Nr. 725 (C. R. – 4015)
Vgl. 724.
Sachlicher Kampf gegen den Unitarismus, kein persönlicher gegen Lismanino.
So ist die Zeit ernstlicher Heimsuchung nun da; überall gibt Gott dem Satan Freiheit. Von der traurigen Lage meines lieben Frankreich wage ich kaum zu reden. Denn nach unzähligen Blutbädern, Plünderungen von Städten, allgemeinen Räubereien fahren die Feinde des Evangeliums so frech weiter, wie sie begonnen. Man hat versucht, Frieden zu machen; aber die königliche Macht wird von vielen verachtet, und es ist kein Ende abzusehen, bis einmal der Fanatismus der Gegner mit Waffengewalt überwunden und unterdrückt wird. Gleichzeitig erregen in ganz Deutschland aufdringliche Menschen allerlei Wirren und verstümmeln die reine Lehre.
Bei Euch in Polen hat zuerst Stancaro nichts unversucht gelassen, alles durcheinander zu bringen, und dann kam von der Gegenseite her Blandrata und zerstörte die Grundlagen des Glaubens. Zwar hat mich das nicht verwundert, dass ein Mensch von seinem nicht nur argen, sondern geradezu heillosen Charakter bei Euch, wo man ihm mehr Freiheit ließ, dasselbe versuchte wie bei uns; als ich aber aus deinem Briefe erfuhr, dass eine ganze, große Schar von Männern mit einem Male von Wahnsinn erfasst sei, erschrak ich doch heftig. Als man mir neulich ein Flugblatt zeigte, das Christum zu einem Gott, der er erst geworden ist, machte, schrieb ich eine Warnung, die hoffentlich bereits zu Euch gelangt ist. Nun willst du mich durch dein frommes Mahnen dazu bringen, ich solle das stets größer werdende Unheil nochmals zu heilen versuchen. Wenns nur nicht eine so unfruchtbare Arbeit wäre! Besonders dringend verlangst du, ich solle mich mit meiner Feder gegen Lismanino wenden. Verzeih, verehrter Bruder, wenn ich nicht sofort deinen Wunsch erfülle. Ich habe ihm längst zu wissen getan, als er mir verdächtig wurde, wenn er Blandrata begünstige, werde er mein erklärter Feind sein. Lügnerisch hat er geantwortet, er stehe dessen Irrlehren ganz ferne. Er hat mich betrogen; ich sehe es und habe übrigens schon damals nicht anders geurteilt. Da ich mich aber über Blandrata bereits öffentlich und privatim freimütig geäußert hatte, wie es nötig war, so glaubte ich meine Pflicht getan zu haben, da mein Urteil auch alle seine Anhänger traf. Unfreundlich aber ist es von dir, wenn du sagst, ich müsse wieder gut machen, was Lismanino verbrochen, weil er von mir aufs beste empfohlen zu Euch gekommen sei. Als ob er nicht auch bei uns die herrlichsten Empfehlungen vorgewiesen hätte, in denen ihn die Polen in den Himmel erhoben! Als er im Sinn hatte, wieder nach Polen zu reisen, und sich stellte, als brenne er vor Eifer ums Evangelium, bat ich die Brüder, einen Mann freundlich aufzunehmen, der durch seinen großen Einfluss ihnen ein guter Helfer sein könne. Da du mir aber nun solche Vorschriften machst, will ich künftig mit meinen Empfehlungen sparsamer und vorsichtiger werden. Übrigens, wenn ich zu freigebig war im Lob für ihn, warum denn habt Ihr nicht vielmehr dem geglaubt, was Ihr erfuhret, als dem, was ich sagte? Ich weiß, du forderst um der andern willen, [ich solle mich gegen ihn wenden]; aber es ist doch niemand so verblendet, nicht einzusehen, dass mein Urteil über Blandrata sich auch auf Lismanino bezog, so dass es überflüssig ist, von einer sachlichen Behandlung abzugehen und ihn persönlich dranzunehmen. Vielmehr möchte ich lieber, du samt den andern überzeugtest dich, dass mein Kampf der Gottlosigkeit gilt und sich nicht gegen die einzelnen Persönlichkeiten richtet. Du bist jedenfalls mit dieser Auffassung einverstanden; da aber oft der Streit die Blicke trübt, so bitte ich dich, lieber Bruder, doch alle Kraft auf die Bekämpfung der teuflischen Irrlehre selbst zu wenden. Setzt sich Lismanino zur Wehr, so heißts mannhaft seiner Tollheit widerstehen; will er sich durch geheime Machenschaften verborgen halten, so wird Gott seinen Betrug bald ans Licht bringen. Lebwohl, trefflicher Mann und von Herzen verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite dich mit dem Geiste der Klugheit und segne dein Wirken.
Genf [April 1563].