Richard Lefevre, ein Goldschmiedegeselle aus Rouen, wurde in London evangelisch und kam 1544 nach Genf. 1551 wurde er in Lyon gefangen und als Ketzer zum Tode verurteilt. Er appellierte an das Pariser Gericht, wurde auf dem Transport dorthin von Unbekannten befreit, 1553 wieder gefangen und am 7. Juli 1554 in Lyon als Ketzer verbrannt. Weggelassen sind längere Anleitungen zur Verteidigung einzelner Sätze der evangelischen Lehre.
Stärkung zum Martyrium.
Geliebter Bruder, da Gott sie berufen hat, Zeugnis abzulegen für sein Evangelium, so zweifeln Sie nicht daran, dass er Sie auch stärken wird durch die Kraft seines Geistes; wie er es schon begonnen hat, so wird er es vollenden und sich an Ihnen siegreich erweisen über seine Feinde. Freilich werden die Siege Jesu Christi verachtet von der Welt. Denn während wir in Schmach sind, rühmen sich die Bösen in ihrem Stolz; aber, sei es auch, sie werden doch beschämt durch die Macht der Wahrheit, die Gott uns in den Mund gegeben hat, und wir werden gestärkt in unsern Herzen, damit wir verherrlicht werden gegen den Satan und alle seine Angriffe in Erwartung des Tages, da die Ehre Gottes offenbar werden wird zur Beschämung der Bösen und Ungläubigen. Was Sie bisher gespürt und erfahren haben von der Güte Gottes, das kann Sie festmachen in der Hoffnung, dass er Sie auch in Zukunft nicht verlassen wird. Aber bitten Sie ihn, dass er Sie immer besser merken lasse, welcher Schatz die Lehre ist, für die Sie kämpfen, damit, im Blick auf sie, Ihr Leben Ihnen nicht mehr zu kostbar erscheine. Halten Sie auch allezeit Ihre Augen erhoben auf den guten Herrn Jesus, der Ihr Bürge sein wird, da Sie nur um seines Namens willen verfolgt werden. Denken Sie an die unvergängliche Herrlichkeit, die er uns erworben hat, damit Sie in Geduld die Trübsal aushalten, in der Sie sind. Bitten Sie den lieben Gott beständig, dass er Ihnen solchen Ausgang verleihe, wie er ihn den Seinen allen verheißen hat, und dass er an Ihnen, nachdem er Ihren Glauben hat prüfen wollen, auch offenbar werden lasse die Kraft seiner Verheißungen. Und da er der Vater des Lichts ist, möge er Sie so erleuchten, dass aller Rauch, den die Bösen vor Ihnen machen werden, Ihre Augen nicht trüben könne, und alle ihre Feinheiten und Ränke Ihr Verständnis nicht verdunkle, damit Sie allezeit sehen auf die wahre Sonne der Gerechtigkeit, die da ist der wahre Sohn Gottes.
Wenn Sie auf Ihrer Gegner Gründe antworten sollen, so tun Sie gut, in aller Einfalt zu antworten, redend nach Maßgabe Ihres Glaubens, wie geschrieben steht: Ich glaube, darum rede ich [Psalm 116, 10]. Alle die Feinheiten, die die Feinde zu haben meinen, sind wahrlich nichts als lächerliche Dummheiten. Sie aber lassen sich genügen an dem, was Gott Ihnen an Erkenntnis gegeben, um reines Zeugnis abzulegen für seine Wahrheit ohne Falschheit. Denn die andern mögen lachen darüber, es wird ihnen doch wie ein Blitz sein und sie verwirren, wenn sie einmal das erkennen müssen, was in Gott und seinem Wort gegründet ist. Übrigens wissen Sie [lieber Bruder], wer versprochen hat, den Seinen Weisheit in den Mund zu geben, der alle seine Widersacher nicht widerstehen können; bitten Sie ihn, dass er Sie führe nach seinem Gutdünken. Man wird freilich deshalb nicht ablassen, Sie für der Ketzerei überwiesen zu erklären, aber so ists allen Aposteln, Propheten und Märtyrern gemacht worden. Der Gerichtsschreiber wird nur protokollieren, was ihm gut dünkt, aber deshalb wird Ihr Bekenntnis doch aufgeschrieben werden vor Gott und seinen Engeln, und er wird’s den Seinen zu gut kommen lassen, wenns nötig wird.
Ich will kurz einige Punkte berühren, mit denen man Sie zu quälen versucht. Um Ihnen zu zeigen, dass wir nicht durch den Glauben allein gerechtfertigt werden, hat man den Zacharias und andere angeführt, die gerecht genannt werden [Matth. 23, 35]. Da müssen wir nun betrachten, wie Gott sie als solche angenommen hat. Wenn es sich findet, dass er nur durch seine freie Güte ihnen verziehen hat, was ihnen vorzuwerfen war, und ihnen ihre Fehler und Laster nicht anrechnete, so ist alles Verdienst ausgeschlossen. Denn, wenn wir sagen, dass der Glaube an Christus allein uns rechtfertigt, so verstehen wir darunter zu allererst, dass wir alle verdammt sind und dass nichts als Sünde in uns ist, und dass wir nichts Gutes wollen und tun können, es sei denn, dass Gott uns durch seinen heiligen Geist regiere, als Glieder am Leib seines Sohnes. Ja selbst wenn Gott uns die Gnade gibt, zu wandeln in seiner Furcht, so sind wir doch weit davon, unserer Pflicht nachzukommen. Denn es steht geschrieben: Verflucht sei, wer nicht alles erfüllt, was befohlen ist [5. Mose 27, 26]. So bleibt uns keine andere Zuflucht als zum Blut unseres Herrn Jesu Christi, das uns rein macht und abwäscht durch seinen Opfertod, der unsere Heiligung ist. Eben dadurch nimmt Gott dann auch als angenehm an die guten Werke, die wir in seiner Kraft tun, so sehr sie immer noch befleckt und armselig sind. So ist, wer sich auf sein eignes Verdienst verlässt, in der Luft hängend, ein Spiel aller Winde. Kurz, wer irgendetwas zu verdienen denkt, macht sich einen Gott der Furcht, statt dass wir alles nehmen sollen von seiner reinen Güte. Wir sind reich und überreich an Verdienst, wenn wir in Christo sind; außerhalb seiner Gnade dürfen wir nicht denken, ein Tröpflein Gutes zu haben. Wenn die Feinde Ihnen das Wort Lohn anführen, so lassen Sie sich nicht verwirren; denn Gott gibt den Seinen Lohn, nicht weil sie es selbst verdienen, sondern in Anbetracht der Werke, die er in ihnen tut. Er hat diese Werke geheiligt durch das Blut seines Sohnes Jesu Christi, damit sie davon ihren Wert bekämen. Deshalb setzt der Lohn, den Gott den Seinen verspricht, die Vergebung ihrer Sünden voraus und das Vorrecht, das sie haben, als seine Kinder gehalten zu sein. Tatsächlich heißt das Wort rechtfertigen, dass Gott uns halte wie Gerechte, um uns zu lieben, und das erreichen wir allein durch den Glauben; denn Jesus Christus allein ist der Grund unseres Heils. Freilich versteht es Jakobus anders, wenn er sagt, dass die Werke dem Glauben helfen, uns zu rechtfertigen [Jak. 2, 22. 24]; ihm bedeutet es: durch die Tat beweisen, dass wir gerechtfertigt sind. Denn er handelt nicht davon, worauf unser Heil sich gründe, und worauf wir unser Vertrauen setzen sollen, sondern nur davon, wie der wahre Glaube erkannt wird, damit keiner damit Missbrauch treibe, sich eitler Weise mit dem Namen allein brüstend. Wenn man Sie wieder über diesen Punkt belästigen will, so hoffe ich, dass Gott Ihnen geben wird, die Gegner zu besiegen.
– – Wie ich anfangs sagte: Kämpfen Ihre Feinde aus Ehrgeiz, so zeigen Sie Ihrerseits, dass es genügt, Gott die Ehre zu geben ihren Listen und Kunststücken gegenüber. Seien Sie damit zufrieden, dass Sie als Schild das einfache Bekenntnis dessen haben, was Gott Ihnen ins Herz gab. Noch weniger lassen Sie sichs kümmern, wenn die Gegner freche Verleumdungen brauchen gegen mich oder andere, da sie ja die Freiheit haben, sinnlos zu schmähen. Wir wollen geduldig alle Beschimpfung und Schmähung tragen, die sie auf uns werfen, denn wir sind nicht besser als St. Paulus, der sagte, dass wir wandeln müssen durch Schande und Schmach [2. Kor. 12, 20]. Wenn wir nur tun, was gut ist, so genügt es, uns zu entlasten, mag man auch Übles von uns reden. Ja, wenn man die Verleumdungen auf uns wirft, so dürfen wir noch Gott danken, dass wir ein reines Gewissen haben vor ihm und den Menschen und über jedem schlimmen Verdachte stehen. Wenn wir auch andrerseits arme Sünder sind, so arm, dass wir beständig deswegen seufzen müssen, so möge er doch den Bösen nicht erlauben, uns anders zu schmähen als nur durch Lügen, damit sie dadurch verurteilt werden, nämlich durch ihren eignen Mund, weil sie das bei uns zu finden meinen, was sie gar nicht so weit zu suchen brauchten, da es ihnen selbst liegt. Wir wollen uns in aller Bescheidenheit rühmen der Gnade Gottes, wenn wir sehen, wie diese armen Elenden wie Trunkene sich ihrer Schande rühmen. Tuts Ihnen weh, sie so unwahr schmähen zu hören über mich, so muss es Ihnen noch viel weher tun, sie lästern zu hören über unsern Heiland und Meister, dem alle Ehre ziemt, wenn wir mit all unserer Unschuld der Heimsuchung durch solche Trübsal gewürdigt werden.
Und nun trösten Sie sich an unserm guten Gott, der uns die Gnade gegeben hat, uns so ganz mit seinem Sohne zu vereinigen, dass alle Teufel der Hölle und alle Feinde in der Welt uns nicht scheiden können. Freuen Sie sich darin, dass Sie seinen Kampf führen mit gutem Gewissen, in der Hoffnung, er gebe Ihnen die Kraft zu tragen, was Sie leiden müssen nach seinem Willen. Wir gedenken Ihrer in unserm Gebet, wie wir sollen, den guten Gott bittend, da es ihm gefallen hat, Sie zur Verteidigung seiner Wahrheit zu brauchen, so möge er Ihnen auch alles geben, was zu einem solchen Ehrenamt nötig ist, er möge Sie stärken in wahrer Beharrlichkeit, er möge Ihnen wahre geistliche Klugheit schenken, nichts anderes zu suchen als den Sieg seines Namens, ohne Rücksicht auf Sie selbst, er möge sich so als Ihr Beschützer zeigen, dass Sie es erfahren zu Ihrem Trost und dass auch die andern es merken und sich daran erbauen. Alle hiesigen Brüder grüßen Sie im Herrn; sie freuen sich, dass er so mächtig in Ihnen gewirkt hat, sie haben Mitleid mit Ihrer Gefangenschaft und wünschen, es möge dem lieben Gott gefallen, seine Güte und Gnade über Ihnen auszubreiten.
Genf, 19. Januar 1551.
Ihr Bruder im Herrn
Johann Calvin.