Luther, Martin – An Wenceslaus Link (1536).

Gnade und Friede in Christo ! Mein lieber Wenzel! Weil es schon einige hundert Jahr her ist, daß ich nicht lateinisch schreibe noch rede und fast fürchte, all mein früher Latein zu vergessen nnd glaube, daß ihr wohl an der gleichen Gefahr leidet: so hoffe ich doch, daß solcher Glaube mich vor euch rechtfertigen werde auch ohne gute und böse Werke, weil ihr gegen solche Sünder ein gnädiger Gott seid, gleichwie ihr wünscht, daß in euren gleichen Sünden euch vergolten werde. Amen.

Ich hatte nichts zu schreiben, nur wollte ich diese ehrsamen Evangelistinnen. Frau Detzelin mit ihren Töchtern, nicht ohne Briefe ziehen lassen. Auch hütt ich einige güldene Berge mitgeschickt, aber unsre Elbe hat in diesen Jahren gar oft überschwemmet und hat allen Goldsand mit sich fort genommen: ließ uns nur Kies und Steine zurück, davon einige in Justi Jonä Leibe hängen blieben sind. So scherze ich krank und gesund, schwach und stark, ein Sünder und ein Gerechter, fast gestorben und lebendig in Christus.

Da ihr dort zwischen güldenen und silbernen Flüssen sitzet, schickt mir doch, nicht poetische Träume, wohl aber poetische Lieder, die mir sehr wohl gefallen. Versteht ihr mich? Ich will deutsch reden, mein gnädiger Herr Wenzel. Wo es euch nicht zu schwer, noch zu viel, oder zu lang, oder zu weit, oder zu hoch, oder zu tief und dergleichen wäre, so bitte ich euch, ihr wollet irgend einen Knaben lassen sammeln alle deutsche Bilder, Reime, Lieder, Bücher, Meistergesänge, so bei euch dieß Jahr sind gemalet, gedichtet, gemacht, gedruckt durch eure deutsche Poeten und Formschneider oder Drucker; denn ich Ursach habe, warum ich sie gerne hätte. Lateinische Bücher können wir hie selbst machen; an deutschen Büchern zu schreiben lernen wir fleißig und hoffe, daß wirs schier so gut wollten machen, wo wirs nicht bereits gethan, daß es Niemand gefallen sollte. Gehabt euch wohl in Christo. Betet für mich. Der Herr sei mit euch und den Euren; grüßet alle die Unsern. Am 2. nach Oculi 1536,

D. Mart. Luther, so wohl Doctor, als ihr selbst.

Quelle:
Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867Hase, Carl Alfred – Luther-Briefe in Auswahl und Uebersetzung für die Gemeinde herausgegeben Leipzig, Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel 1867