Calvin, Jean – An Mykonius in Basel (284)

Vgl. Nr. 283.

Wie der Consensus zu Stande kam.

Es hatte mir schon ein Freund berichtet, du seiest etwas erzürnt, weil wir über das Abendmahl, ohne mit Euch zu beraten, eine schriftliche Consensusformel in Zürich zurückgelassen hätten. Aber weil du ihm gesagt hattest, du werdest dich deswegen mit mir auseinandersetzen, so habe ich meine Entschuldigung bisher hinausgeschoben. Nun aber, da ich von unserm Bruder Farel erfahre, du behauptetest, allen Grund zu haben, dich beleidigt zu fühlen, so glaubte ich, nicht mehr länger zögern zu dürfen, dir wenigstens in ein paar Worten auseinanderzusetzen, wie die Sache ging. Denn ich bin überzeugt, eine eigentliche Verteidigung ist gar nicht notwendig; sondern wenn ich einfach die Geschichte erzähle, wirst du ganz zufrieden gestellt sein.

Zwischen mir und Herrn Bullinger war die Frage privatim hin und her erörtert worden. Da unserm lieben Farel die Hoffnung auf eine Einigung einleuchtete, mahnte er mich unaufhörlich, zu öffentlicher Verhandlung nach Zürich zu reisen. Ich, aus Naturanlage oder Trägheit Langsamer, war nicht dazu bringen, seiner Mahnung zu folgen, bis sich wider Erwarten ein andrer Anlass bot. Ich trat ganz rasch die Reise an, an die ich zwei Tage vorher noch nicht gedacht hatte. Meine vertrautesten Bekannten wissen, wie rasch mein Entschluss war. Zunächst nach Neuchatel reisend, überredete ich Farel ohne Schwierigkeit, den Versuch mit mir zu wagen, ob wir uns zu einer frommen Einigung verbinden könnten. Unsere erste Zusammenkunft segnete Gott, wie ich es gar nicht zu hoffen gewagt hatte und überhaupt niemand es nach dem ersten Anfang hoffen durfte, so dass innert zwei Stunden unter uns festgesetzt war, was Ihr jetzt lest. So muss also Farel, wie er sich rühmen kann, diese Verhandlung, ohne dass andere dafür sorgten, veranlasst zu haben, auch die Schuld, wenn es eine ist, allein tragen.

Übrigens glaube ich nicht, dass Ihr an der Lehre selbst etwas auszusetzen habt. Wenigstens Herr Butzer, dessen Urteil wir unsern Consensus, wie es sich ziemte, unterbreiteten, nimmt ihn gerne an. Wir konnten Euch nicht im Voraus anzeigen, was uns nie in den Sinn gekommen war. Wenn du einwirfst, zuallerletzt sei noch der Fehler begangen worden, indem die Sache in der Schwebe hätte bleiben sollen, bis auch Eure Kirche um ihre Meinung gefragt worden, so ist für Farel und mich die Entschuldigung gleich zur Hand. Wir waren nämlich dahin übereingekommen, unser Consensus solle nicht veröffentlicht werden, ehe er auch von Euch gebilligt sei. Wir wollten sogar die Aufgabe übernehmen, Euch darüber Bericht zu bringen. Da aber unsere Brüder von Zürich es nicht für nützlich hielten, so wagten wir es nicht, allzu eifrig unsere Hilfe anzubieten. Wir umgingen auch auf ihren Rat Bern auf der Rückreise. Sonst wäre uns beiden nichts erwünschter gewesen, als Euch zu besuchen. Seid Ihr also übergangen worden, so darfst du mir oder Farel darob nicht zürnen. Denn die Zürcher haben es übernommen, die Verantwortung dafür zu tragen. Freilich denke ich, dass sie wohl aus irgendeiner andern Ursache und nicht aus Verachtung für Euch so gehandelt haben. Denn es wurde von Euch nur mit Ehrerbietung und Wohlwollen unter uns gesprochen. Wenn du dich freundschaftlich an sie wendest, hoffe ich, sie werden dich zufrieden stellen, wie dein Herz es wünscht. Sie werden keinen Dienst, den sie Euch schuldig sind, verweigern. Lebwohl, trefflicher Mann und verehrter Bruder im Herrn. Der Herr Jesus sei stets mit dir und leite dich. Grüße die Kollegen und die übrigen Freunde angelegentlich von mir.

Genf, 26. November 1549.
Dein
Johannes Calvin.