Nr. 758 (C. R. – 4103)
Guillaume de Trie, Sieur de Varennes, (vgl. 674) war Calvins bester Freund in Genf gewesen. Calvins Stiefschwester Marie war schon 1536 von Noyon ihren Brüdern in die Schweiz gefolgt; ihr Gatte Charles Costan ist weiter nicht bekannt. Antoine Calvin hatte aus erster Ehe mit Anne Lefert (vgl. 516) vier Kinder Samuel, David, Anne und Susanne, aus zweiter mit Antoinette Commelin vier Jean, Dorothee, Judith, Marie; die beiden letzten erst nach Calvins Tod geboren. Erst seit 1559 war Calvin Bürger von Genf.
Bekenntnis und letzter Wille.
Im Namen Gottes. Jedermann sei kund und zu wissen, dass im Jahr eintausendfünfhundertvierundsechzig am fünfundzwanzigsten Tag des Monats April ich, Pierre Chenelat, Bürger und vereidigter Notar von Genf, gerufen worden bin zu dem hochansehnlichen Herrn Johannes Calvin, Diener an Gottes Wort in der Kirche von Genf und Bürger von Genf. Dieser krank und leidend, doch nur leiblich, hat mir erklärt, er wolle ein Testament machen zur Äußerung seines letzten Willens und hat mich ersucht, es aufzuschreiben, genau wie er diktiere und vorspreche. Nach dieser seiner Forderung habe ich getan und es vor ihm aufgeschrieben, Wort für Wort, wie er es mir diktierte und vorsprach, ohne etwas wegzulassen und dazu zu tun in folgender Form:
Im Namen Gottes. Ich, Johannes Calvin, Diener an Gottes Wort in der Kirche von Genf, fühle mich von verschiedenen Krankheiten so zerschlagen, dass ich nicht anders denken kann, als Gott wolle mich bald heimholen aus dieser Welt, und habe mich deshalb entschlossen, ein Testament und eine Äußerung meines letzten Willens schriftlich aufsetzen zu lassen in folgender Form:
Zuerst danke ich Gott, dass er Mitleid gehabt hat mit mir, seiner armen Kreatur, und hat mich herausgezogen aus dem Abgrund des Götzendienstes, in dem ich steckte, um mich ans Licht des Evangeliums zu ziehen und mit teilhaben zu lassen an der selig machenden Lehre, deren ich nicht wert war; er hat auch seine Barmherzigkeit weiter walten lassen und hat mich getragen mit allen meinen Fehlern und Schwachheiten, mit denen ich hunderttausend mal verdient hätte, von ihm verworfen zu werden. Und nicht nur das, sondern noch mehr: er hat seine Gnade so weit gehen lassen an mir, dass er mich und meine Arbeit zur Förderung und Verkündigung der Wahrheit seines Evangeliums brauchte. So erkläre ich, dass ich leben und sterben will in diesem Glauben und keine andere Hoffnung und Zuversicht habe als darauf, dass er mich aus Gnaden angenommen hat, worauf all meine Seligkeit beruht; ich nehme die Gnade an, die er mir in unserm Herrn Jesu Christo erwiesen hat, und stütze mich auf das Verdienst seines Leidens und Sterbens, auf dass dadurch alle meine Sünden begraben seien; auch bitte ich ihn, er wolle mich waschen und reinigen durch das Blut dieses unseres großen Erlösers, das vergossen worden ist für alle armen Sünder, damit ich erscheinen könne vor seinem Angesicht, sein Bild an mir tragend.
Ich erkläre auch, dass ich nach dem Maß der Gnade, die er mir verliehen hat, mich bemüht habe, sein Wort rein zu lehren in Predigten und Schriften und die heilige Schrift getreulich auszulegen. Auch habe ich in allen Streitigkeiten, die ich mit den Feinden der Wahrheit durchzufechten hatte, nie Hinterlist noch Sophisterei gebraucht, sondern bin stets ehrlich vorgegangen in der Verteidigung seiner Sache. Aber ach, das Wollen, das ich hatte, und mein Eifer, wenn ich so sagen darf, waren so kalt und feige, dass ich mich recht schuldig fühle in allem und überall, und wäre nicht seine unendliche Güte, so wäre all mein leidenschaftliches Streben nichts als Rauch gewesen; ja die Gnadengaben, die er mir verliehen, machten mich nur noch schuldiger; so bleibt meine Zuflucht, dass er der Vater der Barmherzigkeit ist und sich auch als der Vater eines so elenden Sünders zeigen und erweisen wird.
Im Übrigen ist mein Wunsch, dass mein Leib nach meinem Tod begraben werde auf die gewöhnliche Weise, und so will ich auf den Tag der seligen Auferstehung warten.
Was nun die Anordnungen über das bisschen Hab und Gut betrifft, das mir Gott gegeben hat, so ernenne und setze ich ein als meinen einzigen Erben meinen herzlich geliebten Bruder, Antoine Calvin, jedoch nur ehrenhalber, indem ich ihm von Rechtswegen den Becher hinterlasse, den ich von Herrn de Varennes erhalten habe, und ihn bitte, sich damit zufrieden zu geben; dessen bin ich ja auch gewiss, weil er weiß, dass ich das nur deshalb tue, damit das Wenige, was ich hinterlasse, seinen Kindern verbleibe.
Danach vermache ich der Akademie zehn Taler und der Stipendienstiftung für arme Fremde ebensoviel. Ebenso der Jeanne, Tochter des Charles Costan und meiner Stiefschwester von väterlicher Seite die Summe von zehn Talern. Dann den Söhnen meines oben genannten Bruders, Samuel und Jean, meinen Neffen, jedem vierzig Taler. Und meinen Nichten Anne, Susanne und Dorothee jeder dreißig Taler. Dagegen meinem Neffen David, ihrem Bruder, vermache ich, weil er leichtsinnig und flatterhaft gewesen ist, nur fünfundzwanzig Taler als Strafe.
Das ist im Ganzen alles Gut, das mir Gott gegeben hat, nach dem, wie ich es bestimmen und schätzen konnte nach dem Wert meiner Bücher, sowie der Möbel, des Hausrats und alles Übrigen. Wenn sich jedoch noch mehr fände, so soll es unter meine genannten Neffen und Nichten verteilt werden, wobei David nicht ausgeschlossen sein soll, wenn ihm Gott die Gnade gibt, fortan sich maßvoller und gesetzter zu benehmen. Doch glaube ich, es wird diese Verteilung nicht mehr viel Schwierigkeit machen, besonders wenn meine Schulden gezahlt sind, womit ich meinen Bruder beauftragt habe; auf ihn verlasse ich mich dabei und ernenne ihn zum Vollstrecker dieses Testaments, zusammen mit dem hochansehnlichen Herrn Laurent de Normandie; ich gebe ihnen Vollmacht, das Inventar aufzunehmen ohne weitere gerichtliche Förmlichkeit und meinen Hausrat zu verkaufen, um Geld daraus zu machen und zu erhalten, zur Ausführung des in diesem Testament am fünfundzwanzigsten April eintausendfünfhundertvierundsechzig niedergelegten Inhalts. So ist es.
Johannes Calvin.
Nachdem ich obiges geschrieben, unterzeichnete genannter hochansehnlicher Herr Calvin sofort mit seiner gewöhnlichen Unterschrift die Niederschrift dieses Testamentes. Folgenden Tages, nämlich am sechsundzwanzigsten Tag des Monats April im Jahr eintausendfünfhundertvierundsechzig ließ genannter hochansehnlicher Herr Calvin mich wiederum rufen, zusammen mit den hochansehnlichen Herren Theodor Beza, Raymond Chauvet, Michel Cop, Louis Enoch, Nicolas Colladon, Jacques des Bordes, Dienern an Gottes Wort in dieser Kirche, und dem hochansehnlichen Herrn Henri Scrimger, Professor der freien Künste, alle Bürger von Genf. In ihrer Gegenwart hat er erklärt, er habe mich vor ihm und nach seinem Wortlaut dieses Testament in obiger Form und obigen Worten schreiben lassen, und hat mich gebeten, es in seiner und genannter Zeugen Gegenwart vorzulesen; dieser Forderung und Bitte entsprach ich und las es mit lauter Stimme Wort für Wort. Nach dieser Vorlesung hat er erklärt, dies sei sein Wille und seine letzte Anordnung und so solle es gehalten werden. Zur besseren Bestätigung dessen hat er gewünscht und verlangt, alle oben genannten möchten es mit mir unterzeichnen, was auch geschah im oben genannten Jahr und Tag in Genf in der so genannten Stiftsherrengasse und des Testators Wohnhause. Zur Beglaubigung dieses und zum Beweis und Grund, habe ich dieses Testament in obige Form gebracht, um es allen, die es angeht, zuzustellen, unter dem Gemeinsiegel meiner sehr geehrten Herren und Obern und meiner gewöhnlichen Handsignatur.
So gesiegelt.
P. Chenelat.