Nr. 580 (C. R. – 2955)
Metz, obwohl in französischer Macht, gehörte nominell noch zum deutschen Reich; so suchte die trotz der Guisen entstandene evangelische Gemeinde ihren Schutz bei deutschen Fürsten. Sie hatte Calvin gefragt, ob sie es wagen dürfe, schon ehe sie dieses Schutzes sicher sei, offen aufzutreten. 1543 war den Metzer Evangelischen vertragsmäßig freie Religionsübung in einer Kirche der Stadt zugestanden worden. Antoine de Dommartin in Neuchatel (vgl. 569) interessierte sich für die Gemeinde in Metz und hatte ihr einen Prediger namens Pierre Villeroche gesandt. Über Pierre Alexandre, französischen Pfarrer in Straßburg, vgl. 457.
Eigenes Handeln besser als Verlass auf Fürstenhilfe.
Sehr geliebte Herren und Brüder, nachdem wir Herrn de Dommartin gehört und auch Eure schriftliche Darstellung der Verhältnisse gelesen haben, scheint es uns, Ihr tätet am besten, in Gottes Namen mit öffentlichen Versammlungen zu beginnen, sowohl zum Gebet als auch zur Belehrung in seinem Wort; denn nur so gelangt Ihr in den Besitz und gebt Anlass zu der Hilfe, die Ihr braucht, nämlich dass der Pfalzgraf und die anderen Fürsten sich der Sache annehmen. Denn tut Ihr nicht in Metz selbst etwas, so wird – glaubt mir – alle fremde Verwendung für Euch sehr kühl herauskommen, so sehr man sich darum bemüht. Erstlich wissen wir nicht, ob der Pfalzgraf dazu zu bringen wäre, beim König um Versammlungsfreiheit für Euch zu bitten; denn damit gäbe er sich den Schein, als anerkenne er die Usurpationspolitik Frankreichs Eurer Stadt gegenüber. Aber den Fall angenommen, es sei dies bereits erreicht, so seht, ob es nicht eher ein Rückschritt als ein Fortschritt wäre, denn ein solches Bittgesuch wäre bald abgeschlagen und irgendein Schreiber fände leicht allerlei Vorwände, dass man gar nicht darauf einträte. Dagegen zettelte dann der König in Metz selbst neue Ränke an, um Euer Vorhaben zu hintertreiben, und ihr wäret weiter vom Ziele als je. Deshalb ist es vor allem nötig, dass Ihr Euch einfach in Besitz des Versammlungsrechts setzt, damit Ihr dann von den Fürsten darin begünstigt und unterstützt werdet. Übrigens sind wir der Meinung, beides sollte zugleich geschehen, nämlich dass Ihr beginnt, durch Versammlungen in einem Privathaus den Wunsch nach der reinen, evangelischen Lehre zu äußern, und während dem bereits jemand wisst, der bei den Fürsten darauf hinarbeitet, dass sie Eure Sache an die Hand nehmen. Wir sehen wohl, dass das Versammlungsverbot, das man gegen Euch erlassen hat, dem Wagnis, etwas zu beginnen, ehe Ihr fremder Hilfe sicher seid, stark im Wege steht. Aber wenn möglich, müsst Ihr diese Versuchung überwinden; denn habt Ihr nicht den Mut, Euch offen zu erklären, so wird sich kein Fürst finden, der mit der Sache zu tun haben will, und wenn sie sich sogar für Euch verwendeten, würde es nichts nützen. Werdet Ihr übrigens wegen der Übertretung des Versammlungsverbots gescholten und bedrängt, so könnt Ihr Euch damit entschuldigen, dass Ihr es nicht verletzt zu haben glaubt, da Ihr ja die Staatsordnung nicht stört, sondern nur von der Freiheit Gebrauch macht, die Euch im Vertrag von 1543 gewährleistet worden ist. Dass dieser Vertrag Euch hilft, könnt Ihr ruhig behaupten, da ja, was seither unter den Ständen des deutschen Reichs beschlossen worden ist, ihm durchaus entspricht. Ihr könnt auch darauf hinweisen, dass der König, insofern er sich Protektor von Metz nennt, Euch an Eurer Freiheit nicht hindern darf und ebenso wenig sein Kronrat, da der König [als Protektor von Metz] Glied des deutschen Reiches ist. Immerhin wird es meines Erachtens das beste sein, als Prediger einen Mann zu wählen, der nicht seiner Herkunft nach Untertan des französischen Königs ist, damit man sich nicht so kühn an ihn wagt. Wäre es möglich, mit Erlaubnis der gnädigen Herren von Straßburg Mag. Pierre Alexandre zu erhalten, so wäre das das Beste; denn er ist Bürger ihrer Stadt, und sie hätten damit mehr Anlass, sich der Sache anzunehmen. Ihr dürft zwar glauben, dass auch jeder von uns bereit wäre, sich für Euch hinzugeben bis ans Ende; aber ein besonderer Grund hindert uns daran, nämlich dass einige Tollköpfe in Deutschland unter dem Vorwand, dass wir ihrer phantastischen Lehre von der leiblichen Gegenwart Jesu Christi im Abendmahlsbrot nicht beipflichten, uns heftigere Gegner wären als die Papisten. So wollen wir, da es für den Augenblick besser ist, sich ruhig zu verhalten, Euch nur raten, was wir an Eurer Stelle täten. Macht es Schwierigkeit, von den gnädigen Herren von Straßburg für Mag. Pierre Alexandre Urlaub zu erlangen zu einem solchen Versuch in Metz, so müsste man die Fürsten in diesem Fall ersuchen, die Straßburger heimlich zu ermahnen und aufzufordern; denn wir sind überzeugt, sie tun es, wenn sie sich dazu ermächtigt sehen. Das ist so im großen und ganzen das Vorgehen, das wir für das beste und praktischste halten, und da Euch seine Schwierigkeiten Bedenken machen könnten, so bitten wir Euch, zu erwägen, dass es Gottes Sache ist, in der man sich nicht feige zeigen darf. Vielmehr vertraut auf ihn, er wird in seiner Macht dahin wirken, dass es einen bessern Ausgang nimmt, als Ihr nur ahnen könnt; denn es handelt sich um die beiden Dinge, die ihm am meisten gelten, seine Ehre und das Heil seiner Kirche. Ihr dürft nicht zweifeln: wenn Ihr daran arbeitet, seinen Dienst wiederherzustellen und für seine Anbetung und für Verkündigung der Lehre des Lebens unter Euch zu sorgen, dann wird er seine starke Hand über Euch halten. Und hat Euch bisher Furcht gehindert, Eure Pflicht zu tun, und der heiligen Wahrheit Gottes die Tore von Metz verschlossen gehalten, so gebt Euch Mühe, die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen. Da wir unsrerseits nicht mehr tun können, werden wir mit Euch kämpfen in unserm Gebet, wie wir den lieben Gott und Vater der Barmherzigkeit bitten, Euch in seiner Hut zu halten, Euch zunehmen zu lassen an allen Geistesgaben, Euch zu leiten durch seinen Geist und Euch zu stärken zu unüberwindlicher Standhaftigkeit, damit er verherrlicht werde.
Den 10. September [1558].