Melanchthon an Luther.

Man hat dafür gehalten, es sollte heutiges Tages der Papisten vermeinte Confutation, wider unsere Confession, öffentlich verlesen sein; aber es ist nicht geschehen. Gleichwohl hält man, daß sie damit länger nicht verziehen werden. Darnach sollen, wie Etliche sagen, schreckliche Edikte folgen. Wiewohl ich aber noch nichts Gewisses davon schreiben kann: so habe ich doch viel Nachricht, daß ich leichtlich glaube, wir werden keinen sehr gnädigen oder gelinden Abschied erhalten. Jedoch hören wir nicht auf, unsern Herrn Christum zu bitten, daß er des Kaisers Herz zum Frieden neigen wolle. Etliche zeigen an, daß uns nicht undienlich sein sollte, wenn wir ans Concilium oppellirten. Aber nach wenig Tagen wollen wir allen Zustand dieser Sachen vornehmen. Was sonst allhier vorläuft, wird Euch er, Caspar Aquila erzählen, den allhier nicht allein unsere Freunde, sondern auch der Bischof von Augsburg selbst ehrlich traktiret hat.

Derselbige Bischof hat auch heute im Fürstenrath, ohne allen Scheu, Eure Vermahnung an die Geistlichen gelesen. Er nimmt sich unser ganz ernstlich an; aber wie viel er ausrichte, kann ich noch nicht sehen. Hiemit Gott befohlen. Den 30. Jul. 1530.

Quelle:
Philipp Melanchthon's Werke, in einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl. Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe Erster Theil Leipzig: F.A. Brockhaus 1829