Calvin, Jean – An Viret in Lausanne (220).

Unerträgliche Lage in Genf und Bitte um Virets Besuch.

Als unsere Stürme am heftigsten tobten, durfte ich dich doch nicht bitten, hierher zu kommen, weil ich wusste, dass dich auch in Lausanne wichtige Geschäfte festhielten. Es stand als weiterer Grund im Wege, dass gleich ein Gerücht über dein Kommen zu den [Berner] Bären dringen könnte. Da du jetzt mehr erleichtert bist, wie ich hoffe, tust du, was der Mühe wert ist, wenn du dich, am ersten Tag, an dem es geht, zur Reise gürtest. Ich habe mich noch nicht entschlossen, was ich schließlich tun soll, als dass ich die Art dieses Volkes nicht weiter ertragen kann, auch wenn sie meine Art ertragen. Und doch weiß ich nicht, weshalb sie mich der Härte beschuldigen. Freilich würde es mich nicht einmal so sehr kränken, wenn ich ihnen grundlos missfiele, wenn mich nicht auch ihre Bosheit, wie es sich gehört, so angriffe. Wie viel bleibt mir denn noch von meinem bisschen Leben, dass ich mir Zukunftssorgen machen dürfte? Aber ich bin töricht, dass ich dir dies in einem Briefe schreibe, da ich mich doch darauf verlasse, dass du bald hier bist. Lebwohl, liebster Bruder und Freund. Der Herr Jesus behüte dich samt deiner Frau und deinem ganzen Haus. Grüße deine Kollegen in meinem und meiner Brüder Namen.

Genf, 26. Dezember 1547.
Dein
Johannes Calvin.