Calvin, Jean – An Francois d´ Andelot in Melun.

Nr. 573 (C. R. – 2923)

Vgl. 565. Zur schmerzlichen Enttäuschung aller Evangelischen hatte sich d´ Andelot bewegen lassen, einer Messe beizuwohnen; ohne dass er seinen Glauben abgeschworen hatte, galt dies bereits als Abfall und wurden von den Katholiken auch als solcher benutzt. Der Schluss des Briefes ist nicht erhalten.

Bußbrief nach d´ Andelots Abfall.

Monsieur, ich hätte nicht so lange mit Schreiben gewartet, seitdem wir die traurige Nachricht von dem wider unser Erwarten Vorgefallenen erhielten, wenn ich nicht befürchtet hätte, infolge falscher Berichterstattung in der Sachlage nicht entsprechender weise zu schreiben. So wollte ich lieber die Ihnen Näherstehenden handeln lassen. Ich hätte auch Ihren Brief rascher beantwortet, wenn mir nicht der Überbringer gesagt hätte, er müsse doch wieder zu Ihnen zurückkehren und die Antwort gehe am besten durch ihn. Ich weiß nun wohl, dass Sie für das, was Sie getan haben, Entschuldigungen vorbringen können, die zum Teil Ihren Fehler recht gering erscheinen lassen; wenn Sie selbst aber alles näher betrachten, so kann die ganze Sache Ihnen nicht gering erscheinen vor Gottes Angesicht. Denn Sie wissen, wie viele arme, schwache Seelen verwirrt worden sind durch ein solches Ärgernis, und wie viele sich nun auf Ihr Beispiel berufen können. Und selbst wenn Ihre Tat nicht alles niedergerissen hätte, was Sie erbaut hatten, so ists doch auch keine kleine und leichte Sünde, die Menschen Gott vorgezogen haben, und um eines sterblichen Geschöpfes willen den vergessen zu haben, der uns geschaffen hat, der uns erhält, der uns erlöst hat durch den Tod seines eingebornen Sohnes und uns zu Genossen seines Reiches gemacht hat. Kurz, Gott ist betrogen worden, da Sie den Menschen zu weit entgegengekommen sind, seis ihnen zu Gefallen oder aus Furcht und Respekt. Die Hauptsache aber ist, dass die Feinde der Wahrheit triumphieren können, nicht nur Ihren Glauben ins Wanken gebracht, sondern Sie sogar zur Billigung ihrer Gräuel veranlasst zu haben. Ja, sie glauben, in Ihrer Person unsern Herrn Jesum Christum selbst überwunden und seine Lehre zu Schanden gemacht zu haben; denn Sie wissen ja, dass man es nicht an Spott und gräulicher Lästerung hat fehlen lassen. Sie meinen, da Sie ja sichtlich nur der Gewalt gewichen seien, so sei der Fehler nicht so groß; aber ich bitte Sie, denken Sie an die vielen Märtyrer, die noch zur Zeit des alttestamentlichen Gesetzes lieber starben, als nur ein Stücklein Schweinefleisch zu essen, und das um der Folgen willen, weil es als ein Zeichen galt, dass sie sich mit den Heiden vermengten und den Gott Israels verließen. Sie wissen wohl, was die Leute wollten, die Sie dazu brachten, ihrem Götzendienste beizuwohnen; nämlich dass Sie von dem Ihren Gegnern so ärgerlichen Bekenntnis lassen sollten und dass der Ruhm der tapfern Standhaftigkeit, den Gott Ihnen verliehen, hinfallen sollte, ja sich in sein Gegenteil verkehre, als wäre es nur ein Strohfeuer gewesen. Darin hätten Sie die Mahnung St. Pauli besser befolgen sollen, denen nicht Ursach zu geben, die sie suchen [2. Kor. 11, 12], dass sie nicht den Mund auftun dürfen, sich zu rühmen wider Gott. So haben Sie also einen bösen Fall getan, und die Erinnerung daran muss Ihrem Herzen bitter sein.

Ich denke, das wird Ihnen nun auf den ersten Blick recht hart erscheinen, aber ich sage mit St. Paulus: Es reut mich nicht, dass ich Sie traurig gemacht habe, wenn es nur zu Ihrem Heile dient [2. Kor. 7, 8]. Ja, wenn Sie wollen, dass Gott Ihrer schone, so ist es gut und nützlich, dass Sie nicht geschont werden von denen, denen er den Auftrag gegeben hat, Sie zur Buße zu bringen. Denn da, wer sich selbst freizusprechen sucht, am härtesten von ihm verurteilt wird, so ist es eine außerordentliche Gnade für Sie, wenn er Sie anklagt durch sein Wort, damit Sie selbst Ihr Richter sein können. Doch meine ich das nicht so, als wollte ich Sie über alles Maß hinaus betrüben, so dass Sie den Mut verlören für die Zukunft. Nur das bitte ich Sie, haben Sie an dem begangenen Unrecht solches Missfallen, dass Sie, um es wieder gut zu machen, so fortfahren, wie Sie zuerst begonnen hatten, nämlich geben Sie sich Mühe, Gott in Reinheit zu verherrlichen, und zeigen Sie durch die Tat, dass, wenn Sie einmal gestrauchelt sind, das noch kein Abweichen vom rechten Wege war. Es ist freilich nach weltlichen Anschauungen eine harte Forderung, all das freiwillig zu lassen, was Sie anzieht und festhält, aber es gibt nichts, was mehr gelten dürfte als die Ehre Gottes. Ja, wenn wir bedenken, wie kurz doch unser Leben ist, so darf es uns nicht sehr schwer fallen, unserm Herrn Jesu zu folgen in Tod und Grab, damit wir auch teilhaft werden seiner Herrlichkeit. Dahin zielt, was ich Ihnen in meinem Briefe schrieb, wir müssten es nicht nur ertragen, einmal zu sterben für unser Haupt, sondern auch begraben zu werden, bis er uns wieder ganz auferweckt in seiner Wiederkunft. Ich brauchte das als Gleichnis, indem ich Ihre Heimsuchung mit einem Sterben verglich, aber weil diese Trübsal noch nicht zu Ende ist, so erinnerte ich, um Sie in der Beharrlichkeit zu stärken, auch noch an das Wort St. Pauli vom Begrabenwerden [Röm. 6, 4], damit wir auf die Länge nicht müde werden, auch wenn das Übel anhält, und wir dulden müssen mehr, als wir möchten, wie es denn an einer andern Stelle heißt: Wir tragen allezeit das Sterben des Herrn Jesu an unserm Leibe, auf dass auch sein Leben an unserm Leibe offenbar werde [2. Kor. 4, 10]. Kurz, dieses Begrabenwerden liegt darin, dass wir täglich die Welt mehr und mehr vergessen. Tun wir dies, so werden wir immer mehr unserer irdischen Gefühle entkleidet und kommen Gott näher, so dass wir uns nach dem Tode seiner Gegenwart freuen dürfen, wie St. Paulus an einer andern Stelle sagt: wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen [2. Kor. 5, 7], aber wenn wir diese vergängliche Hütte verlassen haben, werden wir mit Gott sein und der Ehrenkrone harren, die wir empfangen werden, wenn Jesus Christus erscheinen wird in seiner Herrlichkeit. In diesem Vertrauen müssen wir tapfer kämpfen, bis unser Lauf vollendet ist, und nicht abfallen, weil wir wissen, dass der treu ist, der behütet, was wir ihm anvertrauen. Weil aber, was Sie erfahren haben, Sie wohl furchtsam macht, weiß ich Ihnen keinen bessern Rat als den, den Sie gefasst haben, nämlich alle Versuchungen zu fliehen, die Sie von neuem niederwerfen könnten, da Sie sie nicht aufsuchen, noch sich ihnen nur nähern dürfen, ohne Gott offenkundig zu versuchen. Da es sich dabei um eine Standhaftigkeit handelt, die die Welt überwindet, so nehmen Sie Ihre Zuflucht zu Gott und bitten Sie ihn, er wolle Sie stärken und nicht zulassen …….

Calvin, Jean – An Francois d´ Andelot in Melun.

Nr. 565 (C. R. – 2883)

Francois Chatillon d´ Andelot, Bruder des Admirals Coligny, hatte sich in Gegenwart des Königs offen zum evangelischen Glauben bekannt und war sofort zur Gefängnishaft nach Melun gebracht worden.

Stärkung zum Martyrium.

Monseigneur, ich bin durchaus überzeugt, dass Sie seit langem schon bedacht haben, wie Sie gewappnet und gerüstet sein müssen, um die Angriffe zu bestehen, die man gegen Sie richtet. Auch zweifle ich nicht daran, dass sowohl Jesus Christus die Lehre, die Sie in seiner Schule gelernt haben, nach Bedarf in Ihnen wirken lassen wird, als auch dass sie, die Ihnen näher sind als ich, sich, soweit sie Zutritt zu Ihnen haben, treulich um Sie bemühen, und doch wollte ich es nicht unterlassen, wenigstens zum Teil meine Pflicht an Ihnen zu erfüllen. Zwar bin ich nicht sicher, ob dieser Brief in Ihre Hände kommt, doch dem sei, wie ihm wolle, so ists mir eine gewisse Erleichterung und beruhigt mich schon halb, wenn ich wenigstens versucht habe, auch meinesteils Ihnen irgendwie beizustehen in Ihrem Kampfe. Wir haben alle Grund, Gott zu loben für den schönen Anfang, den er Ihnen gegeben hat, und den er wird Nutzen schaffen lassen, mehr als wir ermessen können. Tatsächlich müssen wir daran festhalten, dass Gott Sie sozusagen mit eigner Hand vorgeschoben hat, ein Zeuge seiner Wahrheit zu sein an einem Orte, der ihr bisher ganz verschlossen geblieben war. Aber Sie müssen sich daran erinnern, dass Gott, der Ihnen so hohen Mut gegeben hat beim ersten Angriff, Sie dadurch auch umso mehr verpflichtet hat, standhaft zu beharren, und dass Sie für ein Zurückweichen umso weniger Entschuldigung hätten, als Sie schon so weit vorgedrungen sind. Ich kann mir wohl schon einen Teil der Anfechtungen denken, die Sie haben erfahren müssen, und es hat ja damit noch kein Ende. Aber selbst wenn Sie noch hundertmal schärfer und rauer angefochten werden, so ist es doch der Herr, dem Sie dienen, es wert, dass Sie Widerstand leisten bis zuletzt und um nichts in der Welt abfallen. Sie haben früher schon oft Ihr Leben aufs Spiel gesetzt für Ihren irdischen Fürsten und sind bereit, es im Notfalle wieder zu tun, wie es auch Ihre Pflicht ist. So ist kein Grund, dass der höchste König des Himmels und der Erde, dem der Vater alle Gewalt gegeben hat, weniger geehrt werde und dass es Ihnen schwer falle, Feinde zu bekommen, weil Sie seine Ehre verteidigen. Umso mehr, als nicht nur wir ganz ihm gehören, von Natur und um des unschätzbaren, teuren Blutes willen, das er zu unserm Seelenheile nicht geschont hat, sondern auch weil der Dienst, den wir ihm leisten, nicht verloren gehen kann und alles, was wir um seinetwillen dulden müssen, uns nur nützen kann, wie St. Paulus sich rühmt, dass Jesus Christus sein Leben und Sterben sein Gewinn ist [Phil. 1, 21], und durch sein Beispiel zeigt, dass, wer sicher ist, nicht bloß aufs Ungewisse zu kämpfen, sich nicht zu fürchten braucht. Sie haben wohl schon erfahren, denke ich, dass der härteste und schwerste Kampf uns von denen kommt, die unterm Schein der Freundschaft sich an uns machen, um uns zum Nachgeben zu bringen, und denen es nie an schönen Ausreden und Lockmitteln fehlt. Umso mehr gilt es da, die Lehre des Apostels zu befolgen, nämlich aufzuschauen, damit Sie fest werden gegen alle Schmeicheleien und Drohungen. Es ist da die Rede von Moses, der groß sein konnte am ägyptischen Hofe, aber die Schmach Christi für größeren Reichtum achtete denn alle Schätze Ägyptens [Hebr. 11, 26] und alle zeitliche Ergötzung, die er zu teuer hätte erkaufen müssen, wenn er sie festgehalten hätte. Und nun zeigt der Apostel, woher Mose solche Festigkeit kam, nämlich weil er hart geworden war, im Aufschauen zu Gott. So, Monseigneur, heben Sie alle Ihre Sinne empor und lernen Sie Ihre Ohren verstopfen gegen alle diese Einflüsterungen des Satans, die Ihr Seelenheil zerstören wollen, indem sie Ihre Glaubensfestigkeit wankend machen. Lernen Sie die Augen schließen gegen alle Zerstreuungen, die Sie umstimmen könnten, da Sie wissen, dass das lauter Trugkünste unseres Todfeindes sind. Wie schlau man Sie auch auffordern mag, sich wieder frei zu machen durch eine Fälschung des Glaubens, den Sie dem Sohne Gottes gelobt haben, so halten Sie den Spruch im Gedächtnis: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater; wer mich aber verleugnet, den will ich auch verleugnen [Matth. 10, 32]. Denn wenn es schon heutzutage viele gibt, denen es nicht mehr macht, die Wahrheit zu verleugnen, als sich den Mund zu wischen, so gilt doch das Bekenntnis zu viel vor Gott, als dass man sich so wenig daran kehren dürfte. Und wenn es auch scheint, es sei verlorene Mühe, Zeugnis abzulegen für das Evangelium vor denen, die sich dawider auflehnen, ja es werde leicht zu schmählichem Gespötte, so bleibt es eben doch ein Gott angenehmes Opfer, und wir müssen uns damit begnügen, dass er unser Tun billigt. Jedenfalls wird er unsere Einfalt größern Nutzen schaffen lassen, als wir denken, wenn wir einfach seinem Befehl gehorchen. Nun, wenn Sie auch sonst gar nicht angefochten sind, so merken Sie doch wohl, dass es gegen mancherlei Versuchungen zu kämpfen gilt; aber gerade wenn Sie Schwäche spüren, so gilt es, sich aufzuraffen und den Mut nicht zu verlieren, umso mehr, als Ihnen Gottes Hilfe in der Not gewiss nicht fehlen wird. Um einen solchen Sieg davonzutragen, der den Satan mit all den Seinen in Verwirrung bringt, müssen Sie sich den Händen dessen überlassen, dem Ihr Leben kostbar ist und der auch die Todeswege in seiner Gewalt hat, und auf das harren, was er anordnen wird zur rechten Zeit und zu Ihrem Heil. Weil die Beharrlichkeit aber eine ganz einzigartige Gabe von oben ist, so lassen Sie nicht ab, den lieben Vater anzuflehen, dass er Sie stärke. Darum werden auch wir mit Ihnen ihn bitten müssen, wie es sich denn ziemt, dass alle Kinder Gottes um Sie besorgt sind.

Indem ich mich nun, Monseigneur, Ihrer Gnade und Ihrer Fürbitte herzlich empfehle, will ich den lieben Gott bitten, er wolle Sie behüten, er wolle Sie in der Tat erfahren lassen, was ein solches Gut wert ist, er wolle Sie leiten durch seinen Geist und Sie ausrüsten mit unüberwindlicher Standhaftigkeit, dass Sie alle Feinde besiegen und seinen Namen verherrlichen.

[Ende] Mai 1558.