Ambrosius Blarer an Heinrich Bullinger, 23.12.1543

„Möchte doch unser Magistrat auf eine solche Einrichtung denken, in welcher die geistliche und weltliche Zuchtordnung also dem Herrn wohlgefielen, daß er seinen Zorn von uns abkehrte. Unser Rath hat jetzt wenigstens den Anfang gemacht, indem er uns Kirchendienern die schöne aber überaus schwere Aufgabe stellte, wir möchten, da wir täglich an seiner Verwaltung so viel auszusetzen hätten, ihm eine solche dem Wort Gottes entsprechende Regel aufzeichnen, bei deren Befolgung er sicher sein dürfte, den Segen Gottes reichlich zu empfangen und seinem drohenden Strafgericht zu entrinnen. Du siehst jedoch, wie schwierig diese Aufgabe ist, nicht nur, weil sie so umfassend ist, sondern auch weil sich Vieles aus dem Wort Gottes nicht beantworten läßt. Dazu kommt, daß Unzähliges zu behandeln wäre, was dem geistlichen Amt ganz ferne liegt, so daß wir uns dieser Aufgabe entheben zu sollen glaubten; da sie aber uns hierüber, abgesehen von unserem Kirchenamte, wie auch andere gute Männer hören wollen, so konnten und durften wir das Ansinnen nicht schlechthin von der Hand weisen. Sie begehren von uns zu vernehmen, wie ein Regiment im Geistlichen und Zeitlichen angerichtet werden möge und solle, daß es Gottes Wort ähnlich und demnach ihm dermaßen gefällig sei, daß er, wo dem gelebt, von deßwegen seinen Zorn und vorgenommene Strafe nachlassen werde; wollen demnach, daß wir eine ganze Reformation stellen, wie alle Dinge in kirchlichen und politischen Sachen gehalten sollen werden, denn sie gedenken sich dermaßen in Gottes Willen zu richten, daß sie auch andern Obrigkeiten ein gut, besserlich, christlich Exempel seien.“