Melanchthon an die Kirche zu Augsburg, 20.7.1535

Den Ehrwürdigen und wohlgelahrten Männern und Hirten der Kirchen zu Augsburg, die das Evangelium Christi lehren, seinen lieben Freunden.

Unsern Gruß zuvor. Würdige und wohlgelahrte Männer. Eure Briefe geben nicht allein eine Anzeigung eines rechten christlichen Gemüthes, sondern zeigen auch an eure Kunst, derhalben mir eure Briefe um dieser beider Ursachen willen sehr angenehm sind gewesen. So habt ihr meines Urtheils und Willens D. Gereon zu einem Zeugen. Derselbe wird euch auch Doct. Urbans halben wissen Bericht zu geben. Der Herzog hat sich gegen Doct. Luthern selber entschuldigt, mit eigner Hand aufs fleißigste geschrieben.

Mein Gemüth und Urtheil von der Concordie unsrer Kirchen hoffe ich, es sey allen frommen Männern wohl wissend. Mich bewegt auch wenig der Ungelehrten und deren so ein falsch Urtheil von mir fällen; denn wenn ich könnte die Concordie fördern, so wollte ich auch mein Leben darob in Gefahr setzen, und ich hoffe, es sey der Concordie schon ein Zugang bereitet. Christus wolle regieren und leiten aller Frommen Anschläge. Ich will euch auch derhalben gebethen und vermahnt haben, daß ihr wollet die vorgenommene Mäßigung handhaben, welche mir wohlgefällt, und wie ich hoffe daß sie der Kirche sehr ersprießlich seyn werde. Ich weiß nicht wie es nun kommt, daß man so säumig ist imm Zusammenkommen der Gelehrten, und freundlich zu reden mit einander; aber wir wollen indeßß durch Briefe mit einander reden. Gott behüt euch. d. 21. Iulii 1535.

Philippus Melanthon.

Bretschneider, Carolus Gottlieb
Corpus Reformatorum
Volumen II
Halis Saxonum
C. A. Schwetschke und Sohn
1835