„O fromme, liebe Frau! seid getreu! weder ihr noch wir haben Zwingli und die Andern verloren: denn wer an Christum glaubt, der hat das ewige Leben. Daher ist meine Ermahnung, wenn ihr den lieben Zwingli im Haus, bei den Kindern, bei euch, auf der Kanzel, bei den Gelehrten nicht mehr leiblich findet, so gedenkt, er sei im Haus Gottes, bei allen Kindern Gottes, da er hört den Mund der Weisheit und das Gespräch der Engel. Es behüte und tröste euch sammt euren Kindern der barmherzige liebe Gott, und verleihe euch Stärke im heiligen Geist, alle Trübsal im HErrn zu überwinden. Amen.“
Kategorie: Schenk Simpert
Schenk, Simpert an Anna Reinhard
Ehrsame, tugendsame und in Gott mein Geliebte: Der Vater alles Trostes erleuchte sein Angesicht mit Freuden über euch; dann ich nit finden kann jemands anders auf dem weiten Umbkreis der Erden, er sei, wer er wolle, der euch in eurer Trübsal trösten könne und möge, weder Er allein. O des weinbarlichen und kläglichen Tages! darein der teure Mann, mein lieber Zwinglius, mit so treffentlichen Leuten gefallen ist. Weil ich aber gewisslich weiß, dass wie niemand lebendig machet, also auch niemand tötet weder der Herr selbs und allein, wann wie und durch wen er will, und seinem Willen niemand Einred tun kann, auch nit soll, und muss ich’s vor Hand geben und den Herren loben in seinen Werken: denn sie sind wahrlich Gericht und Gerechtigkeit ohn allen falsch und trug, voll aller barmherzigkeit und güte. Ist das Haupt Christus durch den Tod ins Leben, wird lang kein Glied dahinten bleiben. O fromme liebe fraw, seid getrew! weder ihr noch wir hand Zwinglin und die anderen verloren. Denn wer in Christum glaubt, hat das ewig Leben. Ist hierum mein Vermahnung, wann ihr etwan, euren Zwinglin, im Haus, bei den Kinden, bei euch, an der Kanzel, in der Lektion, bei den Gelehrten nit mehr leiblich finden, so erschrecken nit; sind nit zu vil traurig, sondern gedenket, er seie im Haus Gottes, bei allen kinderen Gottes, da er hört den Mund der Weysheit und das Gespräch der Engelen. Wohlan der Herr wird nichts an seiner kirchen versäumen: wirds auch nit verlassen: Sie wird nichts desterminder sieghaftig fürfahren und wachsen: Geschiehts nit in der Zahl, wirds doch geschehen im Wesen. Behüte und tröste euch selbs mit eueren kinderen der barmherzige liebe Gott und verleihe euch stärke im heil. Geist, alle Trübsal im Herren zu überwinden, Amen. Lasset mich und mein Memmingen euch gegen Gott in euerem Gebett befohlen sein. Datum zu Memmingen den IX. Novbr. 1531.
Ich sollte Euch trösten, und kann es nicht, denn Gott allein vermag’s. Wenn ich gedenke, daß solche Leute, wie mein hochliebster. Zwingli, uns entrissen worden, so möchte mein Herz mir brechen. Tröstete mich das heilige, wahrhafte Evangelium nicht, so könnte ich’s nicht ertragen. Weil ich aber gewißlich weiß, daß, wie niemand lebendig macht, also auch niemand tödtet, als der Herr, und allein wann, wie, wo und durch wen er will, und seinem Willen niemand Einrede thun mag noch soll, so muß ich den Finger auf den Mund legen, schweigen und den Herrn loben in seinen Werken, denn sie sind Recht und Gerechtigkeit, voll Barmherzigkeit und Güte. Er, der ohne sein Vorwissen keinen Sperling in ein Garn und kein Härlein von unserm Haupte fallen läßt, wie hätte Er mögen vergessen Eures über Gold und Edelgestein edlen Mannes, der sich in seines Gottes Geschäften so ritterlich und allweg unverzagt, auch bis in den kalten Tod gehalten? Was kein Mensch gegen seinen Knecht, wie sollte es Gott thun gegen seinen so theuren Diener? – Haben Viele sich an Christi Tod geärgert, so ist es kein Wunder, wenn über Zwingli’s Fall mancherlei scharfe Urtheile sich erheben werden, auch von Etlichen, die sich evangelisch nennen. Die Welt sieht eben nur auf das Sichtbare, der Glaube aber auf das Unsichtbare. Im Sichtbaren sind viele Gottes-Feinde, in mancher Schlacht, auch in dieser, mit den Frommen einerlei Todes gestorben, verblutet und erstarrt. Im Unsichtbaren sind die, welche um der Wahrheit willen ihr Leben geopfert, durch den leiblichen Tod in’s ewige Leben eingegangen. Wer an Christum glaubt, hat das ewige Leben. Wenn mein Zwingli aber geglaubt, bezeugen seine Bücher, die bis an den jüngsten Tag reden werden, lauter und gewaltiger als des Hussen Blut. Nein, wir haben ihn nicht verloren. Wenn Ihr Euern Zwingli nicht mehr im Hause, bei den Kindern, bei Euch, auf der Kanzel, in der Lektion, bei den Gelehrten leiblich findet, so seid nicht zu viel traurig, sondern bedenket: er sei im Hause Gottes, dem triumphierenden Jerusalem, bei allen Kindern Gottes … Mußte nicht eben da, wo Christus gekreuzigt, sein Evangelium ausbrechen, nach dem Spruch der alten Lehrer: Der Gläubigen Blut ist der Gläubigen Same? Ist nicht Hussens Asche zu Konstanz nach hundert Jahren aufgegangen? So wird auch der Tod unsers Zwingli wuchern. Mag es sein, daß Etliche zu viel auf ihn gehofft und auf seine persönliche Gegenwart gebaut, und daß mein liebes Zürich sich solcher trefflicher Männer überhoben hat, so ist es auch Gnade von Gott, wenn er uns jetzt demüthigt.