Nr. 656 (C. R. – 3347)
Stadnitzki hatte an die Schweizer Reformatoren geschrieben in der Meinung, sie stünden auf Seiten Stancaros.
Von unitarischen und trinitarischen Streitigkeiten.
Es tut mir leid, edelster, hochverehrter Mann, dass die kleine Schar von Gläubigen, die in Polen dem Evangelium die Ehre gegeben haben, schon durch inneren Zwist gespalten ist. Ohne Zweifel werden die Papisten, wenn sie den Bau schon gleich im Anfang wanken sehen, umso wilder höhnen; doch soll feststehen und im heiligen Kriegsdienst standhaft weiter kämpfen, wer in Christo lebendige Wurzel gefasst hat.
Wie bei Euch die Lehre vom einen Gott und den drei Personen in seinem Wesen verunstaltet werden konnte, wissen wir nicht; es sei denn, dass zu unserm Missfallen Giorgio Blandrata, ein Mensch, ganz durchtränkt von verkehrten Wahnideen, von gewissen Leuten gar zu freundlich aufgenommen worden ist, die trotzdem mit lautem Mund versichern, sie stünden seinen Irrlehren durchaus fern. Da sie also alle seine gottlosen, verkehrten, schon einstmals von den orthodoxen Kirchenvätern verurteilten Ansichten offen verabscheuen wie wir und unser Bekenntnis unterschreiben, so steht es unserm Rechtsgefühl nicht an, über sie ein scharfes Urteil zu fällen, ehe wir die Sachlage besser kennen. Unser Glaube aber ist für die ganze Welt zu gut bezeugt, als dass auf uns der geringste Verdacht fallen könnte, der uns die Schuld an den Fehlern anderer auflüde.
Was den zweiten Streitpunkt betrifft, so musst du es verzeihen, wenn uns die Wahrheit zwingt, anderer Meinung zu sein als du, wie du aus unserer beiliegenden Antwort deutlicher ersiehst. Umso mehr müssen wir dich bitten, dich nicht von dem maßlos heißen Drang Stancaros hinreißen zu lassen. Wenn er in reinem, lauterem Eifer die wahre Lehre so energisch verteidigte, so wäre sein hochgemuter Sinn ja ganz lobenswert; ja wir würden ihm auch gern verzeihen, dass er in dem mit Recht übernommenen Streit das rechte Maß überschreitet; da aber sein Ehrgeiz, der ihn zum Kampf treibt, manche schlimme Begleiterscheinung mit sich zieht, so ziemt es deiner Klugheit, dich davor zu hüten, dem Unruhestifter bei seiner Kirchenspaltung behilflich zu sein, und ebenso stünde es deiner Frömmigkeit an, den Eifer, der schlecht angewendet wird zur Parteibildung, vielmehr zur Schlichtung dieser Händel zu brauchen. Erst dann wird dies vollendet sein, wenn alle die Wahrheit erkennen und sich damit zufrieden geben, statt dass einer sich jetzt rühmt, den andern besiegt zu haben, und sich mit der Zustimmung der Menschen brüstet.
Dies mögest du, vortrefflicher Mann, in deiner Freundlichkeit zum Guten aufnehmen, denn wir hielten es für gut, frei heraus zu sprechen, da du uns in deinem Brief mit einer indirekten Andeutung vorwirfst, wir seien allzu sehr für unsern guten Ruf und unser Ansehen besorgt. Zwar nehmen wir an, du habest keinen andern Vorsatz, als der Sache, die dir die gute erscheint, deinen Schutz angedeihen zu lassen, aber doch merken wir, was diese Worte bedeuten und worauf sie zielen. Wenn du das näher in Erwägung ziehst, so können wir es deinem Urteil überlassen, wie du unsere Gesinnung erforschen darfst. Lebwohl, edelster, verehrter Herr. Wir bitten den Vater des Herrn Jesu Christi, unseres einigen Mittlers, er wolle nicht zulassen, dass sein Polen so glücklich begonnenes Werk zerspalten und zerrissen, ja von den Ränken des Satans zerstört werde; er wolle auch dich behüten, dich leiten mit dem Geist der Klugheit und der Kraft und dich täglich reicher werden lassen an seinen Gaben.
26. Februar 1561.