Calvin, Jean – An Farel in Neuchatel (177).

Farel schrieb Perrin einen Brief mit der Aufforderung, sich mit Calvin zu versöhnen. Cäsar oder Komödien-Cäsar ist der Übername, mit dem Calvin den Perrin bezeichnet; zur Wahl dieses Ausdrucks vgl. Nr. 151. Über Froment vgl. 90. Seine Frau Marie d´ Entiere, eine ehemalige Nonne, hatte 1539 eine reformatorische Flugschrift der Königin von Navarra gewidmet. Weggelassen ist eine unverständliche Bemerkung über Farels Brüder.

Vom Streit mit Perrin und allerlei Anfeindungen der Pfarrer.

Wenn mir auch dein Brief nicht ganz gefiel, weil ich fürchte, durch seine allzu große Schärfe könnte er Perrins leicht erregtem Ärger Anstoß geben, so ließ ich ihn doch abgeben, und zwar so, dass er nicht erfährt, dass ichs gelesen habe. Der Überbringer dieses Briefes trug ihn hin, wie wenn du es ihm direkt aufgetragen hättest. Donnert er los nach seiner Art, so bleiben seine Blitze doch ein wirkungsloses Geknatter. Ich biete mich ihm [zur Versöhnung] nicht nur an, sondern ich dränge mich ihm geradezu auf; nur der Gedanke an die Würde meiner Stellung hält mich in Schranken; das aber nicht meinetwegen, sondern weil der Mann, von Schmeichelei verwöhnt, meine Nachgiebigkeit missbrauchen würde zum Spott gegen Christus. So gebe ich die Hoffnung auf Versöhnung auf, wenn nicht der Herr ein Mittel weiß und braucht. Perrins Frau ist eine entsetzliche Unholdin. Die Witwe [Claude Perrins, seine Mutter] treibt so frechen Scherz, dass man sie für ein junges Mädchen halten könnte. Dazu bezieht sie in ihrem schlechten Gewissen jedes Wort, das in der Predigt fällt, auf sich und kommt dadurch in Wut; zu Hause speit sie dann alles Gift, das sie in sich hat, gegen uns. Freilich, gegen dich hat sie sich wunderbarer Weise sehr wohlgesinnt bewiesen. Deine beiden Neffen nahm sie bei sich auf, als sie gefährlich krank waren, und pflegte sie ganz so, als wären es ihre Söhne. Der Liebesdienst verdient wirklich vielen Dank, den du nicht vergessen darfst, wenn sich dir Gelegenheit zu einer Botschaft bietet. Uns allen aber ist sie so feindselig gesinnt, dass mirs scheint, der Cäsar selbst hasst uns nicht ärger. Doch wenn ich sie verklagen soll, so muss ich bekennen, dass ich nichts anderes weiß, als dass sie aller Freveltaten Verteidigung übernimmt.

Jetzt will ich dir eine lustige Geschichte erzählen. Neulich kam Froments Frau hierher. In allen Kramläden, auf allen Straßen predigte sie gegen unsere langen Talare. Als sie erfuhr, man habe es mir gemeldet, entschuldigte sie sich lachend, sie habe nur gesagt, entweder seien wir [in Genf] unziemlich gekleidet zum großen Ärgernis der Gemeinde, oder Ihr [in Neuchatel] hättet falsch gelehrt, als Ihr sagtet, an den langen Gewändern könne man die falschen Propheten erkennen. Als ich diese dumme Verleumdung zurückwies, schrieb sie auf einmal dem heiligen Geist zu, was sie vorher Euch in den Mund gelegt hatte, und sagte: Was bedeutet denn das Wort im Evangelium: Es werden Leute zu Euch kommen in langen Gewändern? Ich antwortete, ich wisse nicht, wo der Spruch stehe; es müsse vielleicht im Manichäer-Evangelium sein. Denn Lukas 20, Vers 46 heißt es so: Hütet Euch vor den Schriftgelehrten, die da wollen einher treten in langen Kleidern! Nicht aber [als Prophezeiung]: Es werden zu Euch kommen usw., wie sie aus Matthäus 7 [15] eingeschaltet hatte. Als sie sich so bedrängt fühlte, beklagte sie sich sehr über unsere Tyrannei, weil nicht jedem beliebigen erlaubt ist, zu schwatzen, was ihm beliebt. Ich nahm das Weib her, wie es meine Pflicht war. Sie zog dann gleich zur Witwe Michels, die sie in ihre Freundschaft aufnahm, nicht nur zur Tisch-, sondern sogar zur Bettgenossin, nur weil sie auf die Pfarrer schimpfte. Die Sache ist so heikel, dass ich sie unberührt lasse, bis der Herr anlegt. Nächsten Sonntag wollen wir das Abendmahl feiern. Daraus entnimm, welche Nöte mich jetzt festhalten. Könnte es nur ohne mich gefeiert werden, und wenn ich auf den Händen zu Euch kriechen müsste! – – Lebwohl, bester Bruder und Freund. Grüße alle Brüder, dein Haus und die frommen Bürgersleute angelegentlich von mir. Der Herr erhalte und leite Euch stets mit seinem Geist.

Genf, 1. Sept. 1546.
Dein Johannes Calvin.