Calvin, Jean – An Lord William Cecil Burleigh, Großschatzmeister von England.

Nr. 598 (C. R. – 3036)

John Knox hatte während seines Aufenthalts in Genf seine Schrift „Erster Trompetenstoß wider das ungeheuerliche Weiberregiment“ geschrieben, die, auf die blutige Maria gemünzt, doch auch Elisabeth von England schwer verletzt hatte. Vgl. 398, 586, 587. Burleighs Schwiegervater, Antony Cook, Kanzler von England, hatte als Refugiant in Straßburg gelebt.

Entschuldigung wegen Knox´ Schrift über das englische Weiberregiment.

Mein Bote, dem ich aufgetragen hatte, den Kommentar zu Jesaja der allergnädigsten Königin zu überreichen, hat mir berichtet, diese Huldigung sei ihrer Majestät nicht genehm gewesen, weil sie sich durch einige in Genf erschienene Büchlein verletzt gefühlt habe. Auch hat er mir, erlauchter Mann, den Hauptinhalt deiner Äußerungen wiederholt, in denen du mir schärfer schienst, als es nach deiner freundlichen Art zu erwarten war, besonders da du doch aus meinem Briefe sehen konntest, wie viel ich mir von deinem Wohlwollen für mich versprach. Wenn mich auch triftige Gründe abhalten, mich in ängstlicher Manier zu rechtfertigen, so möchte ich doch nicht den Schein erwecken, als gäbe ich stillschweigend zu, ein schlechtes Gewissen zu haben, und will deshalb mit wenigen Worten darlegen, wie sich die Sache verhält.

Vor mehr als zwei Jahren fragt mich John Knox in einem Privatgespräch, was meine Ansicht über eine Frauenregierung sei. Ich antwortete offen, es sei eine Abweichung von der ursprünglichen, wahren Naturordnung und deshalb unter die Strafen des menschlichen Sündenfalls zu rechnen, wie z. B. auch die Sklaverei. Übrigens seien aber zuweilen einzelne Frauen so begabt gewesen, dass der Segen, der von ihnen ausstrahlte, deutlich zeige, das sie unter göttlichem Schutze auftraten, entweder, weil Gott durch solche Beispiele die Feigheit der Männer beschämen oder seine Herrlichkeit deutlicher ans Licht stellen wollte. Ich führte dafür die Propheten Hulda [2. Kön. 22, 14] und Deborah [Richter 4 u. 5] an. Ich fügte noch bei, nicht umsonst verheiße Gott durch Jesajas Mund [49, 23], Königinnen würden Säugammen der Kirche sein; denn durch dieses Vorrecht würden sie deutlich von den gewöhnlichen Weibern unterschieden. Endlich schloss ich damit, da es nach Sitte, öffentlicher Meinung und langjährigem Brauch, herkömmlich sei, dass nach dem Erbrecht Königreiche und Fürstentümer auch an Frauen fielen, so scheine es mir nicht gut, an die Frage zu rühren, nicht nur weil die Sache selbst heikel sei, sondern weil es meines Erachtens nicht erlaubt sei, Regierungsgewalten, die durch Gottes besondere Vorsehung eingesetzt seien, zu stürzen. Von einem Buche ahnte ich nichts und wusste ein ganzes Jahr lang nicht, dass ein solches erschienen sei. Als man mich darauf aufmerksam machte, ließ ich deutlich genug merken, dass mir die Verbreitung derartig paradoxer Behauptungen nicht gefalle. Weil es aber zu spät war einzugreifen, so wünschte ich, die schlimme Sache, die nun einmal nicht mehr zu ändern war, möchte lieber begraben als aufgebauschet werden. Frage deinen Schwiegervater, was ich antwortete, als er mir durch Beza davon Mitteilung machte, und das war noch zu Lebzeiten Marias, wo mich auch ein zustimmendes Urteil nicht in schlimmen Verdacht gebracht hätte. Den Inhalt der Schriften kenne ich nicht; dass ich aber nicht anders gesprochen habe, wird mir Knox selbst zugestehen müssen. Übrigens wollte ich, obwohl mich einige fromme Leute dazu aufforderten, mich nicht schärfer gegen ihn wenden, weil ich die Sache nicht rechtzeitig erfahren hatte und nicht nachträglich noch größeren Lärm schlagen wollte. Hat meine Nachsicht jemanden verletzt, so muss ich sagen, ich fürchtete mit Recht, wenn die Sache vor Gericht käme, so würde die arme Refugiantenschar wegen der unbedachten Tat eines einzigen nicht nur aus Genf, sondern von überall vertrieben werden; besonders glaubte ich das vermeiden zu müssen, weil sich die Sache ja doch nicht mehr anders gut machen ließ, als wenn man Milde anwandte. Mit Unrecht werde ich also so schwer beschuldigt. Umso mehr hat es mich gewundert, dass man, um mein Buch nicht annehmen zu müssen, einen Vorwand suchte, der die Tat eines andern auf mich schob. Die Königin konnte ja, wenn ihr mein Geschenk nicht behagte, es mit einem Worte zurückweisen; das wäre ehrlicher gewesen; jedenfalls mir wäre es viel lieber gewesen, als neben der Schmach der Ablehnung auch noch falsche Anschuldigungen tragen zu müssen. Deswegen werde ich die allergnädigste Königin doch stets verehren und auch nicht aufhören, dich, erlauchtester Mann, deines edeln Charakters und deiner andern Tugenden wegen zu lieben und zu achten, obschon ich deine Freundschaft weniger spüren durfte, als ich gehofft hatte, und du mir vielleicht in Zukunft nicht mit Wohlwollen vergiltst, was ich aber nicht denken will. Lebwohl, hochgeachteter, hochverehrter Mann. Der Herr sei stets mit dir; er leite und behüte dich und mache dich reich an seinen Gaben.

Genf, [Ende März 1559].

Da ich zweifle, dass du meinen letzten Brief erhalten hast, lasse ich dir noch eine Kopie senden.

Calvin, Jean – An Lord William Cecil Burleigh, Großschatzmeister von England.

Nr. 588 (C. R. – 3003)

Lord Burleigh war bereits unter Eduard VI. im königlichen Rate gewesen und war ein besonnener Förderer der Reformation in England.

Mahnung zu eifriger Reformationstätigkeit.

Wenn ich vorhabe, hochberühmter Mann, vertrauensvoll an dich zu schreiben, obwohl ich dir von Angesicht unbekannt bin, so brauche ich keine lange Entschuldigung; denn nach dem Zeugnis einiger frommer Brüder, die mir deine Freundlichkeit priesen, verlasse ich mich darauf, dass du von selbst geneigt bist, meinen Brief freundlich aufzunehmen, besonders, wenn du aus der Lektüre meine Absicht erkennst. Seitdem die fürchterliche Finsternis, die die Herzen der Frommen fast betäubt hatte, gewichen ist und ein neues Licht plötzlich wider alles Erwarten neue Hoffnungsstrahlen aussendet, heißt es, du mühest dich in der außergewöhnlich begünstigten Stellung, die du bei der allergnädigsten Königin einnimmst, eifrig, den papistischen Aberglauben, der seit vier Jahren in England wütete, niederzuwerfen und die wahre evangelische Lehre sowie den reinen, unverfälschten Gottesdienst wieder zur Geltung zu bringen. Ich brauche dich deshalb nicht zu mahnen, freimütig und offen für Christus zu kämpfen, sondern es bleibt mir nur übrig, dir zu sagen, dass du darin noch energischer und in unüberwindlicher Festigkeit fortfahren sollst und dass dein frommes Unternehmen durch keine Beschwerden und Schwierigkeiten, Kämpfe und Drohungen, ich will nicht sagen, verhindert, sondern nur aufgehalten werden soll. Denn ich zweifle nicht daran, dass dir zuweilen Hindernisse sich in den Weg stellen und Gefahren vor Augen treten, die den Tapfersten schwach machen könnten, wenn ihn Gott nicht mit der Wunder wirkenden Kraft seines Geistes unterstützte; aber es handelt sich eben hier um eine Sache, die zu verteidigen wir keine Mühe scheuen dürfen. Solange die Kinder Gottes hingemordet wurden wie in einem Schlachthause, da bist du, auch du, mit den andern verstummt; nun musst du, da durch eine plötzliche, fast unglaubliche Wohltat Gottes wieder größere Freiheit zurückgekehrt ist, wenigstens jetzt Mut fassen und, wenn du vorher furchtsam warst, dies jetzt durch heißen Eifer wieder gut machen. Zwar ich weiß wohl, manchmal ist falsche Übereilung auch schädlich, und schon manche haben durch unbedachten, überstürzten Eifer aufgehalten, was sie in einem Augenblick ans Ziel bringen wollten; aber umgekehrt musst du auch wohl erwägen, dass es Gottes Werk ist, die reine Wahrheit des Evangeliums und, was alles damit zusammenhängt, zu schützen, und dass es deshalb nicht lässig angefasst werden darf. Du kannst aus deiner Kenntnis der Lage besser beurteilen, welche Fortschritte gemacht werden können und wo wiederum mit Mäßigung vorgegangen werden muss; aber das musst du im Sinn behalten, alles Zögern, mit welchen schönen Ausreden es sich auch decken mag, muss dir verdächtig sein. Eine Befürchtung ist vermutlich die von Volksunruhen, da unter dem Adel nicht wenig Aufruhrbrennstoff liegt, und dass, wenn in England innere Unruhen ausbrächen, die Nachbarn, die bei jedem Anlass nur allzu deutlich drohen, nur darauf warten. Aber da die Königin durch Gottes Hand in wunderbarer Weise auf den Thron gekommen ist, so kann sie ihm ihre Dankbarkeit nicht anders beweisen, als indem sie in entschlossener Freudigkeit alle Verzögerungen aus dem Wege räumt und alle Hindernisse hochgemut überwindet. Da es nicht anders möglich ist, als dass sie in so verworrener, unklarer Lage gleich am Anfang davon abgezogen wird, unschlüssig bleibt und oft auch wankend wird, so habe ich gewagt, auch sie zu mahnen, standhaft auf dem eingeschlagenen rechten Wege zu bleiben. Ob ich damit klug gehandelt habe oder nicht, mögen andere beurteilen. Gelingts, dass unter deiner Mitwirkung meine Mahnung Frucht bringt, so wird mich mein Entschluss nicht reuen. Erlauchtester Mann, bedenke auch du, dass du in den hohen Rang, den du innehast, in deiner Macht- und Ehrenstellung von Gott eingesetzt bist, damit du dich dieser Aufgabe widmest und zur Vollendung dieses Werkes alle deine Kräfte brauchst; und damit dich keine Trägheit beschleiche, so rufe dir zuweilen ins Gedächtnis zurück, wie wichtig die beiden Dinge sind, dass erstlich die schändlich daniederliegende Religion, die durch lästerliche Lügen verunstaltete Heilslehre, der schnöd besudelte Gottesdienst wieder zu ihrem alten Glanze kommen und die Kirche von Flecken gereinigt wird, und zweitens, dass die Kinder Gottes in England Freiheit erhalten, seinen Namen rein zu verehren und die Vertriebenen wieder in die Heimat gesammelt werden. Lebwohl, hochberühmter und von Herzen verehrter Mann. Der Herr leite dich mit seinem Geiste, er behüte dich und mache dich reich in allem Guten.

Genf, 29. Januar 1559.