Nr. 588 (C. R. – 3003)
Lord Burleigh war bereits unter Eduard VI. im königlichen Rate gewesen und war ein besonnener Förderer der Reformation in England.
Mahnung zu eifriger Reformationstätigkeit.
Wenn ich vorhabe, hochberühmter Mann, vertrauensvoll an dich zu schreiben, obwohl ich dir von Angesicht unbekannt bin, so brauche ich keine lange Entschuldigung; denn nach dem Zeugnis einiger frommer Brüder, die mir deine Freundlichkeit priesen, verlasse ich mich darauf, dass du von selbst geneigt bist, meinen Brief freundlich aufzunehmen, besonders, wenn du aus der Lektüre meine Absicht erkennst. Seitdem die fürchterliche Finsternis, die die Herzen der Frommen fast betäubt hatte, gewichen ist und ein neues Licht plötzlich wider alles Erwarten neue Hoffnungsstrahlen aussendet, heißt es, du mühest dich in der außergewöhnlich begünstigten Stellung, die du bei der allergnädigsten Königin einnimmst, eifrig, den papistischen Aberglauben, der seit vier Jahren in England wütete, niederzuwerfen und die wahre evangelische Lehre sowie den reinen, unverfälschten Gottesdienst wieder zur Geltung zu bringen. Ich brauche dich deshalb nicht zu mahnen, freimütig und offen für Christus zu kämpfen, sondern es bleibt mir nur übrig, dir zu sagen, dass du darin noch energischer und in unüberwindlicher Festigkeit fortfahren sollst und dass dein frommes Unternehmen durch keine Beschwerden und Schwierigkeiten, Kämpfe und Drohungen, ich will nicht sagen, verhindert, sondern nur aufgehalten werden soll. Denn ich zweifle nicht daran, dass dir zuweilen Hindernisse sich in den Weg stellen und Gefahren vor Augen treten, die den Tapfersten schwach machen könnten, wenn ihn Gott nicht mit der Wunder wirkenden Kraft seines Geistes unterstützte; aber es handelt sich eben hier um eine Sache, die zu verteidigen wir keine Mühe scheuen dürfen. Solange die Kinder Gottes hingemordet wurden wie in einem Schlachthause, da bist du, auch du, mit den andern verstummt; nun musst du, da durch eine plötzliche, fast unglaubliche Wohltat Gottes wieder größere Freiheit zurückgekehrt ist, wenigstens jetzt Mut fassen und, wenn du vorher furchtsam warst, dies jetzt durch heißen Eifer wieder gut machen. Zwar ich weiß wohl, manchmal ist falsche Übereilung auch schädlich, und schon manche haben durch unbedachten, überstürzten Eifer aufgehalten, was sie in einem Augenblick ans Ziel bringen wollten; aber umgekehrt musst du auch wohl erwägen, dass es Gottes Werk ist, die reine Wahrheit des Evangeliums und, was alles damit zusammenhängt, zu schützen, und dass es deshalb nicht lässig angefasst werden darf. Du kannst aus deiner Kenntnis der Lage besser beurteilen, welche Fortschritte gemacht werden können und wo wiederum mit Mäßigung vorgegangen werden muss; aber das musst du im Sinn behalten, alles Zögern, mit welchen schönen Ausreden es sich auch decken mag, muss dir verdächtig sein. Eine Befürchtung ist vermutlich die von Volksunruhen, da unter dem Adel nicht wenig Aufruhrbrennstoff liegt, und dass, wenn in England innere Unruhen ausbrächen, die Nachbarn, die bei jedem Anlass nur allzu deutlich drohen, nur darauf warten. Aber da die Königin durch Gottes Hand in wunderbarer Weise auf den Thron gekommen ist, so kann sie ihm ihre Dankbarkeit nicht anders beweisen, als indem sie in entschlossener Freudigkeit alle Verzögerungen aus dem Wege räumt und alle Hindernisse hochgemut überwindet. Da es nicht anders möglich ist, als dass sie in so verworrener, unklarer Lage gleich am Anfang davon abgezogen wird, unschlüssig bleibt und oft auch wankend wird, so habe ich gewagt, auch sie zu mahnen, standhaft auf dem eingeschlagenen rechten Wege zu bleiben. Ob ich damit klug gehandelt habe oder nicht, mögen andere beurteilen. Gelingts, dass unter deiner Mitwirkung meine Mahnung Frucht bringt, so wird mich mein Entschluss nicht reuen. Erlauchtester Mann, bedenke auch du, dass du in den hohen Rang, den du innehast, in deiner Macht- und Ehrenstellung von Gott eingesetzt bist, damit du dich dieser Aufgabe widmest und zur Vollendung dieses Werkes alle deine Kräfte brauchst; und damit dich keine Trägheit beschleiche, so rufe dir zuweilen ins Gedächtnis zurück, wie wichtig die beiden Dinge sind, dass erstlich die schändlich daniederliegende Religion, die durch lästerliche Lügen verunstaltete Heilslehre, der schnöd besudelte Gottesdienst wieder zu ihrem alten Glanze kommen und die Kirche von Flecken gereinigt wird, und zweitens, dass die Kinder Gottes in England Freiheit erhalten, seinen Namen rein zu verehren und die Vertriebenen wieder in die Heimat gesammelt werden. Lebwohl, hochberühmter und von Herzen verehrter Mann. Der Herr leite dich mit seinem Geiste, er behüte dich und mache dich reich in allem Guten.
Genf, 29. Januar 1559.