Luther, Martin – An Johann Mandel.

Den 11. November 1539

Gnade und Friede in Christo. Ihr habt nun etliche Mal, mein lieber Herr Johann, durch eure Mittler bei mir ansuchen lassen, daß ich euch ein Brieflein sendete, daraus ihr möchtet Trost und Erquickung in eurer langwierigen Krankheit empfahen. Aber ich denke und fühle, daß mir viel nöthiger wäre, ein Brieflein von euch an mich geschrieben, dadurch mein Geist erquickt würde, der von vielfältigen Aengsten und Trübsalen angefochten und geplagt ist. Bitte derhalben mit rechtem Ernst, ihr wollet immer fortfahren, meiner zu gedenken in eurem brünstigen Gebete, das aus rechtem Glauben herfließt, wie auch wir euer gedenken. Daß ihr aber klaget über Anfechtung und Traurigkeit des Todes halben, so wisset ihr aus unsrem Glauben, daß der Sohn Gottes gestorben ist, auch daß er durch seinen Tod dem Tode Aller, die an ihn glauben, die Macht nähme. Lieber, was Großes ist’s, daß wir sterben, so wir recht bedenken, daß er, der liebe Herr, gestorben, und für uns gestorben ist. Sein Tod ist der rechte, einzige Tod, der unser Herz, Sinne und Gedanken so einnehmen und erfüllen sollte, daß uns nicht anders zu Sinne wäre, denn, als lebte nun nichts mehr, auch die liebe Sonne nicht, sondern wäre alles mit dem lieben Herrn gestorben; doch, also, daß, wie er, alles wieder auferstehen soll an jenem seligen Tage. In diesen seinen Tod und Leben soll unser Tod und Leben sinken, als deren, die mit ihm ewig leben sollen. Und zwar, er ist uns vorangegangen mit seinem Tode, von Anfang der Welt; wartet auch auf uns bis an der Welt Ende, auf daß er uns, wenn wir aus diesem kurzen, elenden Leben scheiden, empfahe und in sein ewig Reich aufnehme. Aber ihr wisset euch das alles besser und stärker zu erinnern aus der Schrift, denn ich Betrübter und Wohlgeplagter, nicht mit einerlei Tod umgehen, in dieser trübseligen Zeit. Grüßet euer Weib und Kinder in ungefärbter Liebe und seid stark, getrost und unverzagt in dem Herrn, welcher nun nahe ist.

Quelle:
Auserlesene geistvolle Briefe Der Reformatoren und sonstiger bedeutender Männer der evangelischen Kirche Zur christlichen Erbauung und Belehrung von C.E. Renner, evangelischem Pfarrer. Stuttgart. C. Cammerer (früher H. W. Beck’S Verlag.) 1862