27.6.1531
Gnad und Friede in Christo. Ich verabscheue auf alle Weise jenes Predigers höchst eitele Verwegenheit, mein Hiernonymus, der, wie Ihr meldet, unter Caspar von Schönberg einige leichtgläubige Herzen zu einem gefahrvollen Versuch beredete, das Abendmahl unter beyden Gestalten zu empfahen. Nun flieht der Miethling, da er den Wolf erblickte, und verläßt die schwachen unberathenen Schaafe. Wie soll ich nun in meiner Ferne den Abwesenden zu Hilfe kommen? Dieser Miethling soll sich nicht unterfangen vor meine augen zu kommen! Die Sache läßt sich nun nicht mehr zurück nehmen, oder um Vergebung bitten, und doch werden sie noch nicht stark genung seyn in dem Bekenntniß der Wahrheit standhaft zu verharren. Es würden daher die Prediger weit besser handeln, wenn sie die Gewissen ihrer Zuhörer bloß durhc das Evangelium beruhigten, und nur die zum öffentlichen Bekenntniß aufforderten, die stark genung sind für Christo alles zu dulden. Denn es ist besser in der Stille der ächten Lehre beypflichten, als dieselbe nach öffentlicher Ausübung wieder verlaugnen. Ich schrieb dennoch an sie; aber ich weis nicht ob mein Schreiben ihnen zum Trost oder zur Beunruhigung seyn wird. Ich überlaß es Eurem Urtheil; und nur dann schicket es ihnen, wenn es Euch gut dünkt. Den Nahmen des Orts hattet Ihr nicht genannt, und den Bothen wollt ich nicht darum fragen. Es wird nächsten euer Bruder Peter Weller zu Euch kommen, und Ihr werdet von unserm Scorpionfänger alle unsere Umstände vernehmen. Dinstag nach Johann dem Täufer 1531.
Euer Martin Luther
D. Martin Luthers bisher grossentheils ungedruckte Briefe. Nach der Sammlung den Hrn. D. Gottf. Schütze, aus dem Latein übersetzt. Erster Band. Leipzig, in Kommission bey Christian Friderich Wappler. 1784.