Brenz, Johannes – Abschiedsbrief aus der Verbannung an den Rath von Hall, 12.09.1548

Ehrenveste, Erbare, weise und Fürsichtige. Die Gnade des Allmächtigen durch seinen lieben Sohn unsern Herrn Jesum Christum, mit Erbietung meines allzeit willigen gehorsamen Dienstes, zuvor günstige liebe Herrn. Wiewol ich mich mit Verschreibung gegen F. E. W. auch allen andern Handlungen endlich dahin gerichtet, daß ich in dem Predigtamt E. E. W. aus Gottes Gnaden mein Leben bis in den zeitlichen Tod zu vollenden verhoffet, hab auch derhalben E. E. W. zu unterthänigem Gefallen treffliche Stände und Beruf, so meinen Kindern zu merklichem Nutz erschossen wären, abgeschlagen, so ist es doch leider allzu offenbar, was Aenderung sich diese Zeit in der Kirchen zugetragen, was auch meiner Person für große Beschwerniß, doch ohn alle meine Verschuldung, wie dann auch, als ich bericht, E. E. W. mich ganz günstiglich entschuldiget haben sollt, (dessen E. E. W. ich mich ganz unterthäniglich bedanke, und in billigem Gehorsam nimmer vergessen will) zugestanden sei, hierauf, nachdem E. E. W. vor dieser Zeit meine endlich Meinung von der wahren christlichen Religion genugsamlich vernommen, auf welcher Meynung ich auch, als auf der rechten, göttlichen, einigen Wahrheit, so ich bis in die 25 Jahre bei E. E. W. in der Kirchen vermög Gottes Worts geprediget und geschrieben, bis in meine Gruben hinein, durch Gottes Gnad zu verharren gedenke, so achte ich wohl, es werde E. E. W. Gelegenheit nicht sein, mich fürderhin für einen Predikanten zu behalten, bedanke mich gegen E. E. W. unterthäniglich aller erzeigten Gutthaten, und wo ich immer hingegen E. E. W. und gemeiner Stadt gefälligen Dienst erzeigen kann, soll es an mir nicht erwinden, dieweil ich aber bis anher von meinem Abscheiden an und noch kein andern Stand angenommen, sondern auf aller Handlung Besserung, so doch nicht erfolgen will, gewartet, so stelle ich E. E. W. günstig Bedenken, ob sie mir die Besoldung dieses Vierteljahrs vom Johannis Baptist an bis auf Michaelis, günstiglich reichen lassen wolle, dann die andern zwei Punkten, in der Verschreibung, meiner Kinder erkaufte Güter und das Stipendium, meinem Sohn, so er aus Gottes Gnaden zu seinen Tagen auf eine hohe Schule komme, günstiglich versprochen, belangend, bin ich ganz tröstlicher Hoffnung, nachdem der Mangel an meiner Person nicht erscheinet, sondern von Herzen gern bei E. E. W. länger im Predigtamt, so mir das heilige Evangelium, wie bis anher zu predigen vergönnet würde, bleiben wollte, E. E. W. werde die vorgenannten Punte, inmassen wie sie in der Verschreibung begriffen, in ihren Würden und Kräften, dieweil so ohn alle Condition und Bedingung, mir versprochen, beständiglich bleiben lassen.

So soll auch hingegen jährlich das Beetgeld, von meines Weibs zugebrachtem Gut, wie bisanher gehorsamlich E. E. W. geleistet werden, E. E. W. ganz unterthäniglich bittend, Sie wolle mein krankes Weib und verlassene Kinder in günstigen Befehl haben; Denn ob ich schon zu dieser Zeit in der Menschen Ungnad sein soll, so bin ich doch, wie ich gewißlich vertrau, und dessen keinen Zweifel hab, nicht in Gottes Ungnad, sondern jemehr ich in das Elend verjagt, jemehr mir Gottes Sohn, des Hoffarb ich jetzt von wegen seines Evangeliums trage, beiständig sein, und auch E. E. W. was Sie mir und den Meinen Gunst und Wohlthat erzeigen, noch reichlich vergelten wird. Hiemit sei E. E. W. dem barmherzigen Gott und Vater unsers lieben Herrn Jesu Christi befohlen, der wolle von E. E. W. seine Gnad nicht abwenden, um eine günstige antwort bittend, datum am 12. Tag Septembris anno 48.

E. E. W.

unterthäniger
Johann Brenz

Quelle:
Evangelische Volksbibliothek Herausgegeben von Dr. Klaiber, Garnisonsprediger in Ludwigsburg Zweiter Band. Stuttgart Adolph Bechers Verlag (Gustav Hoffmann). 1863