Calvin, Jean – An John Knox in Edinburgh (659)

Nr. 659 (C. R. – 3377)

Vgl. Nr. 610.

Über eine ärgerliche Briefgeschichte und Knox´ allzu großen Rigorismus.

Etwa vier Monate, bevor mir dein letzter Brief gebracht wurde, hatte ich schon einen von dir erhalten, in dem du dich ängstlich entschuldigtest, als ob ich es bei der Antwort, die ich deinen Freunden und Landsleuten auf einige Fragen gab, übel genommen hätte, zweimal über dieselben Dinge befragt zu werden. Die Sache verhält sich so: hätten sie mir nicht versprochen, mein Brief komme sicher in deine Hände, so hätte ich wenigstens eine Kopie für mich behalten. Da ich aber durch ihre Schuld und ihr unbedachtes Versprechen mich zu sehr darauf verlassen hatte, und man mir dann einige Zeit nachher sagte, meine Antwort sei trotz ihrer Behauptung, es sei gar keine Gefahr zu befürchten, verloren gegangen, und man mich deshalb bat, die ganze Sache noch einmal von vorn zu beginnen, da wurde ich, – das muss ich gestehen, – ärgerlich und antwortete, ich müsste fast den Verdacht hegen, sie fragten mich nur, um mich mit List zu versuchen. Du darfst dich nicht wundern, dass ich so scharf sprach; denn ich hatte für sicher erfahren, mein erster Rat habe ihrer Ansicht nicht entsprochen. Da ich so wusste, dass sie nicht zufrieden waren, stieg in mir die nahe liegende Vermutung auf, sie hätten das ihnen nicht behagende Gutachten unterdrücken und mich noch einmal angehen wollen, um aus mir etwas herauszubekommen, was ihrem Wunsche mehr entspräche. Dass du aber hinterlistig gehandelt habest, habe ich weder gesagt noch überhaupt gedacht, und mein Ärger war überhaupt gleich verflogen, so dass eine Entschuldigung gar nicht nötig gewesen wäre. Es tut mir leid, dass das Wort, das mir entfuhr, dir so zu Herzen gegangen ist, dass du meintest, ich habe dich böser Absicht und hinterlistiger Schlauheit bezichtigt, Dinge, von denen ich dich doch ganz frei weiß; lass also die Befürchtung und Besorgnis fallen.

Nun zu deinem Brief, den mir der fromme Bruder brachte, der Studien halber hierher kam. Dass das Evangelium bei Euch so glücklich und fröhlich vordringt, freut mich natürlich gar sehr. Dass Ihr auch Kämpfe habt, ist nicht zu verwundern; dass Euch aber bisher kein Widerstand des Satans und der Bösen hinderte, in sieghafter Festigkeit auf dem rechten Wege weiter zu wandern, darin leuchtet Gottes Kraft umso heller; denn Ihr wäret zum Widerstand nicht fähig gewesen, hätte Euch nicht der vom Himmel her geholfen, der stärker ist alle Welt. In der Zeremonienfrage lässt sich dein Rigorismus, wiewohl dies vielen missfallen wird, hoffentlich doch noch mäßigen. Zwar muss man sich ja Mühe geben, die Kirche von aller Unreinigkeit zu befreien, die aus dem Irrtum und Aberglauben stammt. Auch muss man sich eifrig bemühen, die Sakramente Gottes nicht mit albernen Komödienkram zu entweihen. Immerhin mit der Ausnahme, wie du wohl weißt, dass gewisse Dinge zu dulden sind, auch wenn man sie nicht billigen kann. Dass Euer Adel durch inneren Zwist gespalten ist, tut mir natürlich leid, und mit Recht ängstigt und quält dich mehr, was der Satan so im Innern versucht, als dich vorher die Händel mit Frankreich aufregen konnten; man wird eben Gott bitten müssen, diesem Übel abzuhelfen.

Hier leben wir in großer Gefahr. Allein das Vertrauen auf Gottes Schutz macht uns frei von eigentlicher Angst, wenn wir auch nicht ohne Furcht sind. Lebwohl, trefflicher Mann, von Herzen verehrter Bruder. Der Tod deiner Frau war, – das versteht sich, – auch mir eine traurige, schmerzliche Botschaft. Du hattest eine Gattin, deren gleichen man weit und breit nicht findet. Da du aber wohl weißt, wo Trost in solchem Leid zu suchen ist, so zweifle ich nicht daran, dass du dein Unglück mit Geduld trägst. Grüße die frommen Brüder höflichst von mir; meine Kollegen lassen auch dich vielmals grüßen.

Genf, 23. April 1561.

Calvin, Jean – An John Knox in Edinburgh (610)

Nr. 610 (C. R. – 3128)

John Knox war nach Schottland zurückgekehrt, und es war dort bereits zum offenen Kampf zwischen Protestanten und Katholiken gekommen. Knox hatte an Calvin geschrieben, bedroht, wie er sagte, von den französischen Kanonen der Königin-Mutter, Maria von Lothringen. Der Drache ist der Kardinal Charles de Guise.

Ratschläge über die Taufe und die Duldung der Mönche und Priester.

Wenn ich deinen Brief, trefflichster Bruder, später beantworte, als du wohl erwartet hast, so kann mir dein Landsmann, der ihn brachte, am besten bezeugen, dass nicht Trägheit der Grund des Zögerns war. Auch du selbst weißt gut genug, wie alle Reisewege von hier nach Schottland sehr schwierig sind. Nicht nur mir, sondern allen Frommen, denen ich die Freudenbotschaft mitteilte, war es sehr lieb, von dem überreichen Erfolg deiner Wirksamkeit zu hören. Wie wir uns über einen so unglaublichen Erfolg in so kurzer Zeit wundern, so sagen wir Gott großen Dank, dessen außerordentlicher Segen sich hier in seinem Glanze zeigt. Das gibt auch allen Grund zum Vertrauen für die Zukunft und muss Euch auch fernerhin zur siegreichen Durchführung aller Kämpfe ermuntern. Da ich wohl weiß, welch energischer Mahner du bist, und welche Fähigkeit und Zähigkeit dir Gott gerade für diese Aufgabe gegeben hat, so halte ich es für überflüssig, die Brüder noch besonders anzutreiben. Indessen sind wir Eurer Gefahr wegen nicht weniger in Sorge, als wenn der Krieg uns gemeinsam gölte und, was uns einzig übrig bleibt, wir vereinigen unser Gebet mit dem Euren, der Vater im Himmel möge Eure wütenden Feinde mit Unvernunft und Blindheit schlagen, ihre Pläne durchkreuzen und all ihre Unternehmungen und Rüstungen zerstören. Tatsächlich haben sie große Mühe, eine Flotte auszurüsten, hauptsächlich weil ihnen das Geld dazu fehlt. Doch wird der Drache lieber alles durcheinander bringen, als etwas unversucht lassen.

Die Fragen, um deren Beantwortung du batest, habe ich meinen Kollegen vorgelegt, und einstimmig haben wir beschlossen, folgenden Bescheid zu geben. Die Frage, ob Kinder von Götzendienern und Exkommunizierten zur Taufe zugelassen seien, ehe die Eltern ihr Reue bezeugt hätten, ist durchaus berechtigt; denn wir müssen stets aufmerksam darauf achten, dass die Heiligkeit des Sakraments nicht verletzt wird, und das geschähe tatsächlich, wenn es ohne Unterschied auch ganz Fernstehenden gespendet oder jemand aufgenommen würde ohne richtige Paten oder mit solchen, die nicht unter die rechtmäßigen Bürger der Kirche gerechnet werden können. Weil jedoch zum rechten Gebrauch der Taufe auf Gottes Gebot zu achten ist und seine Einsetzung als die richtige Art und Weise gelten muss, so ist in erster Linie zu erwägen, wen Gott in seinem Wort zur Taufe einladet. Die Verheißung umfasst nun nicht nur die Nachkommenschaft jedes Gläubigen im ersten Grad, sondern erstreckt sich auf tausend Generationen. Daher kommts, dass die Unterbrechung im wahren Glauben, die im Papismus eingetreten ist, die Kraft und Wirksamkeit der Taufe nicht aufgehoben hat. Denn man muss auf den Ursprung schauen und Art und Wesen der Taufe nach der Verheißung abschätzen. Nun ists uns unzweifelhaft, dass die Nachkommenschaft heiliger, frommer Ahnen zum Leib der Kirche gehört, auch wenn ihre Großeltern und Eltern abgefallen sind. Denn wie es ein verkehrter, wahnsinniger Aberglaube der Papisten war, Kinder von Juden und Türken zu stehlen oder zu rauben und sie gleich zur Taufe zu bringen, so heißt es andrerseits, wo das christliche Bekenntnis nicht ganz hingefallen oder erloschen ist, die Kinder um ihr Recht betrügen, wenn man sie von dem gemeinsamen Symbol des Christentums ausschließt; denn es ist unbillig, dass, wenn Gott ihnen vor dreihundert oder mehr Jahren die Ehre erwiesen hat, sie zu Kindern anzunehmen, nun die erst darauf folgende Gottlosigkeit der Eltern die Wirkung der göttlichen Gnade unterbreche. Wie schließlich jeder in der Taufe aufgenommen wird, nicht in Ansehung seines Vaters oder diesem zu liebe, sondern wegen des ununterbrochenen Bundes Gottes, so darf ein Kind auch nicht vom Eintritt in die Kirche abgehalten werden aus Hass gegen seinen Vater. Indessen ein Gelübde ist notwendig, das geben wir zu. Nichts ist verkehrter, als in Christi Leib solche einzugliedern, von denen wir gar nicht hoffen dürfen, dass sie seine Jünger sein werden. Wenn deshalb kein Verwandter erscheint, um der Kirche ein Versprechen abzulegen und die Sorge um die Erziehung des Kindes auf sich zu nehmen, so ist die Taufhandlung eine Komödie und das Sakrament entweiht. Wenn aber ein Kind dargebracht wird mit rechtmäßigem Versprechen, so sehen wir keinen Grund, es zurückzuweisen. Dazu kommt, dass jetzt in der sich neu bildenden Kirche andere Verhältnisse sind, als in einer bereits richtig gebildeten und geordneten Kirche. Denn da die Kirche sich aus entsetzlicher Verwüstung erst wieder neu sammelt, so muss der Besitz der Taufe, wo er durch lange Zeiten bis auf uns gekommen ist, auch bewahrt werden; im Laufe der Zeit muss aber die eingerissene Zuchtlosigkeit gebessert und müssen die Eltern genötigt werden, ihre Kinder selbst zur Taufe zu bringen und in erster Linie ihr Paten zu sein. Denn wenn sogleich die höchste Vollkommenheit streng gefordert wird, so ist sehr zu befürchten, dass viele das begierig zum Vorwand nehmen, ruhig in ihrem Schmutze liegen zu bleiben. Zwar geben wir zu, dass es uns am allerwichtigsten sein muss, auch nicht um Haaresbreite von dem Gebote Gottes abzuweichen, aber wir glauben doch in Kürze gezeigt zu haben, dass, wenn wir offenbare Hausgenossen der Kirche von der Taufe ausschließen, dieses Verbot doch allzu streng wäre. Bis wir also weitergekommen sind und die Kirchenzucht volle Gültigkeit erlangt hat, sind die Kinder aufzunehmen unter der genannten Bedingung, nämlich dass die Paten versprechen, sich eine rechte, wahrhaftige Erziehung der Kinder angelegen sein zu lassen. Dabei leugnen wir freilich nicht, dass die Götzendiener, sobald ihnen ein Kind geboren wird, scharf zu ermahnen und anzutreiben sind, sich Gott in Wahrheit hinzugeben, und ebenso die Exkommunizierten, sich mit der Kirche zu versöhnen.

Dass man den Mönchen und Messpfäfflein den Lebensunterhalt aus öffentlichen Mitteln nicht schuldig ist, damit sie in unnützem Müßiggang leben können, ist sicher. Sind aber solche unter ihnen, die geeignet sind, die Kirche zu erbauen, so sollen sie zu solcher Arbeit angehalten werden. Weil sie jedoch größtenteils ungebildet sind und aller Brauchbarkeit bar, so, scheint uns, muss man menschlich nachsichtig mit ihnen verfahren. Denn wenn sie auch nicht mit Recht fordern können, ernährt zu werden, weil sie nicht für die Kirche arbeiten, so wäre es doch hart, ihnen ihren Unterhalt zu nehmen, da sie doch nur aus Unwissenheit und Irrtum in das Netz ihres Standes geraten sind und den größten Teil ihres Lebens im Müßiggang verbracht haben. Immerhin sind sie zu ermahnen, lieber durch ehrliche Arbeit ihr Brot zu verdienen, als zu verzehren, was für die wirklichen Diener der Kirche und die Armen bestimmt ist. Auch kann der Mittelweg eingeschlagen werden, dass von den fetten Pfründen ein Teil der Einkünfte zu kirchlicher Verwendung gefordert wird. Da indessen die Kirche die frommen Stiftungen durch das Ableben der derzeitigen Inhaber doch wiedererlangt, so scheint es uns nicht nötig, ihnen ihr jährliches Einkommen zu bestreiten; nur sind sie daran zu erinnern, dass sie, was sie, ohne ein Recht darauf zu haben, bisher bekamen, jetzt noch behalten dürfen, nicht weil ihre Ansprüche anerkannt würden, sondern nur, weil man sie auf ihre Bitte hin dulde. Doch sind sie auch zu ermahnen, es sich nicht allzu wohl sein zu lassen, sondern sich mit einfachem Lebensunterhalt zu begnügen und der Kirche eher zurückzugeben, was ihr gehört, als sie an gläubigen Pfarrern Mangel leiden oder diese Pfarrer selbst hungern zu lassen. Lebwohl, trefflicher Mann, liebster Bruder. Die ganze Schar der Frommen lassen wir grüßen und bitten Gott, er wolle Euch bis ans Ende leiten mit seinem Geiste, unterstützen mit seiner Kraft und Euch in seiner Hut halten.

Genf, 8. November 1559.