Calvin, Jean – An Wenzel Zuleger in Zweibrücken.

Nr. 576 (C. R. – 2945)

Wenzel Zuleger war der Nachfolger des Tremellius am Zweibrücker Hofe als Prinzenerzieher; er hatte wohl mit Zewel (vgl. 553) in Bourges und Genf studiert. Pfr. Marbach (vgl. 409) war Calvins Hauptgegner in Straßburg. Weggelassen eine undurchsichtige Notiz.

Warnung vor dem Hofleben und vor Pfr. Marbach. Über Melanchthon und das Wachstum des Evangeliums in Frankreich.

Dass du nun am Hof des durchlauchtigsten Herzogs von Zweibrücken aufgenommen bist, trefflicher Mann, dazu gratuliere ich mir und dir; mir, weil du uns so viel näher gerückt bist, dir, weil dir dadurch Gelegenheit und Fähigkeit gegeben ist, die Ehre Gottes zu verherrlichen. Die Erfahrung wird dich übrigens bald lehren, wie voll Verderbnis heutzutage die Fürstenhöfe sind, und so musst du dich sorglich in acht nehmen, dass du dich darin nicht befleckst. Ich habe das feste Zutrauen, dass du das auch ohne Mahnung tätest.

Von der frommen Absicht des Herzogs, ein Gymnasium zu gründen, habe ich bereits gehört; doch dass er Herrn Marbach mit seiner Ausführung betraut hat, wusste ich noch nicht bisher. Wenn ihm nur die andern nicht gleichen! Denn wenn er, [wie du sagst,] von uns in seinen Ansichten nicht abweicht, so ist es umso schlechter, da er uns dann ohne Grund so feind ist. Ich sehe, er hat dich mit falscher Freundlichkeit getäuscht, wie er aller Welt Gunst durch seine Schmeicheleien zu erhalten sucht; aber nachher spritzt er dann heimlich sein Gift aus. Tatsächlich, wenn ich höre, dass von ihm etwas Gutes kommt, will ichs zum unverhofften Gewinn rechnen. Wenn du meinst, die Statuten unseres Konsistoriums könnten dir von Nutzen sein, so will ich sie dir bei nächster Gelegenheit in Abschrift zukommen lassen; jetzt ist die Zeit zu knapp dazu, weil dein Brief erst kurz vor der Abreise Crispins hier ankam. Was nun den Brief Melanchthons an mich angeht, den du haben möchtest, um unsere Übereinstimmung in der Abendmahlslehre zu beweisen, so weiß ich nicht, ob es gut wäre, ihn nicht ganz zuverlässigen Leuten vorzulegen, da sich Melanchthon schon darüber beschwert hat, dass seine vertraulichen Schreiben an mich überall verbreitet würden. Du weißt, wie ängstlich er ist; aber obwohl ich sehe, dass er sich umsonst fürchtet, möchte ich ihn doch in seinem hohen Alter geschont wissen. Das Beste wäre es wohl, wenn der Herzog ihn direkt fragte über seine Übereinstimmung mit uns. Denn wenn Melanchthon nicht irgendwelche Hinterlist dabei vermutet, so wird er seine Meinung frei äußern.

Dass bei uns in Genf die Krankenkommunion nicht üblich ist, missfällt auch mir, und meine Schuld ist es nicht, dass die aus dem Leben Scheidenden dieses Trostes beraubt sind. Weil aber nun einmal die Sitte, keine Krankenkommunion zu halten, so fest stand, dass eine Änderung nur unter schweren Kämpfen möglich gewesen wäre, so wollte ich lieber Frieden wahren, besonders da ich sah, dass es nicht nur in Genf Zwistigkeiten gäbe, sondern auch einen harten Strauß mit den Nachbarn in Bern absetzte und mir die böse Nachrede zuzöge, als ob ich die Seligkeit von einer äußerlichen symbolischen Handlung abhängig machte. Nur wollte ich meinen Wunsch für die Nachwelt deutlich bezeugt haben. – – –

– – Die Gemeindlein, die über ganz Frankreich zerstreut sind, schützt Gott in wunderbarer Weise, ja mitten unter dem furchtbaren Drohen der Feinde lässt er sie wachsen, wie man es nie zu hoffen gewagt hätte. Unser Macard ist in Paris und tut dort stets unermüdlich seine Pflicht; auch weicht er nicht, wenn er nicht mit Gewalt vertrieben wird; ebenso sind seine drei Kollegen gesinnt. Nach Bourges haben wir wieder einen gesandt, nicht um Martin zu ersetzen, sondern bloß, um ihm eine Teil der Last abzunehmen; denn einer allein ist der Arbeit nicht mehr gewachsen. Überall wächst die Zahl der Evangelischen, und aller Orten werden heimliche Versammlungen gehalten. Ich fürchte, man wird bald von einer neuen schärferen Verfolgung hören; denn in einigen Städten der Gascogne hat das Volk bereits die Kirchen für die reine Lehre in Besitz genommen und den Sendboten des Parlaments von Bordeaux die Tore verschlossen. Du weißt, wie leidenschaftlich die Gascogner Art ist, und so fürchte ich dort ernstliche Unruhen, wenn Gott nicht selbst Ruhe schafft. So müssen wir ihn, den König des Friedens, bitten, er wolle die Entschlossenheit der Seinen mit Sanftmut paaren, die Wut der Feinde im Zaum halten und den hartnäckigen Widerstand brechen. Lebwohl, hochberühmter Mann und verehrter Bruder. Der Herr sei stets mit dir; er leite dich mit seinem Geiste und segne dein Wirken. Die Freunde lassen dich grüßen.

Genf, 29. August 1558.