmann in Lyon wohnhaft, hatte sich der gefangenen Lausanner Studenten (vgl. 340) tatkräftig angenommen und suchte die bernische Obrigkeit für sie zu interessieren.
Dank für die den gefangenen Studenten gewährte Hilfe.
Sehr lieber Herr und Bruder, wir alle haben Grund, Gott zu danken, dass er Sie erwählt hat, unsern armen Brüdern zu helfen, die im Kerker gehalten werden von den Feinden des Glaubens, und dass er Sie so stark gemacht hat durch die Kraft seines Geistes, nichts zu diesem Zweck zu unterlassen.
Ich sage, wir haben Grund, ihm zu danken. Denn wir müssen erkennen, dass es sein Werk ist, und dass er allein es ist, der Sie geführt und geleitet hat. Und Sie haben auch Grund, sich zu freuen der Ehre, die er Ihnen erwiesen, indem er sie brauchte zu schönem, ehrenvollem Dienst und Ihnen Gnade gab, dabei helfen zu können. Denn wiewohl die armen Gläubigen, die um des Evangeliums willen verfolgt werden, verachtet und verworfen sind vor den Menschen, so wissen wir doch, dass er sie wert hält wie Kleinodien, so dass ihm nichts lieber ist, als wenn wir uns Mühe geben, sie zu trösten und ihnen zu helfen, soweit wir können. Der Herr Jesus sagt, was man einem der Geringsten unter den Seinen getan habe, das wolle er ansehen, als ob es ihm selbst getan wäre [Matth. 25, 40]. Was wird’s erst sein, wenn wir denen geholfen haben, die seinen Kampf führen? Denn die sind sozusagen seine Sachwalter, die er ernennt und anstellt zur Verteidigung seines Evangeliums. Erklärt er doch, dass ein Becher Wasser, den man ihnen gegeben hat, nicht unvergolten bleiben soll [Matth. 10, 42]. Wenn Sie also bisher den Mut gehabt haben, Gott ein solch schönes Opfer zu bringen, so geben Sie sich Mühe, damit fortzufahren. Ich weiß wohl, dass der Teufel es nicht lassen wird, Ihnen von vielen Seiten her allerlei ins Ohr zu flüstern, um Sie davon abzuziehen, aber lassen Sie Gott stärker sein als ihn, wie es die Sache wohl wert ist. Es ist gesagt, dass die, welche die Kinder Gottes in den Verfolgungen unterstützen, die sie für das Evangelium aushalten müssen, Mitarbeiter sind für die Wahrheit [Hebr. 13, 3]. Geben Sie sich mit diesem Zeugnis zufrieden. Denn es ist nicht wenig, dass Gott uns hält und anerkennt als seine Zeugen, auch wenn wir nicht selbst leiden, sondern bloß, weil seine Blutzeugen von uns Hilfe und Trost empfangen. Und ob nun schon manche Ihnen das Gegenteil behaupten, so hören Sie doch nicht auf mit einem so guten Werk, und zeigen Sie sich nicht müde auf halbem Weg. Ich bin sicher, dass Sie nicht auf Menschen schauten, als Sie damit begannen, so fahren Sie auch fort als im Dienste dessen, dem man Treue halten muss bis ans Ende. Denken Sie übrigens auch daran, wie viel gute Brüder, die Gott preisen für das, was Sie taten, Ärgernis nähmen, wenn Sie nun etwa Ihren Vorsatz änderten. Was die Gefahren angeht, von denen man Ihnen spricht, so fürchte ich nicht, dass sie eintreten könnten; denn die guten Brüder, für die Sie soviel getan haben, fühlen sich Ihnen so verpflichtet, dass sie, wenn sie in voller Freiheit wären, gern in den Tod gingen für Sie, und um so weniger also auch so feig sein können, Sie in böswilliger Absicht zu betrügen. Sie müssen auch in Betracht ziehen, dass die Gefangenen durch die Unterstützung, die sie an Ihnen haben, umso besser gestärkt werden. Denn sie zweifeln nicht daran, dass Gott Sie ihnen gesandt hat, wie es ja auch tatsächlich ist. Und das ist ihnen ein Grund, sich umso fester auf ihn zu stützen, im Blick auf die väterliche Fürsorge, die er ihnen erweist. Fassen Sie also Mut zu diesem heiligen Wirken, bei dem Sie nicht nur Gott und seinen Märtyrern dienen, sondern der ganzen Kirche. Darauf, sehr lieber Herr und Bruder, empfehle ich mich Ihnen herzlich und bitte den lieben Gott, er möge Ihnen immer mehr die Gaben und Reichtümer seines Geistes bescheren und Sie wirken lassen zu seiner Ehre, und dabei möge er Sie in seiner Hut halten.
[Genf] 10. August 1552.