Nr. 514 (C. R. – 2564)
Vgl. 510. Der Rat von Wesel hatte Perrucel aufgefordert, das Augsburgische Bekenntnis zu unterschreiben; er hatte sich dessen geweigert und sich dafür anerboten, seine Orthodoxie von Melanchthon beglaubigen zu lassen. Der Refugiantengemeinde in Emden glaubte sich Perrucel verpflichtet, weil sie großen Teils aus Gliedern seiner frühern Gemeinde in London bestand; aber nun war er in Frankfurt zum Nachfolger Poulains gewählt worden und hatte Calvin um Rat gebeten.
Über Perrucels Stellung zur Wahl in Frankfurt.
Die Frankfurter waren von der Lage deiner Gemeinde unterrichtet, bevor sie dich beriefen; es war deshalb von ihnen weder recht noch wohlbedacht gehandelt, dass sie dich durch eine zur Unzeit erfolgte Wahl von dort wegzulocken suchten. Denn wenn auch keine Hoffnung besteht, das Weseler Gemeindlein aufrecht zu erhalten, so wäre es doch gar zu schimpflich gewesen, an einer so wichtigen Sache auch noch durch deinen Wegzug Verrat zu begehen. So würde ich dir nie raten, Wesel zu verlassen, ehe etwas Festes abgemacht ist. Wenn Philippus antwortet, (wenn er es nicht gerne tut, so zwingt ihn doch sicher die Anstandspflicht dazu), so wird er nicht wagen, deine Lehre zu missbilligen; ja, es soll mich nicht wundern, wenn er dein Bekenntnis einfach unterschreibt. Benimmt er sich aber in irgendetwas unaufrichtig, so soll er spüren, dass er es mit einem schärferen Gegner zu tun hat, als er es bisher erfahren hat. Indessen musst du eben abwarten, wie die Sache ausfällt. Weil jedoch wohl unzweifelhaft der [an Melanchthon gesandte] Bote wieder zurück ist und ich daher vermute, die Entscheidung sei bereits gefallen, so sehe ich, falls du in dieser Sache frei bist, nicht ein, warum du die Berufung nach Frankfurt ablehnen müsstest. Du glaubst, du seiest der Gemeinde in Emden verpflichtet; meine Meinung über diese Verpflichtung habe ich dir schon früher dargelegt. Ohne überhaupt eine künftige Rückberufung in Aussicht zu haben, hält kein Mensch je eine Stellung, in der einmal tätig war, so fest [wie du], und es war deshalb von den Emdenern nicht recht, dich, solange ihre Verhältnisse noch so unsicher waren, darum zu bitten, kein anderes Amt zu übernehmen, und andrerseits durftest du nichts versprechen, was dich hindern konnte, da zu wirken, wo man dich brauchte. Sie haben auch bei der großen Notlage der Frankfurter Gemeinde gar keinen Grund, vor Andern Berücksichtigung zu verlangen. Es wird sich schon ein rechtschaffener, passender Mann finden, der ihnen predigen kann; wenn du aber Frankfurt im Stiche lässest, so sind dort große Unruhen, ja der sichere Untergang der Gemeinde zu befürchten. Sieh also nur darauf, dass du deine jetzige Stellung nicht verlässest, ohne rechtmäßig beurlaubt und frei zu sein. Diese Befreiung aber nimm ruhig an als einen Befehl Gottes, der notleidenden Frankfurter Gemeinde beizuspringen. Lebwohl, trefflicher Mann und liebster Bruder. Auch meine Kollegen lassen dich vielmals grüßen. Der Herr sei mit dir; er leite dich mit dem Geist der Klugheit, der Geradheit, des Rates und der Kraft und lasse dich stets zunehmen an seinem Segen.
Genf, 21. Dezember 1556.