Dr. Martin Luther an M. Caspar Aquilas, Pfarrherrn zu Salfeld
Die Disputation des Poeten, Euers Gasts, davon ihr schreibt, von heimlichen, verborgenen Werken Gottes, ist eine hohe Anfechtung, die man nennt Gotteslästerung, in welcher Viele verloren und umkommen sind, und ich bin nicht einmal bis auf Todesgefahr damit angefochten worden. Was ist’s doch, dass wir arme elende Menschen grübeln, so wir doch nicht die Strahlen göttlicher Verheißungen mit dem Glauben fassen, oder ein Fünklein von Gottes Geboten und Werken begreifen können? Und diese Beide hat er doch selbst mit Worten und Wunderwerken bestätigt. Allein wir Schwache und Unreine werden eben dahin gerissen, und wollen erforschen und verstehen die unbegreifliche Majestät des unbegreiflichen Licht’s der Wunder Gottes.
Wissen wir denn nicht, dass er wohnt in einem Licht, dazu man nicht kommen kann? Und gleichwohl gehen wir hinzu, ja, vermessen uns dazu zu gehen. Wir wissen, dass seine((Gottes Gerichte und Wege, das ist sein Regiment und Werk; denn Gerichte heißt, was vor ihm Recht oder Unrecht ist, was ihm gefällt oder nicht, und kurz, dem man folgen oder das man meiden soll. Gottes Wege sind, was er den Menschen erzeigen und tun will. D. M. L.)) Gerichte unbegreiflich, und seine Wege unerforschlich sind, Röm. 11. V. 33., und dennoch unterstehen wir uns, dieselben zu erforschen. Und das tun wir, ehe und zuvor wir mit den Strahlen und Fünklein der Verheißungen und Gebote Gottes begossen werden, ehe wir das ABC gelernt haben; wir sehen mit blinden Augen, wie ein Maulwurf die Majestät des Lichtes an, das nicht mit Worten noch Zeichen angezeigt, sondern heimlich im Verborgenen bedeutet ist. Was Wunder, dass uns die Herrlichkeit überfällt und überschüttet, weil wir nach der Majestät forschen? Was Wunder, weil wir es umkehren, und wollen aus Fürwitz, verkehrter, mutwilliger Weise, das höchste, größte Licht der himmlischen Sonne vor dem Morgenstern sehen? Der Morgenstern (wie S. Petrus 2. Epist. 1, 19, sagt,) geht zuvor auf in unsern Herzen, alsdann erst werden wir ihn sehen im Mittage liegen und ruhen.
Lehren soll man zwar von Gottes unausforschlichem und unbegreiflichem Willen; aber sich unterstehen, denselben zu begreifen, dass ist sehr gefährlich, und man bricht den Hals darüber ab. Ich pflege an mich zu halten, und mir selber zu steuern mit diesem Herrn Christi Wort, das er zu Petro sagt, Joh. 21, 22: Folge du mir nach, was geht’s dich an? rc., denn Petrus disputierte und bekümmerte sich auch um Gottes Werk, wie Gott es mit einem Andern machen wollte, wie es dem Johannes gehen würde? Und mit dem, was er dem Philippus, der da sagte, Joh. 14,8: Zeige uns den Vater, antwortet V. 9, 10, glaubst du nicht, dass der Vater in mir ist, und ich im Vater? Wer mich sieht, der sieht auch den Vater rc., steure ich mir auch selber, Philippus hätte auch gerne wollen sehen die Majestät und Gesellschaft des Vaters. Darum sagt Salomo, der weise König: Was dir zu hoch ist, danach frage nichts! Und gesetzt den Fall, wir wüssten alle diese heimlichen Gerichte Gottes, was für größeren Nutzen und Frommen brächte es uns als Gottes Gebote und Verheißung?
Darum siehe und sage Jenem: Will er Friede im Herzen haben, und nicht sehen und erfahren die Gefahr der Lästerung und Verzweiflung, so soll er sich solcher Gedanken entschlagen und enthalten, und wissen, dass sie unbegreiflich sind. Warum soll er sich vom Teufel also plagen lassen mit dem, das unmöglich ist? Gleich als wenn Einer sehr darum sich bekümmerte, wie doch das Erdreich auf dem Wasser bestehen könne, ohne zu ersaufen und unterzugehen, oder dergleichen.
Vor allen Dingen aber und zuerst übe er den Glauben an Gottes Verheißungen und Werke. Wenn er solchen verrichtet und gehalten hat, so sehe er, ob er sich auch mit unmöglichen Dingen bemühen solle. Mag er von denselben Nichts hören, noch sich derselben annehmen, so sehe er zu, dass er sich schnell Rat schaffe und solche Gedanken sich aus dem Kopf schlage und verachte; wiewohl es sehr schwer ist, sie zu verachten und auszuschlagen, weil der Teufel dazu treibt. Denn der Forscher und Bösewicht macht sie nötig zu er forschen; darum muss man hierbei nicht weniger kämpfen mit der Verachtung, als mit dem Unglauben, der Verzweiflung, Ketzerei, oder andern dergleichen Anfechtungen.
Der größte Haufe wird dadurch betrogen, weil sie nicht glauben, dass solche Gedanken vom Teufel herkommen und er damit die Leute anfechte und versucht; darum verachtet dieselben fast Niemand, und wenn sie auch Jemand verachtet, so kämpfet er nicht wider solche feurige, verliebte Pfeile der Fürsten der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, und mit den bösen Geistern unter dem Himmel, wie S. Paulus, Epes. 6, 12, sagt: Denn dadurch ist der Satan vom Himmel gefallen und daraus verstoßen worden, dass er dem Allerhöchsten gleich sein, und Alles wissen wollte, was Gott weiß, und das, was er wissen sollte und ihm von Nöten war zu wissen, verachtete. Darum soll man davor fliehen und sich hüten, klüger sein zu wollen, als sich’s gebührt, sondern bescheiden mit Maß handeln. Wer das nicht tut, der wird unterdrückt und muss vergehen, denn über Christo kann man Nichts denken, so lang jene Gedanken währen und regieren.
Also stürzte der Satan durch die Schlange Adam auch, indem er ihn über die Weisheit und den Willen Gottes, welcher ihm von dem verbotenen Baum zu essen verboten hatte, täuschte und anfocht. Kurz dies ist die Versuchung, und eigentlich ganz und gar teuflisch; darum ist’s genug, mit menschlicher Anfechtung versucht werden. Wir haben mit dieser genug zu tun, dürfen uns also um solche teuflische Gedanken nicht bekümmern, noch ihnen Raum geben; denn wir können sie nicht ertragen, sondern wer ihnen nachhängt, dem brechen sie den Hals ab.
Desgleichen wollt auf die andere Frage antworten, und ihm sagen: Er sollte warten seines Amts, das ihm Gott befohlen hat, und lasse das fahren, was ihm nicht befohlen ist, nämlich, warum ihn ein Anderer nicht höre. Was geht’s dich an? sagt Christus zu Petro, Joh. 21, 22. Folge du mir. Mir, mir folge, nicht deinen Fragen oder Gedanken rc. 21. Oktober 1530.