Luther, Martin – An die Christen zu Straßburg, vom 15. December 1524.

Martinus Luther, unwürdiger Ecclesiast und Evangelist zu Wittenberg, den allerliebsten Freunden Gottes, allen Christen zu Straßburg Der Herr kennet den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg wird umkommen. Psalm, 1,(6.) Gnade und Friede von Gott unserm Vater, und dem Herrn Jesu Christo. Allerliebsten Herren und Brüder! Ich bin bisher hoch erfreuet, und danke Gott, dem Vater aller Barmherzigkeit, für die reiche Gnade, die er an euch gewandt hat, und euch zu seinem wunderbarlichen Licht berufen, und in die Gemeinschaft alles Reichthums seines Sohnes Jesu Christi kommen lassen, daß ihr nun durch sein heilsames Wort erkennen und nennen mögt mit fröhlichem Herzen den rechten Vater, der uns aus der greulichen Finsterniß des Endchrists erlöset, und aus dem eisernen Ofen Aegypti, der Sünden und des Todes, geführt in das weite, sichere, freie, rechte gelobte Land.

So sehet nun hinfort zu, daß ihr hinter euch gedenkt, was ihr gewesen seid, und solcher großen Gnade und Barmherzigkeit nicht undankbar erfunden werdet, wie Etliche schon thun, und Gottes Zorn wiederum erwecken; sondern bleibet, übet euch, und nehmet täglich zu in derselben Erkenntniß und Gnade Jesu Christi. Dann das ist der rechte Weg zur Seligkeit, der euch nicht fehlen kann. Und schauet ja darauf, daß ihr eines Sinnes fest bleibet, und brüderliche Liebe mit der That unter einander beweiset, auf daß damit euer Glaube zeuge, daß er nicht falsch, faul noch müßig sei, und der Feind, so ausgetrieben, nicht wiederkomme, und das Haus müßig und schön finde, und mit sieben argern Geistern einfalle, daß das letzte ärger werde denn das erste (Luc. 11, 26.).

Ob ihr aber darüber gelästert oder verfolget, selig seid ihr (Matth. 5,12.); haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, oder vielmehr sein Hausgesind? Der Knecht solls nicht besser haben dann sein Herr (Matth. 10, 24. 25.). Und was mags schaden, so arme Menschen, die wie ein Rauch vergehen (Ps. 37, 20.), euch lästern; so ihr gewiß seid, daß so viel tausendmal tausend Engel im Himmel und Gott selbst über euch sich freuen, und mit allen Creaturm euch loben und preisen? Wie das alles euer Glaube und gut Gewissen im heiligen Geiste fühlet und euch Zeugniß gibt, wo ihr anders recht glaubt und Christum wahrhaftig in euch habt leben und regieren. Denn solche Leiden bessern und fördern nur unsere Seligkeit.

Aber das sind gefährliche Sachen, wo Zwietracht, Secten und Irrungen unter den Christen aufstehen, dadurch solch tröstliche Erkenntniß die Gewissen verrücken und irre machen, und heimlich von der Gnade im Geiste heraus reißen in äußerliche Dinge und Werk, wie die falschen Apostel thäten, und hernachmals mancherlei Ketzer, und zuletzt der Pabst. Hier ist hoch von Nöthen zu wachen. Denn wo unser Evangelium das rechte Evangelium ist, wie ich denn kein Zweifel habe und gewiß bin: so muß das auch folgen vonnöthen, daß es zu beiden Seiten angefochten, versucht und bewährt werde: zur Linken, durch äußerliche Schmach und Haß der Widerwärtigen: zur Rechten, durch unsere eigene Zertrennung und Zwietracht; wie Paulus spricht (1. Cor. 11,19.): Es müssen Ketzereien sein, auf daß diejenigen, so bewährt sind, offenbar werden. Christus muß nicht allein Kaipham haben unter seinen Feinden, sondern auch Judam unter seinen Freunden.

Weil wir dann solches wissen, sollen wir geharnischt und gerüstet sein, als die sich gewißlich versehen müssen alle Stunden beiderlei Anstöße, und uns gar nichts wundern noch erschrecken, so sich unter uns eine Zwietracht erhebt; sondern frisch gedenken, es muß und will also sein und Gott bitten, daß er bei uns sei und auf der rechten Bahn behalte. Denn, wie Moses sagt; (5 Mos. 8, 2. Kap. 13, 3.): Gott versucht uns damit, ob wir von ganzem Herzen an ihm hangen, oder nicht.

Das sage ich darum, weil ich erfahren habe, wie sich neue Propheten an etlichen Enden aufwerfen, und wie mir etliche der euern geschrieben, daß bei euch Doctor Carlstadt ein Rumor anrichtet mit seiner Schwärmerei vom Sacrament, von Bilden und Taufe; wie er dann anderswo auch gethan hat, und mich schilt, als habe ich ihn aus dem Lande vertrieben.

Nun, meine allerliebsten Freunde, ich bin euer Prediger nicht, niemand ist mir auch schuldig zu glauben; ein jeglicher sehe auf sich. Warnen mag ich jedermann; wehren kann ich niemand. Ich hoffe auch, daß ihr mich bisher also in meinen Schriften habet erkannt, daß ich das Evangelium, die Gnade Christi, das Gesetz, den Glauben, die Liebe, das Kreuz, Menschengesetz, was vom Pabste, Mönchenstande und von den Messen zu halten sei, und alle Hauptstücke, die einem Christen zu wissen noch sind, so lauter und gewiß gehandelt habe, daß ich darin unsträflich erfunden bin, und ja nicht leugnen kann, daß ich ein unwürdiger Gezeug1) Gottes gewesen bin, dadurch er vielen Seelen geholfen hat.

Welcher Stück noch nie keines hat wollen recht vornehmen D. Carlstadt, auch nicht vermag, als ich jetzt aus. seinem Schreiben sehe, das ich wahrlich nicht gemeint, und gleich erschrocken bin, daß der Mann noch so tiefliegt. Und als mich sein Ding ansieht, fällt er heraus auf die äußerlichen Dinge mit solchem Ungestüme, als läge die ganze Macht eines christlichen Wesens an dem Bilderstürmen, Sacrament stürzen und Tausehindern; und wollte gerne mit solchem Rauche und Dampf die ganze Sonne und Licht des Evangeliums und die Hauptstücke christlichen Glaubens und Wesens verdunkeln, daß die Welt solle alles vergessen, was durch uns bisher gelehrt ist. Und thut sich doch nicht herfür, daß er aufbrächte, welches doch dann ein recht christlich Wesen sei. Denn Bilderstürmen, Sacramente leugnen, Taufe strafen, ist eine schlechte Kunst, die auch ein Bube vermag, und ja leine Christen macht nimmermehr. Darum ist das ein grober Teufel, der mich wenig anficht.

So ist nun mein treuer Rath und Warnung, daß ihr euch vorsehet und auf der einigen Frage beharret, was doch einen zum Christen mache, und laßt beileibe keine andere Frage noch Kunst dieser gleich gelten. Bringt jemand etwas auf, so fanget an und sprecht: Lieber, macht dasselbe auch einen Christen, oder nicht? Wo nicht, so laßt es ja nicht das Hauptstück sein, noch mit ganzem Ernste darauf fallen. Ist aber jemand zu schwach, solches zu thun, der nehme ihm der Weile, und harre doch, bis er sehe, was wir oder andere dazu sagen. Ich habe es je bisher recht und gut gemacht in den Hauptstücken, und wer anders sagt, das muß kein guter Geist sein: ich hoffe, ich will es auch in den äußerlichen Stücken, da solche Propheten alleine darauf pochen, nicht verderben.

Das bekenne ich, wo D. Carlstadt oder jemand anders vor fünf Jahren mich hätte mögen berichten, daß im Sacramente nichts als Brod und Wein wäre, der hätte mir einen großen Dienst gethan. Ich habe wohl so harte Anfechtungen da erlitten, und mich gerungen und gewunden, daß ich gerne heraus gewesen wäre, weil ich wohl sahe, daß ich damit dem Pabstthum hätte den größten Puff können geben. Ich habe auch zwei gehabt, die geschickter davon zu mir geschrieben haben, als D. Carlstadt, und nicht also die Worte gemartert nach eigenem Dünken. Aber ich bin gefangen, kann nicht heraus: der Text ist zu gewaltig da, und will sich mit Worten nicht lassen aus dem Sinn reißen.

Ja, wenn noch heutigen Tages möchte geschehen, daß jemand mit beständigem Grunde beweiset, daß schlechtes Brod und Wein da wäre, man dürfte mich nicht so antasten mit Grimm. Ich bin leider allzu geneigt dazu, so viel ich einen Adam spüre. Aber wie D. Carlstadt davon schwärmet, ficht mich so wenig an, daß meine Meinung nur desto stärker dadurch wird. Und wenn ich es vorhin nicht hätte geglaubt, würde ich durch solche lose, lahme Possen, ohne alle Schrift, allein aus Vernunft und Dünkel gesetzt, allererst glauben, daß seine Meinung müßte nichts sein, als ich hoffe jedermann sehen soll, wenn ich nun antworte. Ich glaube auch kaum, daß sein Ernst sei; oder Gott muß ihn verstockt und verblendet haben. Denn wo es Ernst wäre, würde er nicht so lächerliche Stücklein mit einmengen, und aus griechischer und hebräischer Sprache daher gaukeln, welcher er doch nicht viel vergessen hat, wie man wohl weiß.

Also mit dem Bilderstürmen möchte ich sein Toben leichtlich tragen, weil auch ich mit meinem Schreiben mehr abgebrochen habe den Bilden, dann er mit seinem Stürmen und Schwärmen immer thun wird. Aber daß man die Christen auf solch Werk hetzet und treibet, als müßte man es thun, oder sei kein Christ, und will die christliche Freiheit mit Gesetz und Gewissen fangen, das ist gar nicht zu leiden. Denn wir wissen, daß aus keinem Werk ein Christ wird, und solche äußerliche Dinge, als Bilder und Sabbath, im Neuen Testamente frei sind, wie alle anderen Ceremonien des Gesetzes. Paulus spricht 1 Kor. 8. 4.: Wir wissen, daß Götze nichts ist in der Welt. Ists nichts, warum sollte man dann der Christen Gewissen fangen und martern um nichts willen? Ists nichts, so sei es nichts, es falle oder stehe, wie er auch von der Beschneidung redet; doch davon weiter in der Antwort.

Daß er mich schilt, ich habe ihn vertrieben, möchte ich leiden, es wäre wahr, wollts ob Gott will, auch wohl verantworten; bin aber froh, daß er aus unserm Lande ist; wünsche auch, daß er bei euch nicht wäre, und ihm selbst zu rathen gewesen wäre, er hätte sich solcher Klage enthalten. Denn ich besorge, meine Entschuldigung werde ihn gar hart verklagen. Hüte sich vor dem falschen Geist, wer da kann; das rathe ich, da ist nichts Gutes hinter.

Er hätte mich selbst zu Jena, aus Ursache einer Schrift, schier überredet, daß ich seinen Geist nicht mit dem Alstädtischen, aufrührerischen, mörderischen Geist2) vermengt hätte. Aber da ich gegen Orlamunde unter seine Christen kam aus fürstlichem Befehle, fand ich wohl, was er für Samen da gesäet hatte, daß ich froh ward, daß ich nicht mit Steinen und Dreck ausgeworfen ward, da mir etliche derselben einen solchen Segen gaben: Fahre hin in tausend Teufel Namen, daß du den Hals brächest, ehe du zur Stadt hinaus kommst. Wiewohl sie sich gar fein geschmückt haben im Büchlein, davon ausgangen. Wenn der Esel Hörner hätte, das ist, wäre ich Fürst zu Sachsen, D. Carlstadt sollte nicht vertrieben sein, es wäre mir denn abgebeten; er lasse ihm nur die Güte der Fürsten nicht verschmähen.

Doch, lieben Freunde, ich bitte, daß ihr ja wollt weiser sein denn wir, ob wir zu Narren wurden, und von unserm Thun schrieben. Ich merke wohl, der Teufel sucht nur Ursache, daß man von uns Menschen, wie fromm oder böse wir sind, schreiben und lesen solle, damit der Hauptsache Christi geschwiegen, und den Leuten das Maul mit neuen Zeitungen aufgesperrt werde. Ein Jeglicher sehe nur auf die stracke Bahn, was Gesetz, Evangelium, Glaube, Christus Reich, christliche Freiheit, Liebe, Geduld, Menschengesetz und dergleichen sei, daran haben wir genug zu lernen ewiglich. Ob du dieweil nicht Bilde brichst, thust darum keine Sünde; ja, ob du gleich nicht zum Sacrament gehest3), kannst du hernach durch das Wort und Glauben selig werden. Es ist dem Teufel nur darum zu thun, daß er uns in dieser gefährlichen Nacht die Augen von unser Lucern4) wende, und führe uns mit feinen fliegenden Bränden und Lichten aus der Bahn.

Und bitte eure Evangelisten5) meine lieben Herrn und Brüder, daß sis euch von Luther und Carlstadt weisen und immer auf Christum richten: nicht, wie Carlstadt, allein auf die Werke Christi, wie Christus ein Exempel sei, welches das geringste Stück an Christus ist, darin er andern Heiligen gleich ist; sondern wie er ein Geschenk Gottes, oder wie Paulus sagt (1 Cor. 1, 30.) Gottes Kraft, Weisheit, Gerechtigkeit, Erlösung, Heiligung, uns gegeben; welchen Verstand diese Propheten nie gefühlet, geschmeckt noch gelernet haben, und gaukeln daher mit lebendiger Stimme vom Himmel, mit der Entgrobung, Besprengung, Tödtung6) und dergleichen schwulstigen Worten, die sie selbst nie verstanden haben, und damit nur irrige, unruhige, schwere Gewissen machen, auf daß man sich verwundern soll ihrer großen Kunst, und Christus dieweil vergessen.

Bittet, liebe Brüder, daß uns Gott der Vater nicht lasse in Anfechtung fallen, sondern nach seiner grundlosen Barmherzigkeit stärke, halte und vollführe sein Werk, in uns angefangen; wie wir dann tröstlich durch Christum unsern Heiland zu bitten ermahnet sind. Welchen Vortheil wir für den Propheten7) haben. Denn ich weiß und bin es gewiß, daß sie Gott den Vater noch nie um ihre Sache anzufangen ersucht oder gebeten habe, auch noch nicht so viel gutes Gewissen haben, daß sie ihn dürften bitten um seligen Ausgang; sondern wie sie es aus eigener Vermessenheit haben angefangen, also toben sie auch durstiglich hinaus nach eitler Ehre, bis daß ihr Ende, die Schande, sich finde. Gottes Gnade sei mit euch allen, Amen.

1) soviel als Werkzeug
2) nemlich des Thomas Münzer.
3) wenn du es nemlich nicht haben kannst.
4) d. i, Laterne, Leuchte, welche ist das Wort Gottes Ps. 119.105.
5) d. i. Prediger des Evangeliums
6) mit solchen mystischen Ausdrücken wollte Carlstadt gewisse innere Zustände und Stufen im Christenthum bezeichnen.
7) nemlich den sogenannten himmlischen Propheten, wie sich die Schwärmer zu sein rühmten.

Quelle:
Luthers Volksbibliothek Zu Nutz und Frommen des Lutherschen Christenvolks ausgewählte vollständige Schriften Dr. Martin Luthers, unverändert mit den nöthigen erläuternden Bemerkungen abgedruckt. Herausgegeben von dem Amerikanischen Lutherverein zur Herausgabe Luther’scher Schriften für das Volk Siebenter Band St. Louis, Mo. Druck von Aug. Wiebusch u. Sohn. 1862