Nr. 430 (C. R. – 2082)
Vgl. 428 über den Druck der Verteidigung des Consensus. Antistes Sulzer in Basel war als lutheranisierend bekannt. Den Evangelischen in Locarno hatte ein von der Tagsatzung eingesetztes Schiedsgericht mit katholischer Mehrheit die Wahl gelassen zwischen Rückkehr zum alten Glauben oder Auswanderung innerhalb dreier Monate. Von den evangelischen Ständen rieten Bern, Basel und Schaffhausen, sich dem Spruch zu fügen, Zürich wollte ihn nicht anerkennen.
Nochmals die Schrift gegen Westphal. Die Evangelischen in Locarno.
Euer Rat über meine Schrift hat mir gefallen. Denn durch das Hin- und Herschreiben wäre viel Zeit verloren gegangen, und mache wären wohl, wenn sie noch freie Hand [zu Änderungsvorschlägen] gehabt hätten, gar hartnäckig gewesen, die jetzt hoffentlich mehr Billigkeit und Gefälligkeit zeigen werden. So habe ich denn das Büchlein dem Drucker sofort übergeben. Übrigens, wenn Ihr nicht dafür einsteht, wird diese Beschleunigung der Sache doch jedenfalls Unwillen wachrufen. Setzt Ihr aber Euer Ansehen dafür ein, so wird mir niemand Schwierigkeiten machen. Besonders bei den Brüdern in Bern müsst Ihr Euch ins Mittel legen, wenn Ihr nicht wollt, dass ich dem Geschwätz aller Welt, ja schließlich entrüstetem Schreien und Schimpfen, ausgesetzt werde. Bei den Bündnern, St. Gallern und Schaffhausern werdet Ihr vermutlich nichts zu tun brauchen. Von Sulzer fürchte ich, er werde das Wohlgefallen der Sachsen nicht preisgeben wollen. Doch zwingen andrerseits starke Gründe die Basler Kirche zum Anschluss an uns, wenn sie sich nicht ganz selbst vergisst. Ich habe an alle mit demselben Wortlaut geschrieben und lege Euch eine Kopie davon bei, damit keine Eifersucht entsteht, wenn sie etwa die Briefe einander mitteilen. Ich brauche dich gar nicht zu bitten, dass du die Päcklein jedes an seinen Bestimmungsort gelangen lässest. Denn ich mache dir damit nur eine Mühe, die du selbst begehrtest. Freilich, die Mühlhauser hätten eigentlich den Baslern näher gelegen; aber weil mir die Pfarrer dieser Stadt nicht persönlich bekannt sind, so dachte ich, es könnte gewiss eine von Euch beigegebene Empfehlung von großem Nutzen sein, und wollte dir diese Aufgabe überlassen.
Die Angelegenheit der Brüder in Locarno hat mit Recht dir und uns allen den herbsten Schmerz bereitet. Es war erstlich schon schmählich, dass sie von ihren Beschützern im Stich gelassen wurden, aber eine noch größere Schmach ists, dass Bekenner des Evangeliums an Glaubensgenossen eine auch in ihrem Namen gestellte Aufforderung zu treulosem Abfall richten lassen. Besser wäre es gewesen, die frommen Brüder zehnmaliger Folterung auszusetzen! Denn es ist eine ganz verkehrte Milde, um Menschenleben zu schonen die heilige Wahrheit Gottes zum Gespött zu machen. Und dazu schämen sich diese Leute ihrer Schändlichkeit so wenig, dass sie noch fast mit Vorwürfen die andern zum Guten abbringen wollen. Möchte ich doch bald hören, dass sie von Euren Behörden eine so strenge Zurückweisung erfahren, die sie endlich einmal spüren. Denn wer nicht einmal von einer solchen Schande sich aufregen lässt, muss doch zu stumpfsinnig sein. Ich möchte den armen Brüdern in Locarno mit einigem Trost zu Hilfe kommen, damit sie doch merken, wie wir um sie in Sorge sind, aber die Verhältnisse sind mir infolge der weiten räumlichen Entfernung zu unbekannt, und ich denke auch, Ihr werdet ohne Zweifel dies Werk schon eifrig betreiben.
Lebwohl, bester Mann, von Herzen verehrter Bruder. Der Herr leite und behüte auch weiterhin dich und deine Kollegen. Er segne Euren heiligen Eifer, und er triumphiere durch Euch über die treulosen Leute, die wie Pilatus Christum geißeln lassen, um ihn vor dem Kreuz zu retten, und dabei Euer ernste Auffassung der Sache ungerechter Weise Trotz nennen. In deinem Hause grüße Frau, Schwiegersöhne und Söhne von mir.
Genf, 13. Januar 1555.
Dein
Johannes Calvin.